Yoga Vidya Statement zum Urteil des BAG Erfurt

Ihr Lieben: Viele haben aus den Medienberichten zum Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG) vom 25. April schon gehört, dass auf uns eine sehr schwierige Zeit zukommt. Das BAG hat der Mindestlohnklage zweier ehemaliger langjähriger Sevakas stattgegeben.
Das kann weitreichende, existenzbedrohende Folgen für den Verein, unsere Gemeinschaft und damit für jede*n haben, die oder der durch Yoga Vidya inspiriert wird. Möglicherweise erwarten uns sehr hohe Nachzahlungen, deren finanzielle Folgen noch nicht absehbar sind.
Es gibt so viele, für die Yoga Vidya eine zweite oder gar die erste Heimat geworden ist. Und für uns ist Yoga Vidya nicht nur das:
- Dies ist der Ort, wo wir unser Verständnis von Gott und unseren spirituellen Weg aktiv leben und vertiefen.
- Dies ist der Ort, an dem wir unserem Leben einen tieferen Sinn geben, in dem wir euch mit unserem Seva dienen.
- Dies ist der Ort, an dem sich Gemeinschaftsmitglieder für tiefe Religiosität entscheiden.
- Dies ist der Ort, an dem unsere Kinder groß werden, Ältere in Gemeinschaft alt werden können und nicht vereinsamen, sich Singles nicht verkehrt vorkommen.
- Dies ist der Ort, an dem wir unsere eigene Glaubensrichtung, Yoga Vedanta, aus tiefstem Herzen leben und gleichzeitig keine andere Glaubensrichtung ausschließen.
- Dies ist der Ort, an dem wir tiefe Gotteserfahrungen machen und uns zum Purohita (Hindu Priester) und zum Acharya (spiritueller Lehrer) ausbilden lassen können.
- Dies ist der Ort, an dem wir spirituelle Praktiken üben, hinduistische Rituale zelebrieren, heilige Schriften der Yoga Vedanta Tradition lesen und lehren.
Wir sind schockiert, dass all dies durch die Klage zweier ehemaliger Sevakas droht zerstört zu werden.
Unserem Selbstverständnis nach sind wir eine spirituell-religiöse Weltanschauungsgemeinschaft. Wir leben die damit verbundenen Aspekte täglich. Entsprechend bauen wir auf die grundgesetzlich verbrieften Rechte der Selbstverwaltung der Religionsgesellschaften (§140 GG) und die Freiheit des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses (§4 GG).
Eine Beschwerde vor dem Bundesverfassungsgericht könnte dies klarstellen, wobei wir nichts über unsere Erfolgsaussichten wissen. Ob die Beantragung einer einstweiligen Anordnung beim Bundesverfassungsgericht eine aufschiebende Wirkung hinsichtlich der eventuell anfallenden Nachzahlungen haben wird, müssen wir prüfen.
Das Bundesarbeitsgericht hatte unsere Offenheit für andere Glaubensrichtungen moniert. Das erstaunt uns, denn der Hinduismus, in den der Yoga Vedanta eingebettet ist, ist eine durch Offenheit und Respekt gegenüber unterschiedlichen Glaubensvorstellungen geprägte Tradition. Yoga Vedanta, wie wir ihn leben, ist integrierend und nicht trennend. Das macht das Besondere dieser Richtung des Hinduismus aus.
Als Sevakas haben wir uns bewusst für dieses Leben entschieden – dies taten übrigens auch die beiden Frauen, die nun so folgenreich geklagt und Recht bekommen haben. Jede und jeder Einzelne hat zu Beginn der Mitgliedschaft gesagt:
- Ja, ich will in einer demokratischen Grundsätzen verpflichteten, yogischen Lebensgemeinschaft leben, die sich im Rahmen eines gemeinnützigen Vereines für die Verbreitung der Lehren, Übungen und Techniken des Yoga Vedanta einsetzt.
- Ja, ich will in einer religiös-spirituellen Weltanschauungsgemeinschaft, die keine Erwerbsabsichten hegt, auf Basis von Ernährungsregeln des Yoga Vedanta leben (kein Fisch, Fleisch, Alkohol, Nikotin und Drogen).
- Ja, ich weiß, dass die Tätigkeiten, die ich hier verrichte, Seva – und keine Arbeit ‑ sind und damit vorrangig ideell orientiert.
