Streben nach Höherem – Zwischen Himmel und Erde

von Tino

„Über den Wolken muss die Freiheit wohl grenzenlos sein, sagt man…“ Es ist dieses sehr bekannte deutschsprachige Chanson von Reinhard Mey, der von dem Traum beseelt ist, die gefühlte Schwere des irdischen Lebens zu überwinden, um sich der Leichtigkeit des Himmels voll hinzugeben.

Auf dem spirituellen Pfad spielt der Aspekt des Wachstums eine große, zumeist wesentliche Rolle. Umgekehrt wissen wir aus der eigenen Praxis und dem damit verbundenen Erfahrungsschatz, dass Veränderung und Wandel in der Regel kontinuierlich und schrittweise erfolgen.

Yoga und Meditation sind für uns spirituelle Aspiranten äußerst nützliche und wertvolle Werkzeuge. Mit ihnen können wir uns über die Zeit ein solides Fundament schaffen. Sie bieten uns die Möglichkeit unseren spirituellen Weg nach unserem jeweiligen individuellen Tempo zu beschreiten.

Hohe Ziele setzen – in Mutter Erde verwurzelt

Dabei ist es sehr wichtig, dass wir uns möglichst hohe Ziele setzen. Die Vorstellung, dem Himmel so nahe wie möglich zu kommen, ist ein Verlangen, welches in uns Menschen tief verankert zu sein scheint.

Jedoch lehrt uns eine alte indianische Weisheit:

“Nur wenn wir die Füße fest in Mutter Erde verwurzelt haben, sollten wir es wagen, den Kopf zum Vater im Himmel zu erheben”.

Denn so verlockend und nachvollziehbar diese Sehnsucht zum Himmel sein mag, kann sie gewisse Risiken mit sich bringen. Wie bei jeder Sucht besteht die Gefahr sich in diesem Wunsch zu verlieren. Der Theologe und Philosoph Franz Alt beschreibt diesen Aspekt in seinem Buch “Liebe ist möglich” sehr anschaulich, indem er in der menschlichen Fixierung auf den Himmel einen Vorwand für die Missachtung der Erde durch den Menschen erkennen meint. [S.12 ff. / Liebe ist möglich]

Der gesunde Mittelweg

Ich persönlich bin der festen Überzeugung, dass es die Ausgeglichenheit ist, welche uns einen gesunden Mittelweg ermöglicht. Unser Bestreben Yin und Yang in ein dauerhaft ausgewogenes Verhältnis zu bringen, stehen exemplarisch für diesen Aspekt.

Bei unserem nachvollziehbaren Streben zum Himmel unsere Anbindung an die Erde nicht zu vernachlässigen halte ich für sehr wichtig. Dieses gesunde Gleichgewicht ist sehr wichtig für unser individuelles Wachstumspotenzial.

Mutter Erde bleibt für uns Erdenkinder die Basis, auf der wir unser persönliches Fundament errichten können und sollten, um stabil und gefestigt den spirituellen Weg beschreiten zu können. Es minimiert das Risiko, irgendwann nicht nur sprichwörtlich den “Boden unter den Füßen zu verlieren”, und das was wir uns durch mühsame Arbeit aufgebaut haben, wieder zu verlieren und eventuelle Folgeschäden zu riskieren. Aus diesem Grund ist der Aspekt der Verwurzelung elementar wichtig und enorm hilfreich, auch um uns nicht in unseren spirituellen Erfahrungen zu verlieren.

Verwurzelung und Erdung

Eduard Podvoll beschreibt in seinem Buch “Verlockung des Wahnsinns”, dass eine nicht ausreichend geerdete Seele interessante und oftmals auch spektakuläre Erfahrungen machen kann. Die Risiken und Gefahren, die mit diesen Erlebnissen verbunden sind, können jedoch immens sein. Vergleichbar mit dem berühmten Ritt auf der Rasierklinge, der einem im schlimmsten Fall die psychische Gesundheit kosten kann. Achtsam mit sich und seiner Praxis umzugehen und sich durch Verwurzelung und der damit verbundenen Erdung auf gesunde Weise zu schützen ist eine wichtige Facette, die leider in spirituellen Kreisen immer wieder unterschätzt wird.

Zum Glück gibt es viele gute und einfache Methoden, die es uns ermöglichen jederzeit nach der jeweiligen individuellen Konstitution Erdung zu verschaffen.

Dazu gehören gezielte Yoga Asanas wie der Baum, spezielle Meditationsübungen, körperliche Tätigkeiten wie Putzen oder Gartenarbeit oder die richtige Ernährung mit einem hohen Anteil an Wurzelgemüsen.

Sie verschaffen uns eine gewisse Erdung und bereiten unsere Seele auf Höheres vor und bringen uns auf gesunde Weise dem Himmel step by step näher, ohne uns auf dieser Reise zu verlieren oder zu stranden. Ich bin der Meinung, dass die Kunst darin besteht, einen Mittelweg zu finden, der bei jedem Menschen aufgrund Anlagen und Voraussetzungen unterschiedlich ausfallen wird. 

Das eigene Potenzial freilegen

Umgekehrt kann zu viel Erdung und Verwurzelung auf dem spirituellen Weg wiederum hinderlich sein, da der Wunsch, den Himmel zu verwirklichen eine wertvolle Inspiration und Motivation für das eigene Wachstum sein kann. Dieser eigene spirituelle Weg ermöglicht es, dich aus den Verstrickungen der Welt zu lösen. So kommst du wieder mehr bei dir an und der Blick auf dich selbst und die Welt kann sich nachhaltig verändern. Du kannst durch dein Streben nach Höherem eine Fähigkeit der inneren Stärke kultivieren. Diese absolut elementare und wichtige Eigenschaft ermöglicht dir deinen eigenen individuellen Weg zu gehen, verbunden mit allen Chancen und Herausforderungen, die damit verbunden sind. Dein verschüttetes Potenzial freizulegen und unsere Talente und Möglichkeiten dauerhaft voll auszuleben, geht dann weit über die eigentliche spirituelle Praxis hinaus. Der Weg ist das Ziel und dieser langwierige Prozess ist nur schrittweise zu bewältigen. Machen wir uns also auf den Weg und holen uns den Himmel auf die Erde.

Für mich persönlich ist diese himmlische Vorstellung ein echtes Vergnügen.

Dieser Artikel ist erschienen im Yoga Vidya Journal – Ausgabe Nr. 39
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TinoÜber den Autor:
Tino
34, lebt seit vier Jahren in der Yogastadt Bad Meinberg.
In dieser Zeit schrieb er sein erstes Buch.
Tino lebt nach dem Motto: “Das Entspannte mit dem Nützlichen verbinden”
Yoga ist hierfür die perfekte Kombination!

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