Warum hat Shiva das Gift getrunken?

Hier ist eine mythologische Geschichte von Shiva, Vishnu, den Göttern und Dämonen. Beim diesen Titel denkst Du vielleicht gleich an Sokrates, der zum Tod durch den Giftbecher verurteilt wurde. Aber entspanne Dich, denn Shiva wird nicht sterben. Aber jetzt mal der Reihe nach.

Diese Geschichte ist aus der Srimad Bhagavatam. In dieser Schrift werden die 10 Inkarnationen von Gott Vishnu beschrieben, mit dem Schwerpunkt auf Krishna Avatara. Auch andere Geschichten von Heiligen, Königen, Gottsuchern, Göttern und Dämonen werden erzählt.

Yogameister erklären uns dann oft die esoterische Bedeutung einer Geschichte und was das mit unserem praktischen Leben zu tun hat und auch mit unserem spirituellen Weg.

In den alten Zeiten waren die Götter (Devas) und Dämonen ständig miteinander im Krieg. Die Götter, so wie Indra, der Regengott, Agni, der Gott des Feuers, Varuna der Gott des Ozeans, usw.… hatten die Macht über die Elemente und die Natur. Die Dämonen wollten ihnen diese Macht entreißen.

Götter und Dämonen töteten sich gegenseitig in diversen Schlachten. Auf beiden Seiten gab es viele Opfer und viel Leid. Das hatten die Götter satt. Sie hatten von einem Nektar der Unsterblichkeit gehört und wollten diesen finden. Sie gingen zuerst zu Gott Brahma, dem Schöpfer, und baten ihn um Rat. Er empfahl ihnen zu Vishnu zu gehen und ihn um Hilfe zu bitten und er selbst ging gleich mit. Nachdem sie in tiefer Demut zu Gott Vishnu beteten, erhielten sie Einlass in das höchste Königreich von Gott Vishnu, der auch Narayana genannt wird. Gott Vishnu spürte die Hingabe und den Respekt der Götter und gab Ihnen einen Plan:

Zuerst sollt ihr Freundschaft mit den Dämonen schließen und gemeinsam mit ihnen den Ozean auf quirlen. Dazu solltet ihr den Berg Meru entwurzeln und als Mixstab verwenden. Der Schlangengott Vasuki dient Euch als Seil. Ihr solltet alle Kräuter der Erde in den Ozean werfen und ihn dann mixen. Diese enorme Aufgabe könnt ihr alleine nicht vollbringen; nur mit der Hilfe der Dämonen, die sehr viel Kraft haben, könnt ihr dies vollbringen. Die Dämonen sind auch am Nektar (Amrita) interessiert und werden gerne für kurze Zeit mit Euch Frieden schließen. Vertraut mir, dass ich Euch beschütze und verhindern werde, dass die Dämonen den Nektar trinken. Aber wenn die Dämonen etwas verlangen, sollt ihr Ihnen das immer geben, ohne zu Zögern.

Nun trafen sich die Götter, angeführt von Indra, dem Regengott, der auch König der Götter ist, mit den Dämonen und schlugen Ihnen vor gemeinsam den Nektar der Unsterblichkeit zu erlangen, indem sie den Ozean auf quirlen würden. Die Dämonen gaben sich einverstanden und beide Gruppen machten sich gemeinsam an die Arbeit.

Erst rissen sie den Berg Meru von der Erde ab und trugen ihn Richtung Ozean. Als ihnen nach einiger Zeit die Kraft ausging, fiel ihnen der Berg aus ihren starken Armen und einige Götter und Dämonen wurden zerquetscht. Bevor sie sich von dem Schock erholen konnten,

erschien Vishnu auf seinem riesigen Adler Garuda. Er hob den Berg auf seinen Adler und brachte ihn an die Küste. Die Devas (Götter) hatten Vasuki, den Schlangengott überzeugt, mitzuwirken.

Schließlich wurde der Berg ins Meer gehoben und das Aufquirlen begann. Obwohl viele starke Dämonen und Götter beteiligt waren, sank der Berg ins Meer. Doch Gott Vishnu nahm die Form einer Schildkröte (Kurma Avatara) an, sprang in den Ozean und hob den Berg wieder hoch. Gleichzeitig stabilisierte er den Berg von oben und half auch mit an der Schlange zu ziehen. Vishnu hatte die Götter schon gewarnt dass das Aufquirlen ein Gift hervorbringen würde. Nun kam das Gift hervor und alle Götter und Dämonen konnten nicht mehr richtig atmen und fingen an zu ersticken. Das Gift war stärker als erwartet. Die Götter rannten zu Gott Shiva und baten um Hilfe. Shiva war so machtvoll, dass er das Gift sammeln und schlucken konnte, ohne dass es ihm schadete. Da er der Zerstörer und Erneuerer unter den 3 Göttern ist konnte ihm das Gift nichts anhaben. Seine Gemahlin Parvati hatte jedoch Angst es könnte ihm schaden und wollte nicht, dass es in seinen Magen gelang. Sie hielt es im Hals von Shiva fest, als er es schluckte, der daraufhin blau wurde. So wurde Shiva Nilakantha genannt, der mit dem blauen Hals. Shiva rettete aus Liebe und Mitgefühl die Welt vor dem Gift, er rettete die Götter, Dämonen und alle anderen Geschöpfe. So wird er auch Karunakara genannt, der der voller Mitgefühl ist.