- Ja, ich akzeptiere das Angebot einer kostenfreien Unterkunft, der Verpflegung, des Taschengelds und der sozialversicherungsrechtlichen Absicherung als Teil der umfassenden Daseinsvorsorge für die Gemeinschaftsmitglieder. Sie sind keine Gegenleistung für das Seva.
Wir möchten euch auch weiterhin das bereitstellen, was ihr hier bislang vorfindet: einen Ort, an dem ihr wachsen, lernen, euch spirituell weiterentwickeln und das Gelernte nach außen tragen könnt. Dafür braucht es eine klare spirituelle Ausrichtung: das Yoga Vedanta. Als Commitment verbinden wir daher unser persönliches Leben eng mit
- der Ausführung der zu dieser Tradition gehörenden religiös-weltanschaulichen Praktiken,
- der gemeinschaftlichen Ausrichtung auf eine yogisch-vedantische Lebensbetrachtung und
- auf yogisch-ethische Werte.
Aus unserem Zusammenleben nach alt-indischer Ashram-Tradition, den Lehren des Yoga Vedanta nach Swami Sivananda und unserer spirituell-religiösen Praxis schöpfen wir Kraft, das zu tun, was wir für sinnvoll erachten: Euch im Sinne eines größeren Ganzen zu dienen.
Wir bleiben im Vertrauen. Wir glauben, Yoga Vidya ist aus Inspiration und göttlicher Führung entstanden. Swami Sivanandas Segen wirkt durch Yoga Vidya. Alles wird einen Sinn haben. Und es wird geschehen, was das Göttliche will. Auf einer weltlichen Ebene überlegen wir uns Modelle, die eine Fortführung von Yoga Vidya ermöglichen könnten. Ihr seid herzlich zum Mitdenken eingeladen.
Welche Form braucht es, damit wir nicht mehr so angreifbar sind, wie es jetzt offenbar der Fall ist?
Wie wäre das umzusetzen und was bräuchte es dazu?
Kennt ihr geeignete Profis und (Rechts-) Expert*innen mit entsprechendem Know-how oder seid gar selbst solche?
Wenn ihr seriöse Vorschläge und Ideen habt, die in dieser Notsituation zielführend sein können, schreibt uns eine E-Mail an:
Von Herzen
Euer Yoga Vidya Team
Ich war gerade in einem kleinen Ashram in Portugal. Da muss man für 40 Tage Retreat 500 Eur zahlen und täglich 5 Stunden arbeiten. Das heißt, man muss hierfür noch dazu bezahlen.
Ich überlege mir trotzdem, vielleicht irgendwann mal 40 Tage Retreat dort zu machen.
Vielleicht kann Yoga Vidya künftig verschiedene Sevaka/Retreats Modelle zur Auswahl anbieten.
Hallo Martin,
ja, es gibt vieles auf der Welt. Nur befinden wir uns hier nicht im Vergleich mit Anderen. Sondern in einer juristischen Bewertung, inwieweit Mindestlohn gezahlt werden muss. Dabei geht es nicht darum, dass man sagt, dass man anderswo sogar bezahlen muss, sondern es geht darum, inwieweit normale kapitalistische Arbeitsstrukturen vorliegen oder nicht und inwieweit das Unternehmen auch gleichzeitig eine Religions- und Weltanschauungsgemeinschaft ist oder nicht bzw. was dann nun überwiegt.
Ich bin gespannt, wie man versuchen wird das auseinander zu klabüstern. Klöster und Ashrams müssen und mussten sich immer auch wirtschaftlich betätigen. Wer im Kloster oder Ashram lebt, verrichtet die ihr/ihm aufgetragenen Tätigkeiten als Teil der spirituellen Praxis und trägt dabei gleichzeitig zur Wirtschaftlichkeit der Gemeinschaft bei…
Hallo Hu
es geht darum, ob die Arbeitsorganisation einem kapitalistischen Unternehmen gleicht oder nicht. Da spielen Faktoren wie Fremdbestimmung, Hierarchien und Abarbeiten im eigentlichel nicht von einem selbst geplanten, sondern eher aufdoktrinierten Sinn eine Rolle. Und sicherlich auch, inwiefern ein klassisch kapitalistisches Gewinnstreben der Treiber der Aktivität ist. Das kann man ganz sicher einfach bewerten.
