Alles unter Kontrolle? Von Glück, Pech und schlechten Würfen

Lisa
Von Lisa
Lesezeit: 7 Min

Entspanne dich – und dann lass los! In der spirituellen Szene wird die Aufforderung loszulassen geradezu gebetsmühlenartig wiederholt. Als Gegengewicht dazu möchte ich heute mal die Kontrolle würdigen – die Tugend der Selbstwirksamkeit.

Kontrolle – Ich nehme das Leben in meine Hand

Kontrolle ist im deutschen Sprachschatz ja etwas schwierig. Sofort springen einem dazu Assoziationen wie strenge Eltern, Knöllchen, besonders penible Mitbewohner, oder „Kontrollfreaks“ in den Kopf – eher unschön. Aber rein menschlich gesehen ist Kontrolle ist nichts anderes, als das Bedürfnis unsere Welt unseren Wünschen entsprechend zielgerichtet beeinflussen und gestalten zu können.

Ein wichtiges Bedürfnis

Etwas charmanter ausgedrückt kann man anstelle von Kontrolle auszuüben auch sagen, dass wir selbstwirksam sein wollen. Dazu gehört in unserem Innersten, unsere Emotionen zu zügeln und unseren Willen zu bündeln, genauso, wie im Außen nach unseren Vorstellungen zu leben, zu arbeiten und zu wirken. Läuft dann alles so, wie wir wollen, freut sich der Geist und eine Belohnung ist gewiss.

Geht’s dann nicht wie geplant, ist die Freude schonmal weniger groß – aber das gehört dann einfach dazu. Kontrolle ist ganz natürlich, sie ist ein menschliches Bedürfnis, das zu unserem Wohlbefinden beiträgt. Als Fähigkeit selbstwirksam zu handeln hängt sie ganz essentiell mit dem psychischen Grundbedürfnis der Autonomie zusammen, also dem Verlangen sein Leben unabhängig von den Umständen zu gestalten.

Eine gesunde Haltung finden

Uns selbst als aktive Gestalter wahrzunehmen hat eine große Reihe positiver Auswikrungen auf unsere Psyche. So zeigen Studien, dass Menschen, die ein stärkeres Gefühl der Kontrolle hatten, eher von Stress runterkommen, sich schneller von starken Erkrankungen erholten und generell länger leben. Das Gefühl der Kontrolle gibt uns somit Mut und Zuversicht unser Leben gesund zu bewältigen.

Ein Glaubenssatz in unseren Köpfen

Dabei zeigte das Konzept des „Locus of control“, dass nicht unbedingt zählt, was wirklich passiert. Die Überzeugung der Kontrolle ist nämlich abhängig von unserer Wahrnehmung. Demnach können folgende zwei gegenüberliegende überspitzte Denkweisen über Kontrolle vorherrschen:

  1. Das Außen gestaltet das Ergebnis meiner Handlungen
  2. Ich selbst gestalte das Ergebnis meine Handlungen

Ob wir in der Lage sind, Kontrolle auszuüben ist also auch Kopfsache. Uns selbst als wirkmächtig zu erleben ist in dieser komplexen und dicht vernetzte Welt wichtiger denn je. Das Außen verändert sich beständig – verlieren wir die Kontrolle reißt es uns den Boden von den Füßen weg.

Wenn der schlechteste Wurf kommt – Von Krisen und Kontrollverlust

Was ist die Corona Pandemie denn anderes als ein kollektiver Kontrollverlust? Selten dürften sich so viele Menschen aus denselben Grund so unwirksam, machtlos und unglücklich gefühlt haben. Und auch offen verdeckt leben wir weiterhin in einer Welt des Klimawandels, innerstaatlicher Konflikte, Kriege und Flüchtlingsströme.

Ganz besonders wirkmächtig sind daneben auch unsere alltäglichen Dramen, wie Jobverlust, Trennung und Tod von Freunden, Verwandten und Familie.

