In vielen Yogastunden, Meditationen und Vorträgen fällt immer wieder das Wort „Autosuggestion“. Meistens geht es damit einher, dass wir zur Entspannung oder um tiefer in die Meditation zu kommen, einen kurzen Satz innerlich wiederholen. Aber Suggestion kann noch mehr! Nicht nur die richtige Wortwahl, Länge und das Thema sind entscheidend, auch die Einstellung, die wir ihnen gegenüber haben. Eine Wissenschaft für sich also. Zum Glück sind die Grundlagen dieser Technik schnell erlernbar, sodass wir auch in unserem Alltag entspannt darauf zurückgreifen können.
Eine Autosuggestion heißt, dass man sich selbst etwas vorschlägt. Sie unterscheidet sich von der Suggestion nur darin, dass man sie eigenständig wiederholt. Das heißt, niemand sagt uns „Du fühlst dich…“, sondern wir oder unser Gegenüber nutzen die Ich-Perspektive. Ein anderes Wort ist Affirmation, damit meinen wir den reinen Satz. Was genau vorgeschlagen wird, ist sehr unterschiedlich. Wir nutzen die Technik oft unbewusst, wenn wir über Situationen nachdenken. Beispielsweise wiederholen wir in Vorfreude auf unser Lieblingsessen oft „Ich habe solch einen Hunger“ oder vor schweren Prüfungen „Ich habe solche Angst“.
Im yogischen Vokabular sind wir bei Vikalpa. In dem Buch „Die Yogaweisheit des Patanjali für Menschen von heute“ von Sukadev Bretz erklärt der Autor, dass Suggestionen die zweite Form von Einbildung bzw. wörtlicher Täuschung sind. Ganz von vorne: Vikalpa ist eine der fünf Formen von Gedankenwellen nach Patanjali. Neben Vikalpa, das wörtlich übersetzt „Einbildung“ heißt, gibt es noch Irrtum, Schlaf, Erinnerung und korrektes Wissen. Unter Vikalpa versteht Sukadev das Identifizieren mit Worten, auch wenn es keine wirkliche Grundlage dafür gibt. Das passiert in zwei verschiedenen Situationen. Zum einen bei Lob und Tadel und zum anderen in der Suggestion.
Die Wirkung
Spätestens mit den ersten psychologischen Studien in den 1970er-Jahren, wurden Autosuggestionen theoretisch untermauert (Baudouin & Solyom, 1972). Sie bestehen nach der Arbeit von Psychologen wie Charles Baudouin aus zwei Teilen. Zum einen muss eine Idee vom Sprecher übernommen werden. Je nachdem, welcher Philosophie man folgt, nennen wir den, der es glauben muss entweder den Kopf, den Geist, die Psyche manchmal auch das (Unter-) Bewusstsein oder einfach das Ich. Sobald die Autosuggestion als Glaubenssatz übernommen wurde, setzt die zweite Phase ein. Die Idee vollzieht die Transformation in die Aktion. Das heißt, vom passivem Glauben führt der Gedanke zu einer Handlung. Beispielsweise kann das ein Zustand wie Entspannung sein oder eine körperlich sportliche Leistung wie einen weiteren Schritt zu gehen.

Suggestionen werden vor allem für die eigene Neu-Konditionierung verwendet. Sie gehen zurück auf den Apotheker Emile Coué, der Autosuggestionen zur Heilung von Krankheiten eingesetzt hat. Er ging davon aus, dass wir das Unter- und das Bewusstsein haben. Sind beide einer Meinung, geht es uns gut. Will das Unterbewusstsein etwas anderes als das Bewusstsein, erleben wir einen Konflikt in uns. Durch die Autosuggestion soll das Unterbewusstsein die Meinung übernehmen, die wir ihm gerne vorgeben würden. Beispielsweise „Ich bin entspannt“. Nun kann dieser Glaubenssatz angenommen werden und als Reaktion geht der Körper in das Stadium der Entspannung durch das Lösen aller muskulären Anstrengungen.
Strategisch formulieren
Dank vieler Studien zum Thema Selbstsuggestion, Hypnose und Einbildung hat die Psychologie drei Prinzipien gefunden, weshalb manche Suggestionen besser funktionieren als andere. Für die Autosuggestion ist das „Law of dominant effect“ besonders wichtig (Elkins, 2016). Es besagt, dass die stärkste Emotion immer gewinnt. Besonders, wenn wir uns selbst Um-konditionieren wollen, passiert es häufig, dass wir entgegengesetzte Gefühle zu einer Sache haben. Angenommen, wir wollen unsere Angst vor Hunden loswerden. Dann haben wir den automatischen Gedanken „Ich habe Angst vor Hunden“. Als Autosuggestion wählen wir „Hunde sind lieb“. Dann kann es schnell passieren, dass wir eine so starke Furcht vor Hunden haben, dass uns der gewünschte Satz gar nicht erreichen kann.
In diesem Fall arbeiten viele Psychologen mit einem Ausweichgefühl wie Neugierde. Furcht ist ein rudimentäres Gefühl, dass in der Amygdala entsteht, unserem Angstzentrum. Wir können es nur sehr schwer umgehen, weshalb es uns oft gefangen halten kann. Freude ist dem sehr nah. Um es bildlich auszudrücken, ist der Umschwung von Freude zu Angst für das Hirn wie für einen Musiker eine Millisekunde neben dem Takt zu schlagen. Es ist schon möglich, aber das andere hat man so oft gemacht, dass man dort automatisch immer wieder rein fällt.

