Yoga online unterrichten

Mehr als einem Jahr nach Beginn des ersten Lockdowns teilt Carina Pirra ihre Erfahrungen dazu, wie es ist Yoga online zu unterrichten. Das Unterrichten allein vor einer Kamera, statt zusammen mit Menschen sowie das Fehlen unmittelbarer Kommunikation, waren nur einige der Herausforderungen, welche die Autorin meisterte.

Seitdem ist nicht nur das Yoga Vidya Netzwerk zusammengerückt, sondern Carina auch als Yogalehrerin gewachsen. Ein Bericht über eine Herzensverbindung, die über die materielle Ebene hinausgeht.

Dein einziges Recht ist es zu handeln, und keinen Anspruch hast du auf die Früchte deines Tuns. Lass weder die Früchte deiner Handlung dir Motiv zur Handlung sein, noch wende dich zum Nichtstun.“

Bhagavad Gita, 2.47

Mitte März 2020 brach die Welt in Teilen zusammen. Für uns alle auf eine andere Art und Weise: für manche nur sehr klein, kaum spürbar. Andere wiederum wurden in ihrer Existenz bedroht. Manche davon sogar lebensbedrohlich. Wir schlossen das Mannheimer Yoga Vidya Zentrum, 4 Tage bevor uns die behördliche Verordnung ereilte. Ursprünglich wollten wir einfach für ein paar Tage schließen, um einen Überblick zu gewinnen: Die Nachrichten überschlugen sich, Teilnehmer/innen und Unterrichtende waren verunsichert und wir hatten das Bedürfnis einfach zu handeln anstatt abzuwarten.

Doch statt Entwarnung hieß es wenige Tage später – Lockdown – für mindestens 4 Wochen. Dass daraus dann 3 Monate und auch hinterher in der Folge für alle lange Zeit nichts so wie vorher werden sollte, ahnte ich nicht. Heute denke ich, besser so: Wahrscheinlich hätte mich bleierne Mutlosigkeit erfasst. Ich hätte mich wie Arjuna hingesetzt und gezetert, die Waffen von mir geworfen und wäre ins Jammern verfallen.

Das Yoga Vidya Netzwerk rückt zusammen

So saß ich da, aber nicht alleine. Das Yoga Vidya Netzwerk rückte zusammen, die Leiter/innen der Stadtcenter trafen sich, natürlich nicht persönlich, sondern online. Bisher hatten gemeinsame Treffen ein bis zweimal im Jahr stattgefunden. Nun trafen wir uns wöchentlich über Zoom. Und es zeigte sich, dass man gemeinsam stärker ist und manches auch besser lösen kann. Wir tauschten uns über Möglichkeiten aus, wie es weitergehen könnte. Schnell war klar, dass wir den Online Unterricht weiterführen können und besprachen praktische Fragen: Welche Technik ist notwendig, welche Software? Wir machten einander Mut, es doch einfach Mal auszuprobieren – online zu unterrichten. Einfach machen, nicht zu viel denken.

Yoga Ausbildung online unterrichten

In meiner Studienzeit hatte ich das letzte Mal Videotelefonie gemacht, um mit Freunden in Kontakt zu bleiben. Nun war es aber etwas völlig anderes: Ich sollte vor der Kamera unterrichten. Ich mochte es noch nie, fotografiert zu werden, und jetzt live online unterrichten? Also praktisch ein Foto nach dem anderen zu machen, ohne Stopp und die Möglichkeit zurückzuspulen und Dinge zu löschen? Die Ausbildung musste weitergehen.

Ich setzte mich also mit Technik bewaffnet ins Studio und nahm eine Yogastunde auf. Ohne Teilnehmer/innen, ohne gemeinsamen Tee, ohne Korrigieren. Ganz allein vor der Kamera, also einer schwarzen Linse, die zwar alles aufnimmt, aber nichts zurückgibt. Kein Lächeln, kein Zwinkern, kein OM, nur das leise Rauschen des Laptops und mein eigenes Echo in einem 40 Quadratmeter-Raum mit einer Deckenhöhe von fast 3,5 Metern. Bisher fand ich diesen Loftcharakter toll und luftig, nun fühlte sich das leer und kalt an. Am liebsten hätte ich geweint, stattdessen wechselte ich einfach den Raum (der zweite ist kleiner und etwas kuscheliger, eher eine Art Höhle).

Ich machte mir Mut mit der Vorstellung, dass Teilnehmer/innen ja nicht vor dem Bildschirm saßen und mir akribisch und kritisch zuschauten, sondern ja (hoffentlich) mitmachten. Zunächst blieb aber die Verunsicherung: Was ist online überhaupt möglich? Was erwarten Teilnehmer/innen? Was kommt auf der „anderen Seite“ an? Zudem musste ich meinen Unterrichtsstil in Teilen anpassen. Vor dem Lockdown unterrichtete ich gerne auch mit Hilfsmitteln. Dass diese vorhanden sind auf der anderen Seite der Leitung, konnte ich nun nicht mehr voraussetzen. Also back to the roots: Eine Matte, ein Mensch und Yoga und ein internetfähiges Endgerät.