Ein Tropfen des Giftes fiel dabei auf den Boden und wurde von allen giftigen Tieren, wie den Schlangen, Spinnen, Skorpionen usw. aufgenommen. Diese Tiere haben eine besondere Verbindung mit Shiva.

Die Bedeutung der Geschichte

Im Leben sind wir immer wieder mit Negativität konfrontiert, so wie Ärger, Hass, Eifersucht, Lügen, Intrigen, Kriminalität, Krieg usw. Leider geben Menschen, die diese Negativität von anderen erhalten, diese oft an andere weiter. Das Gift von Ärger usw. wird aufgenommen und weitergeben. So bleibt das Negative in der Welt und verbreitet sich immer mehr. Shiva ist ein Beispiel wie man das Negative auflösen kann. Man nimmt es auf und transformiert es. Meister Sivananda und viele andere Meister sprechen davon. Vergebung ist ein anderes Wort dafür. Reine Liebe zu geben, wenn man Hass und Unfreundlichkeit bekommt ist also ein großes Sadhana. „Gib immer Liebe, egal ob Du gut oder schlecht behandelt wirst.“ Lautet die Botschaft vieler Lehrer. Das heißt nicht dass man nie für sein Recht kämpfen darf. Mahatma Gandhi kämpfte auch für die Unabhängigkeit Indiens, aber er kämpfte mit Liebe und Gewaltlosigkeit.

So kannst Du auch versuchen, soviel Liebe, Gewaltlosigkeit, Freundlichkeit und Wohlwollen in Dein Leben zu bringen wie möglich. Regelmäßige Asanas, Meditation, Entspannung, Mantrasingen, usw. kann Dir helfen den Geist immer wieder in die Positivität und den Frieden zu führen. Du kannst gewaltlose Kommunikation lernen. Du kannst Momente der Stille, Momente in der Natur, Momente des Gebets und der Meditation benutzen um den Geist zu beruhigen und negative Energien in Positive umzuwandeln. Das heißt aber nicht,

dass man immer so tuen sollte, als ob alles gut ist und Konflikten aus dem Weg zu gehen. Konflikte sind auch wichtig um zu lernen und sich weiterzuentwickeln. Aber, so wie Mahatma Gandhi, sollte man immer die Liebe als höchstes Motive haben und als Endziel betrachten, und so fair in Konflikte gehen. Im Prozess der Transformation kann alles Mögliche passieren. So kannst Du auch Vertrauen und Hingabe (Bhakti) ans Leben entwickeln und fühlen, dass alles was im Leben geschieht, für das Beste ist und für die Entwicklung der Menschheit und des Einzelnen geschieht.

Die Spannungen und Negativität können aber durch den Prozess des Yogas ausgelöst werden. So wie ein Elefant, der durch einen kleinen See geht, Schlamm und alles andere aufwirbelt, was im Grund liegt, so wirbelt auch das Sadhana (diverse Yogapraktiken) verschiedene Strukturen im Unterbewusstsein auf und bringt diese an die Oberfläche des Geistes. Ärger, Angst, Eifersucht kommen so überraschend im Geist auf, dass man denkt:

„Bevor ich Yoga praktizierte, war ich ein besserer Mensch.“ Oder „Früher war alles einfacher, ich sollte wieder mit Yoga aufhören!“. Die tiefere Erklärung ist aber, dass man früher diese Dinge nicht gesehen hat und jetzt damit konfrontiert ist. Die Bewusstseinserweiterung ist in alle Richtungen, nach oben, unten, zur Seite, usw.… Deshalb sieht man jetzt Dinge des eigenen Geistes, die einem früher unbekannt waren. Auf dem spirituellen Weg ist man also mit Emotionen konfrontiert, die man nicht mehr unter den Teppich kehren kann. Daher kommt das kraftvolle Bild des Aufquirlens des Ozeans. Der Ozean ist unser eigener Geist und Unterbewusstsein, der durch Yogapraxis (Sadhana) in starke Bewegung kommt. Und so muss jeder Yogi sich mit diesen Emotionen und Energien auseinandersetzen und sie dann auch transformieren. Die Transformation von Ärger in reine Liebe und Geduld ist bestimmt ein lebenslanger Prozess. Shiva hat dies erreicht und dient uns als Beispiel und Inspiration.

So ist Shiva ein wunderbares und geheimnisvolles Symbol für die Transformation des Giftes in Liebe. Hari Om Tat Sat.

0 Kommentare zu “Warum hat Shiva das Gift getrunken?

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.