Über Zweifel und Gleichgewicht in der Yogapraxis

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Yoga Vidya Center Arnsberg

Zweifel und Hindernisse in der Yogapraxis sind nicht neu. Schon die alten Yogaschriften thematisieren die Schwierigkeiten auf dem Weg und zeigen transformierende Lösungswege auf, um wieder ins innere Gleichgewicht zu finden.

Das Yoga Vidya Center Arnsberg stellt sich vor.

Die Schnauze voll vom Yoga – Über Zweifel und Gleichgewicht in der Yogapraxis

Der Algorithmus spielte mir vor Kurzem einen Beitrag einer frustrierten Yogalehrerin zu. Sie habe die Schnauze voll davon immer noch mehr an sich zu arbeiten, sich immer noch mehr zu reinigen, an immer noch mehr Selbsterfahrungen und Weiterbildungen teilzunehmen, diszipliniert zu sein und sich in Verzicht zu üben. Lieber wolle sie Netflix schauen als zu meditieren, sie habe sich entschieden wieder Fleisch zu essen und nicht mehr nach Erleuchtung zu streben. Sie sei müde vom Yoga und habe die Schnauze voll.

Der Beitrag sprach vielen Yogis aus dem Herzen. Viele fühlen sich überfordert mit den hohen Ansprüchen, die eine Lebensführung im Einklang mit der Yoga-Philosophie scheinbar mit sich bringt. Und vielleicht kennst auch du dieses Gefühl immer noch mehr geben zu müssen und dabei eigentlich niemals irgendwo anzukommen.

Aber woran liegt das eigentlich? Ist die Yogaphilosophie zu streng, zu dogmatisch oder nicht mehr auf unsere heutige Zeit und Kultur übertragbar?

Yogaraum im Yoga Vidya Center Arnsberg mit Altar und Ganesha Bild an der Wand
Yoga Vidya Center Arnsberg

Das fundamentale Problem

Ich denke, die Ursache liegt tiefer. Sie liegt in dem fundamentalen Problem des Menschen. Der Mensch besitzt die Gabe, sich seines Selbst bewusst zu sein. Dieses Selbst wird jedoch als unvollständig erlebt. Aus dieser Illusion der Unzulänglichkeit heraus entsteht das Streben nach Selbstoptimierung. Wenn ich nicht gut genug bin, muss ich etwas unternehmen, um besser zu werden. Wir haben gelernt dieses Konzept unbewusst auf sämtliche Lebensbereiche anzuwenden. Wird dieser Reflex der Selbstoptimierung auf die Yogapraxis übertragen, bleiben wir in der Identifikation als mangelhaftes Wesen.

Selbstoptimierung oder Selbsterkenntnis

Tatsächlich ging es im Yoga nie um Selbstoptimierung, sondern um Selbsterkenntnis.

Auf einer relativen Ebene ist der Mensch in seinen Fähigkeiten begrenzt. Das Streben nach Selbstoptimierung führt oft zu weltlichen Erfolgen, kann das zugrundeliegende Gefühl der Unzulänglichkeit jedoch niemals ganz löschen. Es bleibt immer das Gefühl, noch nicht genug getan zu haben.

Selbsterkenntnis beschreibt das Erkennen des wahren Selbst als unendliches, reines Bewusstsein, unberührt von allen begrenzenden Aspekten. Selbsterkenntnis befreit von der Illusion, ein mangelhaftes Wesen zu sein.

Du musst nichts dafür tun, Du musst es nur erkennen.

Die Yogapraxis ist ein Übungsweg zur Erkenntnis des wahren Selbst.

Das Gleichgewicht in der Praxis

Zweifel an der Yogapraxis sind kein neues Phänomen. Schon in den alten Yogaschriften werden sie thematisiert. In der Bhagavad Gita (ca. 4. Jh. v.Cr.) äußert Arjuna in dem grundlegenden Lehrgespräch mit Krishna seine Skepsis bezüglich der Effektivität der Praxis:

„Arjuna sprach: Dieser Yoga der Ausgewogenheit, den du lehrst, Oh Krishna, ich sehe nicht, dass er von Bestand sein kann, aufgrund der Ruhelosigkeit (des Geistes). Der Geist ist wahrlich ruhelos, ungestüm, stark und unnachgiebig, Oh Krishna: ihn zu kontrollieren, erscheint mir eben so schwierig, wie den Wind zu kontrollieren.
Der gepriesene Herr sprach: Zweifellos, Oh mächtig bewaffneter Arjuna, der Geist ist schwer zu beherrschen und ruhelos; aber durch Übung und durch Leidenschaftslosigkeit kann er bezähmt werden.“ (Bhagavad Gita, Kapitel 6 Vers 33 – 35)

Krishna lehrt in diesem Vers die zwei Pole der Yogapraxis: beharrliches Üben (abhyasa) und Gleichmut (vairagya). Auch Patanjali beschreibt diese beiden Aspekte im Yogasutra (ca. 200 v.Cr. – 400 n.Cr.):

Übung (abhyasa) und Nichtanhaften (vairagya) führen zur Ruhe des Geistes (nirodha). (Yogasutra, Kapitel 1, Vers 12)

Abhyasa, die Praxis, und Vairagya, das Loslassen oder die Leidenschaftslosigkeit, sind zwei Komponenten eines Weges, an denen wir uns immer wieder neu orientieren können.