Bei der Bewertung, ob eine Weltanschauungs- und Religionsgemeinschaft vorliegt, geht es sicherlich vorrangig darum, inwieweit es eine einheitlich geltende und erkennbar den roten Faden der Organisation bildende spirituelle Lehre gibt, die eben als Weltanschauung oder Religion bezeichnet werden kann.
Liebe Grüße
Gunter
Hallo Gunter, danke für diesen Diskurs. Durch das Erinnern und Überprüfen, kommen allerhand Erkenntnisse. Wie an anderer Stelle gesagt noch einmal deutlichh: das Klosterleben/Ashramleben ist üblicherweise deutlich von Hierarchien geprägt, Fremdbestimmung und Abarbeiten an der Tagesordnung. Ora et labora. Man tut was ansteht. Was ansteht wird von den Höhergestellten entschieden. Das ein Abt, Lehrender Meister bei wichtigen Entscheidungen sich die Meinungen der Gemeinschaft anhört und dann seine Entscheidung trifft ist was ich kenne. Er bestimmt die Doktrin. Bhaktiyoga ist nicht romantisch – da geht es ans Eingemachte. Das Diskutieren und Abstimmen hier bei Yoga Vidya ist m. E.das Ungewöhnliche.
Ja es gibt bei uns unterschiedlich gefärbte Seminare, Meditationen, etc.. Aber wer bei 21x Satsang, 7x Homa, 24x Pujas, Aratis + Hanuman Chalisa, 32x Bhagavad Gita und Stotra Rezitationen und 13x Mantrasingen jede Woche (regulär) allein in Bad Meinberg keinen roten Faden sieht, ernsthaft. da weiß ich auch nicht… Die Mantra-Singkreise, Akhanda-Singen und große und kleine Festivitäten gar nicht mitgezählt. Nichts davon ist kapitalistisch wirtschaftlich. Nur spirituell wirtschaftlich.:) Siehste, dank dir hab ich mal nachgezählt! Om Shanti
Hallo Martin! Ich habe mich noch einmal erkundigt, bislang gibt es den Karmayoga-Aufenthalt nur als Individualgast. Aber ich hab deine Idee weitergegeben, vielleicht hast du damit ja was Neues angestoßen!
Hallo,
ich finde toll, wie hier unterschiedliche Meinungen geltend gemacht werden dürfen. Danke für diese Offenheit an Yoga Vidya.
Ich kann zum Rechtlichen leider nicht viel sagen, frage mich aber schon, was überhaupt dafür spricht, Wege zu finden, dass Yoga Vidya keinen Mindestlohn zahlen muss? Es muss heute ja sogar für Praktikanten Mindestlohn gezahlt werden. Sind das nicht einfach die Regeln unserer Gesellschaft?
Und ich verstehe auch leider nicht, warum genau Yoga Vidya kein Unternehmen ist. Da werden doch viele Dienstleistungen, Seminare etc. verkauft.
Liebe Grüße
Hallo!
ich habe in diversen klosterähnlichen Gemeinschaften anderer Traditionen im In- und Ausland gelebt… Da war es so, dass ich trotz Mitarbeit (wie Karmayogi) und strengen Regeln für die Praxis und Lebensführung für die Unterkunft bezahlt habe. Nur ordinierte Nonnen oder Mönche waren krankenversichert und davon befreit. Davon hatten manche Nebenjobs und/oder lebten von Spenden. Dennoch gab es regelmäßig Retreats und Seminare zu denen viele Gäste ins Haus kamen. Ein Taschengeld ist mitnichten selbstverständlich, auch nicht der Aufenthalt als Karmayogi nur gegen Kost und Logis. Für ein Kloster, einen Ashram gelten andere Regelungen – das ist eben auch was beim Bundesarbeitsgerichts Urteil in Absprache gestellt wurde: unsere Eigenschaft als spirituell-religiöse Weltanschauungsgemeinschaft und die damit einhergehenden anderen Rechte und Pflichten… Das könnte das Bundesverfassungsgericht (auf der Rechtsebene) final entscheiden. Hari om tat sat!
Hallo!
Ich glaube, dass der Unterschied darin besteht, dass bei YV sehr viele verschiedene Strömungen, die dem Thema Spiritualität zugeordnet werden können, vertreten sind, während sonst sehr häufig nur eine Kernrichtung vertreten ist.
