Klassisches Tantra

Raphael Mousa
Lesezeit: 3 Min

„Tantra“ ist eines der am meisten missverstandenen, oder auch missbrauchten, Worte der modernen Spiritualität. Ähnlich wie „Yoga“ für viele Menschen heute einfach nur eine Art der Gymnastik bedeutet, bedeutet „Tantra“ für viele eine spiritualisierte Sexualität bzw. spiritualisierte Partnerübungen, welche Intimität und Lust steigern sollen.

Was ist Tantra?

Tatsächlich ist Tantra eine sehr reichhaltige, religionsübergreifende, spirituelle Strömung, die eine intime Erfahrung mit der ganzen Existenz und die Erkenntnis ihrer absoluten Einheit erreichen möchte. Zu diesem Zweck kann, neben einer unendlichen Vielzahl von potentiellen Meditationsobjekten, auch Sexualität genutzt werden.

Tantra ist nämlich – im Gegensatz zu den meisten Yoga-Strömungen – keine asketische Tradition. Vedische Reinheitsvorstellungen und Rollenverteilungen von Geschlechtern und Kasten werden in dieser Lehre hinterfragt. Intensive Sinneserfahrungen sind dabei gut geeignet, um ganz in der Erfahrung des universellen Bewusstseins aufzugehen. Menschliche Partnerschaft an sich spielt allerdings kaum eine Rolle.

Shiva-Shakti & Kundalini

Eine sehr wichtige Rolle spielt hingegen Shakti (Energie, die Göttin) als Partnerin, Gegenpart, und Weg zu Shiva (Bewusstsein, Gott). Die ausgefeilten Konzepte und Techniken des Energiekörpers – Chakras, Nadis, die Kundalini und damit auch das Kundalini Yoga – haben alle ihren Ursprung im klassischen Shaiva-Tantra.

Nicht nur mit diesen Konzepten hat das Tantra einen enormen Einfluss auf das Hatha Yoga, das moderne Vedanta und die westliche Spiritualität ausgeübt. Es ist auch das oft vergessene Bindeglied zwischen dem Patanjali Yoga der Yoga Sutras und dem rund 1000 Jahre jüngeren Hatha Yoga. 

Zur Geschichte des Tantra

Die Blütezeit des klassischen Tantra war vor rund 1000 Jahren. Zu dieser Zeit entstanden die meisten Tantras, die heiligen Schriften nach denen diese spirituelle Lehre benannt ist, im westlichen Himalaya. Von hier aus breitete sich das klassische Tantra über Südindien bis nach Südöstasien und Indonesien und über Nepal und Tibet bis nach China und Japan aus und hinterließ dort zahlreiche Spuren in Architektur, Kunst und Religiösität.

Doch auch wenn diese Phase, in der Tantra die dominante spirituelle Kultur Asiens war, seit einigen hundert Jahren vorüber ist, ist es doch eine sehr lebendige Bewegung. Sie besteht unter diversen Namen, Religionen und Traditionen fort, z.B. im Taoismus, im tibetischen (=tantrischen) Buddhismus, aber auch in den Yogatraditionen von Satyananda und Sivananda. Somit spielt Tantra auch bei Yoga Vidya eine wichtige Rolle.

Seminare zum Thema

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Der Autor

Raphael Mousa Raphael Mousa ist Yogalehrer, Yogatherapeut und Ayurveda Gesundheitsberater und schreibt seine Doktorarbeit über den Austausch von Yoga und Psychotherapie. Seine Faszination für Indien begann schon in der Kindheit und auf seinen vielen Reisen dorthin absolvierte er Yogaausbildungen in den Traditionen von Satyananda und Iyengar, Meditationsretreats, war in der Yoga-Klinik Arogyadham tätig und hat in zahlreichen Ashrams und heiligen Orten, wie im Himalaya, gelernt, gelebt und praktiziert.

Für seinen Bachelor in Ethnologie und Psychologie und seinen Master in Medizinanthropologie hat er in Nepal über Schamanismus geforscht. Für zwei Jahre war er als Sevaka bei Yoga Vidya Bad Meinberg in der Yogatherapie und der Ayurveda Oase tätig und hat dort yogatherapeutische Einzelsitzungen, Yogastunden, ayurvedische Konsultationen und Massagen und mehr durchgeführt.

Raphael hat zahlreiche Ausbildungen und Seminare absolviert u. a. in Ayurveda, (psychologischer) Yogatherapie, systemischem Coaching, Marmatherapie, Depressionsberatung, Klangtherapie, Tantra-, Kriya- und Kundalini-Yoga, Massage, Pranaheilung und Traumasensiblem Yoga.

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