Leichter ist es für uns, ein kognitives oder epistemisches Gefühl zu nutzen (Elkins, 2016). Das heißt schlicht und ergreifend kein „Basisgefühl“.Wir erlauben der Angst ganz da zu sein und lassen dann das Signal weiter. Das heißt, wir versuchen nicht sofort zur Freude zurückzuspringen, sondern lassen den Reiz weiter wandern zum Nachdenken. Wir sind etwa neugierig oder zweifeln. Auf diese Weise müssen wir nicht direkt das Unmögliche schaffen. Wir öffnen uns ganz langsam einer möglichen neuen Sichtweise.
Folge deiner kreativen Einbildung, bis du entdeckst, dass du schon weißt, wie du das Problem lösen kannst
Gary Elkins
Das Gesetzte des umgekehrten Effekts ist das zweite Prinzip, das uns die Hypnosethreapie an die Hand geben kann. Es besagt: Je stärker man etwas will, desto weniger wahrscheinlich kann man es erreichen. Aus dem Yoga kennen wir diesen Mechanismus als Loslassen. Je mehr wir etwas loslassen wollen, umso stärker halten wir es fest. Die Lösung ist Gleichmütigkeit. Angst kann wieder unser Beispiel sein. Je mehr wir uns davon zu überzeugen versuchen, dass wir keine Angst haben brauchen, desto mehr Gründe wird unsere Einbildungskraft aufbringen können, warum wir doch Angst haben sollten. Lassen wir unseren Gegenspieler jedoch los, wird diese Aufgabe für unser Hirn Stück für Stück langweiliger und wir können uns tatsächlich etwas mehr entspannen (Elkins, 2016). Wir gehen nicht in die Angst rein, auch nicht in die „Keine Angst“, sondern schlicht in die Gleichmütigkeit.
Das letzte Prinzip beschreibt den Umgang unserer Gedanken innerhalb unserer Empfindungen. Spätestens seit dem Buch „Denken sie nicht an einen blauen Elefanten! Die Macht der Gedanken“ von Michael Spitzbart und Thorsten Havener wissen viele, dass es schwer ist, an das genannte Gegenteil zu denken. Wir haben neurologisch gesehen keine Kapazitäten für das Wort „nicht“. Da unsere kognitiven Strukturen assoziativ aufgebaut sind, wollen wir an das denken, was der Hauptteil des Satzes ist. Das ist selten das „nicht“. Bleiben wir bei der Angst, dann lautet die Suggestion mit „Nicht“: Ich habe keine Angst. Das Schlagwort in diesem Satz ist Angst. Also wird unser Hirn sich auf das wesentliche konzentrieren und Angst haben.
Autosuggestion: Wortwahl beachten!
Schmeißen wir alle Prinzipien zusammen: Es passiert oft, dass wir sagen „Ich darf das nicht vergessen“ und dann passiert leider das Gegenteil. Erst viel später fällt es uns wieder ein. Zugegeben, wir arbeiten hier grade an zwei Baustellen, zum einen die Gedächtnisleistung an sich, zum anderen die Autosuggestion. Bleiben wir bei Letzterem, können wir den Satz in vier Teile zerlegen. Zum einen der Handelnde (das Ich) die aktive Handlung (vergessen), die passive Handlung (das, was nicht vergessen werden soll) und die Intention (nicht).

Die Intention ist für unser Hirn schon durch, wir denken genau jetzt grade daran. Die passive Handlung ist für unsere Denkstruktur nicht spannend. Es ist passiv und das heißt irrelevant. Die aktive Handlung soll genau jetzt ausgeführt werden, also vergessen wir schnell, dann ist das Thema für uns erledigt. Mit wenigen Worten haben wir also genau das Gegenteil erreicht von dem, was wir eigentlich wollten. Das gleiche Prinzip funktioniert bei Sätzen wie „Ich kann das nicht“, „Ich bin nicht angespannt“ oder „Ich habe keine Angst“.
Der erste Satz kann einfach dadurch verbessert werden, dass wir das nicht weglassen: Ich kann das. Der zweite Satz funktioniert nach demselben Prinzip und wir suchen das Gegenteil von dem Schlagwort: Ich bin entspannt. Der dritte Satz ist schon etwas komplizierter. Zunächst sollten wir feststellen, wie stark das Gefühl ist. Wenn es nur ein wenig Angst ist, können wir stattdessen direkt übergehen zu „Ich mag XY“. Ist die Emotion jedoch sehr präsent, können wir uns zunächst dem Gegenstand öffnen, indem wir sagen „Ich kann XY in Frieden lassen“. Dieser Satz verlangt weniger von uns (wir dürfen die Angst zunächst behalten) und setzt das Stichwort auf „Frieden“, also das Gegenteil von Angst, ohne das es uns direkt die Angst verbietet.
Wer sich selbst eine Autosuggestion überlegen möchte, kann sich an diesen drei Fragen orientieren:
- Was ist mein Schlagwort?
- Kann ich mir das wirklich glauben? (Wenn nicht, geh einen Schritt zurück)
- Ist eine Verneinung drin?
Literaturverzeichnis
Baudouin, C., & Solyom, G. (1972). Suggestion und Autosuggestion. Schwabe.
Elkins, G. (2016). Handbook of Medical and Psychological Hypnosis. Springer.