Genau das ist der Punkt. Aber das ist eben auch das schöne an unserer Tradition. Wir sind inklusiv. Deshalb finden im Arati auch Jesus, Mohammad, Buddha und Lao-Tse ihren Platz. Deshalb gibt es hier auch Seminare für Naturspiritualität. Alles ist Brahman.
Keine Ahnung, ob meine andere Nachricht durchkam. Deshalb zur Sicherheit nochmal. Das, was du, Hu, schreibst, ergibt aus einem Blickwinkel, der meiner Meinung nach AUCH sehr wichtig ist, keinen Sinn. Denn das Inklududieren vieler Traditionen, z. B. Buddhismus, kann auch als Eklektizismus gesehen werden oder in anderen Worten als Schaffung von einer neuen Tradition, in dem man viele alte Traditionen zusammenwürfelt. Ob das so aus allem Möglichen Zusammenlngewürfelte, dann aber noch was Eigenes ist, ist fraglich, da es ja in Realität aus etwas besteht, was davor schon da war.
Lieber Gunter, ich werde dir hier eine kleine Seva-Anekdote zum Besten geben: einmal als ich im Sattva-Team Seva gemacht habe, war ich im Team mit einem Karmayogi, einem Herrn in den besten Jahren. Wir hatten einige Zimmer zu kontrollieren und ‘nachzureinigen’. Währendessen kamen wir ins Gespräch. Mit betrübter Miene, sagte er mir, dies sei sein letzter Aufenthalt bei Yoga Vidya und ich fragte ihn ob etwas passiert sei, was ihm nicht gefallen hätte. Er sagte, dass ihm die Aufenthalte eigentlich gut täten, er würde hier immer auftanken und würde seinen Alltag besser geregelt kriegen. Aber zurück zu Hause würden sich dann nach und nach die alten, ungesunden Gepflogenheiten einstellen. Was ihm Probleme machte, war sein schlechtes Gewissen, wegen seinem Glauben, er würde sich deshalb auch wenn er hier ist mehr und mehr zurückziehen. Er ist gläubiger Katholik und da gibt es nur einen Gott. Da hab ich gelacht und im zugestimmt es gibt nur einen Gott. Ich erklärte ihm, dass ich selbst katholisch getauft, aber aus der Kirche ausgetreten bin. Was für die katholische Kirche keinen Unterschied macht, weil man nicht aus eigenen Stücken wirklich austreten kann, man kann nur ausgetreten werden. All die Götterbilder, all die Vorstellungen und Namen sind Facetten des einen, das wir Brahman nennen. Es hängt nur von der Perspektive und dem Focus ab, ob du dich mit Gott, Elohim, Allah, der Quelle verbunden und bestätigt fühlst. Dieses ist aber nicht nur von deiner ‘Kirche’ sondern auch von deiner Prägung zu deinen Eltern abhängig. Als ich das sagte, stutzte der Mann: er stolperte fast über seine Worte – sein Verhältnis zu Gott sei ja dasselbe, wie sein Verhältnis zu seinem Vater gewesen war. Immer Angst etwas falsch zu machen, immer Angst abgewiesen zu werden. Als ich ihn das letzte Mal hier aus der Ferne sah, sah er ganz entspannt und fidel aus. Es geht im Vedanta nicht darum, Menschen zu einem anderen Glauben zu bringen. Wenn sie durch das was wir hier praktizieren näher zu (ihrem) Gott kommen, ist das schon eine feine Sache. Wie auch immer der dann gerade heißt. Asato ma sat gamaya. Om Shanti!
Ja, da reden wir dann offenbar krass aneinander vorbei. Wie gesagt sind andere Glazbebsrichtungen auch offen für anderen Glauben. So dürfen z. B. Vipassanameditationskurs im Stil von Goenka mit genau der von dir vorgebrachteb Begründung von Mitgliedern aller Glaubensricgtubgeb besucht werden und man zeigt sich gegenüber allem offen. Man inkorperuert aber nicht bspw. Yoga asanas in den Alltag oder das System, sondern bleibt bei der aus Sicht dieser Tradition urreinen Lehre der Sattipattana Sutta, während es trotz Bezug auf Sivananda neben Yoga auch Naturspiritualität uvm. gibt, was ihr unter dem Label Yoga Vidya nach außen als Yoga Vidya vermarktet.
Ich hoffe, dass du nun verstehst.