Die gesundheitlichen Wirkungen des Chantens oder warum die Yogis Om singen

Was für die einen eine ganz natürliche Einleitung der Yoga Stunde ist, bereitet anderen gerne mal Unbehagen: Das Singen des mysteriösen Om. Wer schon länger mit dem Chanten oder Tönen vertraut ist, weiß um die positive Wirkung, auch wenn er sie vielleicht nicht erklären kann.

Für andere, die gerade neu damit in Berührung kommen, kann es ungewohnt und mystisch scheinen. Deswegen soll dieser Artikel ein paar Wirkungen des Singens – besonders des Om Singens – genauer unter die Lupe nehmen.

Zunächst einmal ganz pragmatisch: Das Om Singen ist eine gute Möglichkeit die Yogastunde gemeinsam zu beginnen und zu beenden. Je nachdem, wie oft das Om gesungen wird, hat jede/r TeilnehmerIn diese Anzahl Atemzüge Zeit, um anzukommen – nicht nur körperlich, sondern vor allem geistig. 

Wie oft sitzen wir in einem Meeting, einem Vortrag, am Arbeitsplatz oder eben in der Yoga Stunde und unser Geist ist ganz wo anders? Während der Körper auf der Matte liegt, malt sich der Geist aus, was es heute Abend schönes zum Essen geben könnte, was dafür noch besorgt werden muss oder welche Arbeiten im Haushalt noch zu erledigen sind….

Durch das Om Singen wird der Geist ins Hier und Jetzt geholt und wir werden präsent im Augenblick. So können wir konzentriert und mit klarem Geist in die Yoga Stunde starten. Gleichzeitig wird dabei der Atem aller Teilnehmer synchronisiert und dadurch eine gute Gruppendynamik erzeugt.

Am Ende der Yoga Stunde besiegelt das gemeinsame Om Chanten die Praxis.

Aber was löst das Singen nun im Körper aus?

Wenn wir singen, vertieft sich unsere Atmung. Wir atmen tiefer und zwar nicht nur in den Brustkorb, sondern vor allem in den Bauch. Diese sogenannte Bauchatmung massiert die Bauchorgane wie Dünn- und Dickdarm und sorgt für eine bessere Verdauung und unterstützt das Immunsystem.

Durch die vertiefte Atmung werden alle Körperzellen und -organe besser mit Sauerstoff versorgt und Stoffwechselendprodukte können besser abtransportiert werden. Der Körper kann entgiften und entsäuern. Singen hat also eine reinigende Wirkung.

Gleichzeitig wird durch die tiefe gleichmäßige Atmung der Parasympathikus aktiviert. Das ist der Teil des vegetativen Nervensystems, der für Entspannung zuständig ist. Einige Wirkungen davon sind:

  • Abbau von Stresshormonen (z.B. Kortisol)
  • Senkung des Blutdrucks (es gibt Studien, in denen nach dem Singen der niedrigste Blutdruckwert des Tages gemessen wurde!)
  • Senkung der Pulsfrequenz
  • Entspannung der Muskeln (Verspannungen können sich lösen)
  • Geist kann sich nach innen richten, weniger „Gedankenkreisen“
  • verbesserter Schlaf

Ein weiterer Aspekt des Singens ist, dass wir unser Herz trainieren. Die Herzratenvariabilität ist ein wichtiger Indikator für die Herzgesundheit. In Forschungen wurde herausgefunden, dass dieser Wert bei Menschen, die viel Singen, genauso gut ist, wie bei Profiausdauersportlern.

Beim Singen von einfachen Texten, wie z.B. Om oder anderen Mantras, kommt es auch zur Verbesserung der Herzkohärenz. Die Herzkohärenz besagt, in wie weit das Herz mit anderen Körpersystemen wie Gehirn, Organen, Drüsen und Muskeln synchron schwingt. Je höher die Synchronität, desto besser fühlen wir uns und umso leistungsfähiger sind wir.

Durch das gemeinsame Singen wird das Bindungs- und Liebeshormon Oxytocin ausgeschüttet und es entsteht ein Gefühl von Verbundenheit und Liebe. Dies stärkt unsere sozialen Beziehungen und sorgt für Harmonie und ein gesundes „Wir-Gefühl“.

In einer anderen Studie wurde Sängern vor und nach dem Singen eine Speichelprobe entnommen. Dabei wurde festgestellt, dass nach dem Singen der Gehalt an Immunglobulinen A stark angestiegen war. Das sind Aminosäuren, die sich an den Schleimhäuten der Atemwege befinden und hier Krankheitserreger bekämpfen.

Aber was ist nun der Unterschied zwischen dem Singen von deutschen oder englischen Texten und Mantren auf Sanskrit bzw. dem Mantra Om?

Jedes Wort, das wir verstehen, ist in unserem Verstand mit etwas assoziiert. Bilder, Gedanken, Gefühle etc. entstehen sofort, wenn wir das Wort oder einen Text hören, sprechen oder singen. Für Mantras auf Sanskrit haben wir keine Assoziation.

Dadurch können wir uns beim Singen dieser Texte ganz der Melodie und der Schwingung hingeben, ohne dass dabei störende Gedanken auftreten.

Om ist dabei ein ganz besonders kraftvolles Mantra. Es steht für alle Trinitäten, wie z.B. Geburt, Leben, Tot oder Wachen, Träumen und Tiefschlaf, und es wird gesagt, es sei der Klang, aus dem das Universum entstanden ist.

Es lohnt sich also, das Om Singen, Chanten oder Tönen einfach mal auszuprobieren. Vielleicht findest du bald große Freude daran, wenn du spürst, wie gut es tut.

Om Shanti

Ein Artikel von Gauri Reich. 

Gauri Reich ist Yogalehrerin (BYV), Ayurveda Gesundheitsberaterin (BYVG), Yoga Personal Trainerin, Inner Flow Vinyasa Teacher und Diplom Betriebswirtin. Gauri praktiziert Yoga seit 2011.

Nach ihrer Yogalehrer Ausbildung lebte sie fast 2 Jahre im Yoga Vidya Ashram Bad Meinberg. Ihr Yogaunterricht basiert auf dem Yoga nach Swami Sivananda, der mal durch fließende Elemente aus dem Vinyasa, mal durch exate Ausrichtungsprinzipien aus dem Iyengar Yoga und mal durch ganz viel Bhakti und Mantras ergänzt wird.

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Quellen:

2 Kommentare zu “Die gesundheitlichen Wirkungen des Chantens oder warum die Yogis Om singen

  1. Anonymous

    Oh ja ich kann mich da nur anschließen an die Worte von Horst. Es ist ein sehr guter Text. Alle wichtigen Aspekte sind so verständlich und umfassend und doch recht übersichtlich erklärt. Sehr interessant war für mich die Ausführung des “Beziehungs- und Liebenshormon Oxytocin. Das hatte ich in diesem zusammenhang noch gar nicht so bewußt erfasst. Ja überhaupt, die biochemische Komponente ist so interessant.
    Danke dafür, ich kann diese ausführungen gut im Yoga-Unterricht einbringen. OM Malini

  2. Horst Salomon

    Sehr sehr gut ausgearbeitete Text. Sehr lehreich , OM das mann nicht übersetzen kann so feinstoffloch zu erklären ist eine große Wonne.
    Du kannst einem mit deiner Stimme im Herzen erreichen, das du es mit Texten auch kannst zeigt deine tiefe Verbundenheit mit Yoga dem Ganzen.

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