Von Blumen und Steinen – eine Geschichte

Swami Chinmayananda erzählte gerne Geschichten, um Zusammenhänge zu verdeutlichen und Menschen zu inspirieren. Eines Tages kamen einige Leute mit einer langen Liste von Beschwerden zu Swamiji und empörten sich lautstark:

“Warum müssen gerade wir diese und jene Aufgaben erledigen, Swamiji?”, fragten sie aufgebracht und zählten auf, welche Aufgaben ihnen so sehr missfielen.

“Warum wird Person X oder Person Y nicht die Verantwortung dafür übertragen?”“Warum sollen wir uns darum kümmern? Warum hat man uns das alles aufgehalst?”, empörten sich die Leute.

Swamiji erzählte daraufhin folgende Geschichte: 

Vor langer Zeit geschah es, dass alle Blumen kollektiv dachten: “Das ist nicht fair. Immer werden wir Blumen gezupft, um unsere Blüten zur Verehrung der steinernen Murtis (Statuen, Götterbilder) zu benutzen. Niemand betet uns an, obwohl uns das ebenso sehr zusteht. Immer werden wir für die Anbetungsrituale benutzt – rote Blüten für Ganapati, die weißen für Shiva und gelbe Blüten für Dattatreya. Dagegen müssen wir protestieren!”

So näherten sie sich dem Schöpfer und beschwerten sich bei ihm persönlich. Der Schöpfer lauschte geduldig ihrem Anliegen und sagte daraufhin: “Ich verstehe, was ihr meint. Ab morgen werden die Steingötzen kommen und euch verehren.” 

So wurden die Blumen zufriedengestellt. Doch was war das? Am nächsten Tag schallte es elendig aus allen Gärten. Steinerne Idole, groß und klein, prasselten auf die Blumen herab.

Bald schon waren die Gärten von leidenden Blumen übersät – zerquetscht, verdreht, gemörsert, leblos. Manche lagen keuchend am Boden und erhoben klagend ihre Stimmen zum Schöpfer:

“Bitte verschone uns, Herr! Wir wollen nicht weiter angebetet werden. Lieber möchten wir wieder der Verehrung der Murtis dienen. Wir möchten lieber dem Gottesdienst geweiht werden.”, jammerten die Blumen. “Wir verstehen deine Weisheit, oh Herr. Ganz sicher ist es eine größere Freude, die uns zugewiesene Rolle zu erfüllen, als sich darüber zu beschweren. Wir finden größere Freude daran, zu verehren, als verehrt zu werden. Das ist uns nun klar geworden.”

So kam es, dass sich die Blumen wieder in den Dienst der Verehrung stellten und auch heute noch diese Aufgabe mit Hingabe und Dankbarkeit erfüllen.

Karma Yoga

 

Swami Chinmayananda war ein Schüler von Swami Sivananda Saraswati in Rishikesh, dem Gründer der Divine Life Society. Gurudev Swami Sivananda riet ihm jedoch nach einigen Jahren dazu, das Studium bei Tapovan Maharaj in Uttarkashi, Himalaya fortzusetzen.

Swami Chinmayananda verbreitete die Botschaft des Vedanta und setzte sich für die indische Unabhängigkeit ein.

 

 

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