“Die Invasion der Yogis” – Yoga Vidya im Radio

Die Invasion der Yogis
Im Kurort Bad Meinberg befindet sich Europas größtes Yogazentrum
Von Mandy Schielke
Das über tausendjährige Bad Meinberg liegt am Rande des Teutoburger Waldes und ist ein anerkannter Kurort. Rheuma, Gicht, Frauen- und Nervenleiden werden hier seit 200 Jahren behandelt. Der Ort hat knapp 5000 Einwohner und lebt von seinen Kurgästen. Die kommen inzwischen allerdings viel seltener für Schlammpackungen und Massagen.
Der moderne Kurgast will unter Anleitung Energie zwischen die eigenen Schulterblätter schicken und in der Position des abwärtsgerichteten Hundes Glücksgefühle spüren. Kurz gesagt, wer in den Kurort fährt, will nicht selten meditieren und Yoga üben. Glück besteht hier zudem darin, kein Fleisch zu essen und auf Alkohol und Zigaretten zu verzichten.
Mittlerweile gilt Yoga Vidya in Bad Meinberg als das größte Yogazentrum Europas.
Das Original-Manuskript findest du unter http://www.dradio.de/download/138401/
Deutschlandradio Kultur
Deutschlandrundfahrt
Die Invasion der Yogis
Im nordrhein-westfälischen Bad Meinberg befindet sich Europas größtes Yogazentrum
Von Mandy Schielke
Sendung: 14. Mai 2011, 15.05h
Ton: Alexander Brennecke
Regie: Roswitha Graf
Redaktion: Ulf Dammann
Produktion: Deutschlandradio Kultur 2011
Kennungsmusik, darüber
O-Ton Eberhard Block:
Der Teutoburger Wald hat eine ausgesprochen schöne Landschaft und wir haben
hier sehr gute Wasserwerte, sehr gute Luftwerte. Nicht ohne Hintergrund ist das ja
auch der Heilgarten Deutschlands.
O-Ton Kay
Vielleicht ist es für manch einen sogar besser, nicht immer eine große Reise zu
machen und vor sich selbst zu fliehen, sondern in ein Zentrum zu gehen, wo man
doch in einem westlichen Rahmen, einem westlichen Standard trotzdem andersartige
Kultur erleben kann und sich hineindenken kann.
O-Ton Marion:
Ich habe irgendwie zu Yoga Vidya gefunden. Ich hatte vorher schon durch
Zeitschriften, durchs Internet eine Schule, eine Richtung gesucht, wo ich meine
Yogapraxis vertiefen, intensivieren kann, auch den philosophische Weg, und bin zu
Yoga Vidya gekommen.
O-Ton Sukadev:
Wir gehören ja zu Bad Meinberg und das ist uns auch sehr wichtig, dass wir keine
eigenständige Stadt bilden.
Sprecher:
Die Invasion der Yogis. Im nordrhein-westfälischen Bad Meinberg befindet sich
Europas größtes Yogazentrum. Eine Deutschlandrundfahrt mit Mandy Schielke.
O-Ton Marion:
Kommt zunächst in Tadasana, die Berghaltung.
Sprecher:
YOGA MIT MARION – DER SONNENGRUSS
O-Ton Marion:
Die Beine und Füße sind ganz geschlossen. Bringt die Schulterblätter zusammen,
lasst die Schultern nach hinten unten fließen. Der Kopf ist in der Mitte, ihr könnt den
Beckenboden leicht nach vorn schieben.
Autorin:
Es ist halb zehn Uhr morgens, die Yogaklasse macht sich im Durga-Raum – benannt
nach einer hinduistischen Göttin – bereit für die Sonnengrüße. Sechzehn Frauen in
bequemer Baumwollkleidung stehen am vorderen Rand ihrer Yogamatte. Sie sind
unterschiedlichen Alters und haben nichts mit den Frauen gemein, die man aus den
schicken Yogastudios in München oder Berlin kennt. Die Frauen, die die
Yogalehrerin Marion fest im Blick hat, haben unlackierte Nägel, ungeschminkte
Gesichter und garantiert keine gemachten Brüste.
O-Ton Marion:
Einatmen, rechtes Bein zurück, der Blick geht nach vorn. … Linkes Bein zurück.
Schiefe Ebene. Ausatmen, Knie, Brustbein, Kinn senken.