Förderlich sind alle Praktiken, die nachhaltig helfen, den Geist zur Ruhe zu bringen sowie ein kontinuierliches Praktizieren, ohne Unterbrechung und mit Hingabe. Ein zu hoher Erfolgsdrang ist dabei hinderlich. Auch hier stehen das Bemühen und das Nichtanhaften im Mittelpunkt, nicht das Ergebnis. Trotzdem können wir unser Handeln immer wieder nach den hohen Idealen der Selbsterkenntnis ausrichten.

Yoga Vidya Center Arnsberg Aufenthaltsraum mit Stühlen
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Anspannung & Entspannung – Harmonisierung der Gegensatzpaare im Hatha Yoga

In den körperlichen Übungen (asanas) spüren wir bewusst den Wechsel zwischen Anspannung und Entspannung. Während der Übung wird der Körper angespannt, Muskeln werden aktiviert, Kraft aufgebaut – aber ebenso wichtig ist die Phase danach, das bewusste Nachspüren, Wahrnehmen und Loslassen. Nur im Wechselspiel beider Pole kann nachhaltige Wirkung entstehen. Durch die Harmonisierung der Gegensatzpaare erreichen wir schließlich die Fähigkeit zur Entspannung in der Anspannung. Auch wenn die asana herausfordernd ist, bleibt der Geist ruhig. Dieses geschieht zunächst in der bewussten Praxis auf der Yogamatte, lässt sich aber nach und nach auf unser Leben übertragen. Der Yogi ruht im Selbst, auch in den Wechselstürmen des Lebens.

Gleichgewicht – Der Mittlere Weg

In der buddhistischen Legende heißt es, dass Siddhartha zur Erkenntnis des Mittleren Weges gelangt sei, als er das Gespräch zwischen einem Musiker und einem Schüler verfolgt habe. Der Musiker sagte zu seinem Schüler: „Wenn du eine Saite zu stark spannst, dann reißt sie. Wenn du eine Saite zu schwach spannst, erzeugt sie keinen Ton.“. Fortschritt wird nicht erreicht durch andauerndes Ausruhen, auch gibt es durch falschen Ehrgeiz keine Beschleunigung in der spirituellen Entwicklung.

Zeitlose Yogapraxis

Die Zeiten haben sich gewandelt und manchmal kommen Zweifel auf, ob die Yoga-Philosophie noch auf die moderne Zeit übertragbar ist. Bei genauerem Hinsehen fällt auf, dass die alten Yogis sich schon mit denselben Zweifeln und Hindernissen beschäftigten, wie sie heute auf Socialmedia mitgeteilt und diskutiert werden. Die Technik hat sich verändert, aber die Funktion des menschlichen Geistes hat sich nicht gewandelt und so hat die Yogapraxis nichts an Aktualität und Lebendigkeit verloren. Du kannst die Wirkungsweisen der alten Yogapraktiken im Hier und Jetzt erfahren. In diesem Sinne, praktiziere Yoga und bleib entspannt!

Über Yoga Vidya Arnsberg

Das Angebot im Yoga Vidya Center Arnsberg unterstützt dich in deiner ganzheitlichen Yogapraxis. Neben körperlich anspruchsvolleren Kursen wir der Mittelstufe finden sich Kurse für Beginner und Entspannungskurse. Unsere Yogastunden beinhalten Elemente aus Asana-Praxis, Atmung, Entspannung und Meditation. Unsere krankenkassenzertifizierten 10 Wochenkurse werden durch regelmäßige Workshops ergänzt.

Sebastian Gajendra

Gajendra lehrt traditionellen Hatha Yoga nach Swami Sivanada. Seine Yogastunden wechseln zwischen körperlicher Herausforderung und bewusster Entspannung. Das eigentliche Ziel seiner Yogastunden ist dabei stets das zur Ruhe bringen der Gedanken im Geist. Neben der körperlichen Ebene ist die Vermittlung von Meditationstechniken aus dem Raja Yoga, dem Vedanta und dem Buddhismus fester Bestandteil seiner Yogastunden. Seit 2015 unterrichtet Gajendra ganzheitlichen Yoga.  Er leitet die zweijährige Yogalehrer-Ausbildung.

Yogalehrer Sebastian Gajendra von Yoga Vidya Arnsberg
Yogalehrerin Nese von Yoga Vidya Arnsberg

Nese

Nese ist eine vielseitige und erfahrene Yogalehrerin. In ihren Yogastunden erschafft Nese einen Raum, in dem Teilnehmer sich in eine Welt aus bewusster Körperwahrnehmung, Vitalität, Entspannung, Klängen, Düften und Philosophie entführen lassen können. Neben den traditionellen Asanas des Hatha Yoga nutzt sie u.a. Techniken der Klangtherapie, der Osteopathie, des Faszien– und Yin Yogas, vermittelt Atem – und Meditationstechniken sowie Affirmationen, Visualisierungen und Yoga-Philosophie. Nese leitet seit 2015 das Yogacenter YogaNese, das seit 2023 auch zur Yoga Vidya Familie gehört. Nese leitet die Yogalehrer-Ausbildung im Yoga Vidya Center Arnsberg.

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