Yoga online unterrichten: meine Erfahrungen

So machte ich meine Erfahrungen, aber die schwarze Linse blieb unerbittlich. Irgendwie war es schwierig, so ganz ohne Feedback durch die Teilnehmer/innen und Kontakt zu ihnen zu unterrichten. Ich machte nach Stunden eine Umfrage, um zu erfahren, was gut war, was weniger gut. Das half ungemein und ich setzte fast alles davon um. Zudem spürte ich, dass es auch Vorteile für mich hatte, online zu unterrichten: Ich machte mehr mit, blieb fit und es half mir genauso wie meinen Teilnehmer/innen, ausgeglichen zu bleiben, Stress abzubauen, wieder zu mir zurückzufinden.

Eine Entdeckung war außerdem, dass das innere Gefühl für den Unterricht als solchen sehr gut ausgeprägt war. Nach Jahren des Unterrichts ist einem klar, wie lange es braucht bis sich die Teilnehmer/innen nach der Endentspannung aufrichten, wann die meisten nach einer Atemanhaltephase wieder ausatmen, auch ohne dass man sie sieht oder hört. Es half auch, sie mir vorzustellen, wie sie daliegen oder dasitzen im Raum, jede und jeder an seinem Stammplatz.

Das ließ beim Yoga online unterrichten unwillkürlich in die Kamera lächeln. Überhaupt stellte ich sie mir vor, wenn ich zur Kamera schaute – und lächelte ebenfalls ganz automatisch. Wenn ich in einer Asana war und nicht am Bildschirm schauen konnte, dann versuchte ich zu erspüren, welche Korrekturen gerade notwendig wären, verbalisierte sie und lag damit erstaunlich oft genau richtig.

Feine und subtile Verbindung mit den Teilnehmern

Die Erfahrung ist also, dass man beim Yoga online unterrichten auf sich selbst zurückgeworfen wird. Wichtige Informationen auf der Sinnesebene fehlen. Gefällt es ihnen, fühlen sie sich wohl? Führen sie alles richtig aus? Man muss sich quasi blind auf ihre Spürgenauigkeit verlassen. Aber selbst wenn sie den Bildschirm anlassen, sind feine Gefühlsregungen in der Gesichtsmimik oft nicht zu erkennen. Der Ton ist auch schlechter, feine Nuancen in der Stimme gehen verloren.

Ich habe mich im letzten Jahr viel mit dem Thema Berührung auseinandergesetzt und gelernt, dass wir uns nicht nur sehen, hören, physisch fühlen sondern – es klingt banal – auch riechen. Wie sehr ich mich im Unterricht unbewusst auf all diese physischen Eindrücke beziehe und es mir ganz automatisch als Rückmeldung dient, merkte ich bewusst erst als dies nicht mehr möglich war. Die Sicherheit und das Gefühl für meinen Unterricht mussten also aus dem Inneren kommen. Klar, war das vorher schon, jedenfalls dem Kopf und in der Theorie.

Jetzt im Lockdown wurde es eine Erfahrung und praktisches, bewusstes Wissen. So in Teilen abgeschnitten, griff ich auf etwas zurück, was natürlich eine der wichtigsten Essenzen aller spirituellen Lehrer ist: Man sieht nur mit dem Herzen gut. Ein ubiquitäres, immaterielles Kommunikationsmedium wie das Internet benötigt eine ubiquitäre, immaterielle Wahrnehmung. Und diese kann nur aus dem Herzen kommen, niemals aus dem Kopf oder mit den Sinnen. So entsteht Verbindung, sehr viel feiner und subtiler.

Yoga online unterrichten? So wirst du Yogalehrer!

Yoga weiterzugeben ist für viele Lehrer/innen ein äußerst sinnstiftende und ausfüllende Lebensaufgaben (dazu auch der Artikel “Yoga unterrichten macht glücklich…”). Der Yogalehrer Ausbildung Intensivkurs bietet eine kompaktes, aber tiefgehendes Fundament für das Lehren und Leben als Yogalehrer.

Die 4-wöchigen Ausbildungen beginnen am Anfang eines jeden Monats und können sowohl “an einem Stück” absolviert werden sowie als einzelne Wochen in hintereinander folgenden Monaten.

Carina-Pirra

Über Carina

Carina Pirra gründete 2016 das Yoga Vidya Stadtzentrum in Mannheim, leitet dieses nun gemeinsam mit Stefan Oettlein (zuvor Leiter von Yoga Vidya Norderstedt). Beide schätzen die Möglichkeit, online zu unterrichten und Yoga durch Live Online Stunden, Videos und Online Einzelcoachings trotz oder gerade im Lockdown Menschen mit viel Engagement und Freude zugänglich zu machen. Gerade haben sich die beiden entschlossen, auch die 2-jährige Ausbildung ausschließlich online anzubieten und sehen sich mit all der Erfahrung aus dem letzten Jahr und neuester technischer Ausstattung dafür bestens (aus)gerüstet.

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