Was passiert, wenn wir die Kontrolle verlieren

Das Gefühl, wenig bestimmen zu können, kann eine ganze Reihe von psychischen Konsequenzen nach sich ziehen. Zunächst einmal leidet unser Wille darunter. „Warum etwas gestalten, wenn es am Ende eh wieder den Bach hinuntergeht?“, denkt der Mensch und gibt sich keine Mühe, oder fängt garnicht erst an.

Und das ist so schade! Unbewusst trennen wir uns selbst von unserem Potential und werden ohnmächtig – ein Zustand den wir als Traurigkeit, Ärger, Wut und Zorn erleben. Besonders ausgeprägt kann sich dieser Zustand auch dauerhaft einrichten – dann spricht man von erlernter Hilflosigkeit.

Die Krisen kommen von alleine

Alles unter Kontrolle, trotz der Widrigkeiten des Lebens
Aus Krisen kann unglaublicher Mut, Lebenswille und Kraft entstehen

Dennoch sind Krisen ein ganz natürlicher Bestandteil des Lebens. Im Hinduismus kennt man die Göttin Kali als die Herrin der Zeit. Sie versinnbildlicht das Lebens in ständigen Fluss. Nichts stagniert, wir befinden uns in stetiger Veränderung.

In Hinblick auf diesen Urzustand des Universums ist es also nicht verwunderlich, dass wir nicht immer gewinnen können, es ist auch unwahrscheinlich. Nichts umsonst bezeichnet Kali auch den schlechtesten Wurf beim Würfeln. Irgendwann im Leben werden wir unweigerlich mit Krisen konfrontiert und damit mit unseren Begrenzungen, Verhaftungen und unseren Schmerz. Zeit und Krisen sind untrennbar miteinander verbunden.

Ein wertvolles Geschenk, auch wenn du das jetzt gerade nicht so wahrnehmen magst. Krisen können zum größten Katalysator der Persönlichkeitsentwicklung werden – nicht wenige finden darüber zum Yoga! Nutzen wir also das Wissen und legen uns jetzt schon eine Haltung der Akzeptanz gegenüber all dem an, was kommen mag. Das Leben bedarf Mut und Zuversicht, um es zu bewältigen!

Sei wirkmächtig – und dann lass los

Verändern wir unsere Wahrnehmung, können wir gezielt lernen unser Leben in die Hand zu nehmen. Dann leben wir aus einer Position der Selbstverantwortung hinaus. Da wir uns selber als aktive Gestalter unseres Lebens wahrnehmen, können wir uns dann als wirkmächtig, denn ohnmächtig erleben.

Und obwohl es gut ist, die Zügel seines Lebens in der Hand zu halten, sollte der Kultivierung der feurigen Eigenschaften Kontrolle und Selbstwirksamkeit immer durch die kühlende Tugend der Demut ausgeglichen werden. Die Idee der Kontrolle ist mit stetiger Veränderung nicht vereinbar – wir können alles richtig machen und trotzdem verlieren. Trotzdem tun wir unser Bestes – und legen den Rest in die Hand Gottes.

Gott, gib mir die Gelassenheit, Dinge hinzunehmen, die ich nicht ändern kann,
den Mut, Dinge zu ändern, die ich ändern kann,
und die Weisheit, das eine vom anderen zu unterscheiden.

Reinhold Niebuhr

Om Shanti und einen wundervollen Tag dir.

Selbstwirksamkeit und Kontrolle kultivieren

Es mag nicht auf den ersten Blick ersichtlich sein, aber spirituelle Praktiken ermöglichen es uns im hohem Maße ein Gefühl der Eigenmächtigkeit zu entwickeln. Tägliches Yoga macht den Körper geschmeidig, den Geist weit und offen und erhöht unser allgemeines Energieniveau.

Raja Yoga im Besonderen dreht sich um die Kraft der Gedanken und die Herrschaft über den Geist. Es lehrt uns unser Leben zu gestalten und zu gewinnen, ebenso wie nicht allzu sehr an den Früchten des eigenen Handelns zu hängen. Wichtige Ziele sind beispielsweise das Leben nach ethischen Prinzipien, Kultivierung nützlicher Eigenschaften, oder auch Erhöhung der Achtsamkeit über Meditation.

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