Autorin:
Synchronisiert mit ihrem Atem fließen die Yogaschülerinnen durch die Bewegungen,
strecken ihren Po in die Höhe, in die Position des abwärts schauenden Hundes,
senken ihren Körper wie zum Liegestütz, legen sich auf den Boden und biegen dann
ihren Oberkörper nach oben. Marion, die Yogalehrerin, gibt den Takt vor.
O-Ton Marion:
Einatmen, kommt in die Kobra, atmet aus, kommt in den Hund, Fersen Richtung
Boden drücken…Schulterblätter zusammen…
Sprecher:
ANKUNFT IM YOGAZENTRUM
Atmo:
Auto
Autorin:
Wer sich dem Yogazentrum in Bad-Meinberg am Rande des Teutoburger Waldes
zum ersten Mal nähert, ist wahrscheinlich erst einmal enttäuscht. Riesige Kästen aus
grauem Beton am Waldrand, davor ein asphaltierter Parkplatz. So sieht garantiert
kein einziger Ashram, kein Yoga-Tempel in Indien aus, schwirrt es einem
zwangsläufig durch den Kopf. Und dieser Funktionsbau soll ein Ort für innere Einkehr
und Yoga sein? Ein Ort, an dem man vielleicht sogar auf eine spirituelle Erfahrung
hoffen darf?
O-Ton Sukadev:
Das sind drei alte Kurkliniken, die im 70er-Jahre-Stil gebaut sind, architektonisch
vielleicht nicht die größten Meisterwerke, obgleich nicht 0815-Gebäude. Das eine
Gebäude, das haben wir dann auch als erstes erworben, ist pyramidenförmig, das
haben wir Chakrapyramide genannt. Sieben Stockwerke symbolisieren sieben Stufen
der Entwicklung des Menschen … und das fanden wir auch von der Symbolik sehr
schön.
Autorin:
Volker Bretz ist der Chef des Yogazentrums. Er trägt ein leuchtend gelbes
Oberhemd, dazu eine weiße, luftige Hose und Badelatschen. Sein graumeliertes
Haar ist kurz geschnitten, auf seiner kleinen Nase sitzt eine schlichte Brille. In der
Yoga-Welt nennen ihn alle Sukadev. Das ist sein spiritueller, indischer Name. “Engel
der Wonne”. Man kann seinen Lehrer um einen spirituellen Namen bitten, erklärt der
Yogameister. Er habe diesen Namen vor dreißig Jahren von seinem Lehrer in den
USA erhalten. Nur noch für seine Eltern, seine Geschwister, Geschäftspartner oder
Journalisten trägt er seinen bürgerlichen Namen.
Als Volker Bretz vor neun Jahren nach einem Ort für ein neues Yogazentrum suchte,
klickten sich seine Sevaka und er monatelang durchs Internet. Dann fanden sie
diese leer stehende Immobilie am Rand der Kurstadt Bad Meinberg, vierzig Kilometer
von Bielefeld entfernt. Die Kurkliniken standen zu diesem Zeitpunkt schon mehrere
Jahre leer. Wie in einer Geisterstadt war das, erinnert sich der Chef des Yoga-
Zentrums.
Atmo: 17
in der Lobby
O-Ton Sukadev:
Ich hatte so eine Vision, dass es einen Ort geben würde, wo tausend Menschen
Yoga praktizieren würden. Da war dann klar, diese drei Kliniken zusammen, das
könnten die tausend sein. Als wir 2003 eingezogen sind, sind wir erst einmal mit 35
Menschen eingezogen, die hier fünf Monate lang renoviert haben, gestrichen haben,
das Haus schön gemacht haben. Dann hatten wir 2004 erst einmal 150 Gästebetten.
Wir hatten im ersten Jahr um die 15000 Übernachtungen, dann hat sich das
schrittweise gesteigert. Bis 2008 sind wir dann auf 50.000 Übernachtungen
gekommen.
Autorin:
Der 48-Jährige steht in der Lobby der alten Kurklinik, die jetzt das größte
Yogazentrum Europas beherbergt. Helles Holz, farbige Wände,
Jugendherbergscharme. Irgendwo brennt ein Räucherstäbchen, aus Lautsprechern,
die in die Decke eingelassen sind, wabert Meditationsmusik. Tausend Yogis üben
noch nicht im Haus. 450 Gäste sind derzeit da, sagt Volker Bretz. Einige machen die
Ausbildung zum Yogalehrer, andere haben Pranayama-Kurse, Lehrgänge zu
yogischen Atemtechniken, oder Kinderyoga-Weiterbildungen gebucht.
