Loslassen spielt im Yoga eine besondere Rolle. Yoga bedeutet, keine Verhaftungen zu haben. Loslassen bedeutet, bedingungslos anzunehmen und offen zu sein für das, was kommt.
Im Yoga wird gerne gesagt, es ist gut sich zu engagieren, es ist gut mit großem Enthusiasmus etwas zu tun, es ist gut auf Menschen zuzugehen, es ist gut seine Aufgaben zu tun. Es ist auch gut, auf seine innere Stimme zu hören und manchmal ist es auch gut, seine Wünsche zu erfüllen, seine Anliegen zu erfüllen und so weiter. Es kann auch gut sein, mal seine Erwartungen an andere zu äußern, dass man irgendwo gut zusammenarbeitet.
Verhaftung ist das Problem
Aber Verhaftung führt zu Schwierigkeiten. Im Raja Yoga gibt es das Konzept der Kleshas, der fünf Ursachen des Leidens. Da fängt es an mit Avidya, mit Unwissenheit und geht weiter mit Asmita, mit Identifikation und dann mit Raga, das heißt Mögen, und Dwesha, nicht-Mögen. Schließlich kommt Abhinivesha, die Angst und alle anderen möglichen Emotionen.
Sobald du dich mit etwas identifizierst, fällt es schwer, davon loszulassen. Angenommen du erwartest von jemandem etwas Konkretes. Du identifizierst dich damit, dass der andere sich so und so zu verhalten hat. Wenn der andere sich jetzt nicht so verhält, wie du erwartest, dann gibt es eine Schwierigkeit. So wäre es dann wichtig, dass du davon loslässt. „Okay, ich habe das und das erwartet, aber vermutlich war es nicht angemessen.“ Und so lässt du los, und gehst wieder auf den anderen Menschen zu.
Oder du tust etwas, mit der Erwartung, dass etwas Bestimmtes eintritt. Du stellst fest, es tritt nicht ein. Du kannst nun sehr enttäuscht sein, oder einfach loslassen. Die Bhagavad Gita lehrt besonders Karma Yoga. Sie sagt: tue das, was du tun kannst, so gut wie du es tun kannst und dann lasse los. Engagement plus Loslassen; das ist das Geheimnis von Karma Yoga, das Geheimnis von uneigennützigem Dienen, von erwartungslosem Handeln.
Was gilt es
alles loszulassen?
Zum einen gilt es den Wunsch nach Belohnung loszulassen. Du tust jemanden etwas Gutes, du opferst Zeit, du opferst deine Mittel, du tust sehr viel für diesen Menschen. Dabei gilt es aber gleichzeitig auch loszulassen, denn nicht immer werden Menschen dir dankbar sein, wenn du etwas Gutes für sie getan hast.
Des Weiteren musst du loslassen von Erfolg und Misserfolg. Manchmal willst du für jemanden etwas Gutes tun und nachher stellt sich raus, dass es nicht das Richtige war. Du kannst dich furchtbar darüber ärgern oder aber sagen: „Okay, ich habe mich bemüht, nach besten Wissen und Gewissen gehandelt. Jetzt ist es zwar nicht so gut ausgegangen, aber das ist okay. Beim nächsten Mal werde ich es anders machen.“ So kannst du auch die Vorstellung von Erfolg und Misserfolg loslassen.

Der nächste Aspekt des Loslassens ist, die Handlung selbst loszulassen. Es kann sein, dass du dir irgendwo vorgenommen hast, etwas Bestimmtes zu tun von dem du denkst, es sei gut. Dann merkst du aber, dass jemand anderes es besser tun könnte. Oder dass DU etwas anders besseres tun könntest. Jetzt kannst du verhaftet sein daran oder es einfach sein lassen. Wenn es ein anderer besser machen kann, dann soll er es tun; es gibt noch genügend andere Möglichkeiten, wie du helfen und dienen kannst.
Du bist nicht der Handelnde
Schließlich gilt das Loslassen auch mit der eigenen Identifikation und Vorstellung, der Handelnde zu sein. Letztlich geschieht alles nach dem Willen Gottes. Letztlich tun wir gar nichts. Die Vorstellung loszulassen, dass man selbst der Handelnde ist, ist vielleicht die fortgeschrittenste Form des Loslassens auf dem spirituellen Weg.
Fühle dich als spiritueller Mensch, fühle dich als Instrument, als Instrument des Göttlichen, als Instrument für das, was geschehen soll. Engagiere dich so gut wie du kannst. Lasse los, lasse die Früchte deines Handelns los, lasse das Ergebnis los, lasse die Handlung selbst los. Sei aber dennoch engagiert. Tue alles dennoch mit großem Enthusiasmus, mit großer Intensität und mit großem Einsatz.
Wir sehen nämlich auch manchmal, dass Leute das Konzept des Loslassens verwenden, um eigene Verantwortungslosigkeit zu kaschieren. Im Yoga sprechen wir auch von Tamas; Trägheit und Faulheit. Es geht nicht darum, dass man im Namen des Loslassens träge und faul ist. Es geht darum, engagiert zu sein, enthusiastisch zu sein und dann konkrete Vorstellungen und Erwartungen loszulassen.
Überlege einmal selbst, was Loslassen für dich heißt. Überlege, woran haftest du besonders? Wo sind Verhaftungen? Schaue, wo du das Loslassen üben kannst.
Der Text stammt aus diesem Vortrag von Sukadev: