Positiv sein – was heißt das überhaupt?

In der Elektrizität gibt es den Pluspol und den Minuspol, positive und negative Ladung. Obwohl wir sie so nennen, sind sie im gewöhnlichen Kontext weder positiv noch negativ, sondern zwei verschiedene Aspekte ein und derselben Sache.

Positives und negatives muss also nicht gut oder schlecht sein. Angenommen es wird ein medizinischer Test gemacht, dann ist ein positiver Test in den meisten Fällen nichts Gutes. Positiv heißt in dem Fall: Es ist irgendeine Krankheit da.

Positivität hat etwas mit Position zu tun, da „steht irgendetwas“. Negativität ist die Abwesenheit davon. Positivität heißt also, dass irgendetwas da ist. Aber lasst uns weniger über Physik oder Medizin sprechen.

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Positivität als geistige Eigenschaft

Wir haben schon herausgefunden: Im lateinischen Ursprung heißt Positivität, dass etwas da ist. Es kann aber auch heißen, etwas das da ist positiv zu deuten.

Positivität kann auch heißen, Herausforderungen im Alltag zu bewältigen, auch wenn Menschen uns kritisieren und Dinge durcheinander kommen. Es heißt, das anzunehmen und zu sagen „Toll, das Leben gibt mir Herausforderungen. Vielleicht wird alles zusammenbrechen, vielleicht werde ich neu anfangen müssen, aber ich werde daran wachsen. Das Karma, mein Schicksal, gibt mir diese Situation.“

Positivität kann sogar heißen, verzweifelt zu sein und nicht zu wissen, wie es weitergehen soll. Vielleicht hat uns jemand verraten, auf den wir gebaut haben. Unsere Emotionen überwältigen uns. Da müssen wir durch. Aber wir können uns bewusst sein, dass wir daran wachsen werden.

Was auch immer für Situationen kommen, wir werden daran wachsen. Und vielleicht wissen wir noch nicht, was der Sinn hinter dem Ganzen ist, aber das müssen wir auch nicht.

Jetzt stecken wir in unseren Emotionen drin, und das ist auch gut so. Aber wir können das tiefe Vertrauen haben, dass Gutes dabei herauskommen wird. Und all das, was wir jetzt lernen, werden wir später mit anderen teilen und sie besser verstehen können.

Akzeptiere dich selbst und andere

Positivität heißt auch, unseren Charakter zu würdigen wie er ist. Im Ayurveda gibt es das Kapha, Pitta und Vata Temperament – das gemütliche Temperament, das feurige Temperament und das eher luftige Temperament.

Dieses Temperament so anzuerkennen, wie es ist, ist auch Teil von Positivität. Es ist gut so, wie wir sind.

Positivität heißt jedoch nicht, dass wir uns jederzeit zum Hampelmann machen müssen und immer alles für gut heißen müssen. Auch heißt es nicht, dass jetzt jeder ein amerikanischer Motivationstrainer werden muss. Es heißt anzuerkennen was ist, es zu würdigen und das Gute darin zu sehen.

Ein schwermütiger Mensch kann demnach ein positiver Mensch sein, wenn er seine Schwermütigkeit erkennt und das Gute darin sieht. Genauso, wenn der ängstliche Typ seine Angst anerkennt und darin das Gute sieht, nämlich, dass er eher vorsichtig ist. Auch das kann gut sein.

In diesem Sinne heißt Positivität und positives Denken, aus allem das Beste zu machen. In jeder Situation eine Chance zu erkennen und sein Schicksal anzunehmen – sich selbst für seine Schwächen anzuerkennen.

Es heißt da aber auch, seine Mitmenschen anzuerkennen. Auch anzuerkennen, dass jeder Mensch etwas beizutragen hat. Wir müssen Menschen nicht ändern, wir können ihnen helfen sich zu entwickeln.

Aber Menschen sind erstmal immer so, wie sie eben sind – mit ihrem Charakter, ihrer Verletzlichkeit und mit allem, was da ist. Jeder hat etwas Wichtiges beizutragen und ist wertvoll so, wie er jetzt ist.