O-Ton Sukadev:
Yoga wörtlich heißt Harmonie, Einheit, Verbindung. Die Menschen, die hier sind,
haben gemeinsam, dass sie ihr Leben irgendwie verbessern wollen und, ich glaube,
auch eine tiefere Dimension erfahren wollen. Ich glaube, die Menschen die hier
herkommen, die wollen ein bisschen mehr ihrem Herzen folgen. Da geht es weniger
um Erfolg, sondern mindestens für die Zeit, die sie hier sind, ein bisschen dem
Herzen folgen.
Autorin:
Ich glaube, der Mensch ist ganzheitlicher geworden, sagt Volker Bretz. Wer Yoga
übt, wird dem nicht widersprechen.
O-Ton Sukadev:
Krankheiten nicht nur physisch angehen, sondern auch vom Inneren und auch vom
Geistigen her. Menschen als Ganzes sehen. Manchmal gibt es ja auch Krankheiten,
die sind nicht wirklich behandelbar, dann kann man aber die Einstellung dazu ändern
und dann kann man vom Geist her etwas ändern. Manchmal passiert es sogar, dass
wenn jemand das annimmt, dann passiert sogar die Heilung auf der physischen
Ebene ganz unerwartet.
Autorin:
Ist das ein Versprechen?
O-Ton Sukadev:
Yoga kann keine Versprechen geben. Yoga kann Menschen sagen, Du kannst etwas
harmonischer werden, Du kannst ein bisschen mehr zu Dir selbst kommen, Du
kannst selbst etwas tun für Dich. Jeder der Yoga übt, wird feststellen, irgendwie
berührt es ihn, irgendwie wird sein Leben positiver…
Autorin:
… harmoniereicher und vielleicht sogar glücklicher. Bei Yoga geht es um
Konzentration, um Bewusstsein, irgendwie auch um Reinheit. Kein Fleisch, kein
Kaffee, kein Alkohol, keine Zigaretten. Auch das gehört zur Welt von Yoga Vidya in
Bad Meinberg. Vor acht Uhr morgens und nach zehn Uhr am Abend soll
geschwiegen werden.
MUSIK 1:
Titel: Sky Fits Heaven
Interpret: Madonna
Komponist/Text: Madonna, Patrick Leonard
Plattenlabel: Warner Bros. Records, LC-Nr. 02982
Sprecher:
BEGEGNUNG IN DER PARALLELWELT
Autorin:
Bad Meinberg liegt in Nordrhein-Westfalen, am Rande des Teutoburger Waldes, und
ist ausgewiesener Heilkurort. Rheuma, Gicht, Frauen- und Nervenleiden werden hier
seit 200 Jahren behandelt. Bad Meinberg hat etwa 4500 Einwohner und lebte lange
sehr gut von seinen Kurgästen. Die kommen inzwischen allerdings weitaus seltener
für Schlammpackungen und Massagen nach Bad Meinberg. Der moderne Kurgast
will in Bad Meinberg unter Anleitung Energie zwischen die eigenen Schulterblätter
schicken und in der Position des abwärtsgerichteten Hundes Glücksgefühle spüren.
Atmo
Büro
O-Ton Autorin / Eberhard Block:
Herr Block, wissen Sie was der abwärts schauende Hund ist? / … Nee das weiß ich
nicht.
Autorin:
Der abwärts schauende Hund ist eine Yogaposition, die in jeder Übungsstunde
mehrmals wiederholt wird. Eberhard Block ist der Bürgermeister von Bad Meinberg.
Er empfängt in seiner Amtsstube. Das Hochdruckwetter macht ihm zu schaffen.
Deswegen möchte er sich auch nicht im alten Kurpark treffen, sondern lieber im
Rathaus. Die Fenster sind geschlossen. Auf einem Tisch vor dem schweren Sofa
steht eine Thermoskanne mit Filterkaffee. Man siezt sich und vermeidet den
Schneidersitz. Nach zwei Tagen im Yogazentrum wirkt diese Szene wie aus einer
anderen Welt.
O-Ton Eberhard Block:
Nein, ich habe bisher Yoga noch nicht praktiziert. Ich habe schon viel Interessantes
über Yoga gehört aber selbst praktiziert habe ich nicht. Ich sage das immer so, dass
es ein Projekt ist, das ich mir vornehme, wenn ich in den Ruhestand gehe, wohl
dessen bewusst, dass es gut wäre, wenn ich das jetzt schon machen würde, weil es
natürlich sehr stark entspannen würde,