Wir müssen es nicht verstehen

Die höchste Positivität besteht in der Erkenntnis, dass hinter allem die göttliche Gegenwart ist und das Universum eine Manifestation Gottes ist. Hinter allem ist die göttliche Wirklichkeit erfahrbar – auch in der Tiefe eines jeden Menschen.

Und auch wenn wir das nicht verstehen können, können wir das tiefe Vertrauen darin haben.

Wir müssen nicht wissen, warum es so viel Leiden gibt und warum alles so ist, wie es ist. Wir können uns trotzdem bewusst werden, dass wir nur einen ganz kleinen Ausschnitt aus dem großen Ganzen sehen. Was wir jetzt gerade erleben ist noch nicht mal ein Staubkorn im ganzen Universum. Doch weil es etwas Kleines im großen Ganzen ist, ist es trotzdem bedeutend.

Wir leben unser Leben jetzt im Bewusstsein, dass es etwas zu bedeuten hat. Wir können nicht alles verstehen, aber wir können vertrauen, dass vor dem Hintergrund von tausenden und abertausenden Reinkarnationen und Wiedergeburten, vor dem Hintergrund eines riesigen Weltengebildes, immer das geschieht, was geschehen soll, und dass wir das beitragen können, was beigetragen werden soll; dass jeder Mensch sein Bestes gibt.

Das wäre eine spirituelle Form der Positivität. In diesem Sinne: Überlege selbst, was Positivität für dich heißt. Wenn du den Begriff tiefer begreifst, dann wirst du einen positiven Bezug zu Positivität haben und dein Leben damit füllen können.

7 Kommentare zu “Positiv sein – was heißt das überhaupt?

  1. Iris Schmidt

    Sehr hilfreich, dieser Text. Ich habe gerade eine Krise mit meiner besten Freundin und spüre konkret: Wir können nicht mehr zurück in unsere alten Freundschaftsstrukturen. Wir sind darüber hinausgewachsen. Wir sind ungeschminkter und unberechenbarer füreinander geworden. Wir verdecken weniger, aber unsere Egos regen sich mehr darüber auf, was sichtbar wird. Das Auffangnetz unserer alten Muster trägt nicht mehr.
    Was bedeutet jetzt positiv sein?
    Ungeschminkter können wir klarer unsere Schwächen erkennen – die eigenen und die der Freundin – und sie uns selbst zugestehen und auch der Freundin. Ohne zu wissen, ob dieser momentane Graben zwischen uns unsere Freundschaft verschlingt, können wir anerkennen, dass er jetzt da ist, dass er uns trennt, dass die Verbindung ihre Selbstverständlichkeit eingebüßt hat, dass wir uns darüber austauschen können, wie es sich anfühlt auf der einen oder anderen Seite dieses Grabens zu stehen und was das Ego dabei veranstaltet. Es ist ungemütlich, es fühlt sich riskant an, aber auch sehr menschlich.
    Positiv sein in dem Sinne, wie du es beschreibst, Sukadev, stärkt mich darin diese Erfahrung zuzulassen und hilft mir, das große Wachstumspotential dieser Situation für mich und meine beste Freundin auszuhalten und den Graben zwischen uns zu erleben und ihn nicht zuzuschütten oder so zu tun, als wäre er nicht da oder mich abzuwenden, weil es so unangenehm ist, an diesem Graben zu stehen.

    Danke.

  2. Cécile

    Vielen Dank für diese wertvollen Gedanken. Es nimmt den Druck von der Erwartung immer positiv sein zu sollen.

  3. Ja, schöner Text. Allerdings wird nur vom Positiven gesprochen. Dadurch versteht man leider die eingangs angesprochene Logik nicht wirklich: nämlich, dass Negativ bedeutet, da ist nichts, da gibt es nichts. Dadurch erst wird alles was ist: positiv. :-).

  4. Das hat gut getan!

  5. Thomas herz

    Danke für den Text.
    Ich möchte nur auf den „amerikanischen Motivationstrainer“ aufmerksam machen. Sicherlich kommt der Sinn auch ohne diese Zuschreibung aus.
    Vielen Dank.

  6. Sehr gute Gedanken !!! Vielen Dank

  7. Tollen Text.
    Vielen Dank!

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