45 Ablehnung des dualistischen Weltbildes

Sukadev beschreibt, wie er schrittweise zur Erkenntnis kam, dass das dualistische Weltbild von Gut gegen Böse auf einer Illusion beruht. Das dualistische Weltbild ist Quelle von unendlichem Leid geworden. Die Bekämpfung des Bösen hat mehr Leid über die Menschheit gebracht als irgendetwas anderes. Sechster der autobiografischen Podcasts.
45. Ausgabe des Yoga Vidya Gelassenheits-Podcast.
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Heute geht es um eine wichtige Phase meines spirituellen Weges und auch meines Lehrens, nämlich die Ablehnung jeglicher Form von dualistischer Weltanschauung. Diese Phase hat recht lange gedauert. Auf eine gewisse Weise kann ich sagen, von Kindheit an habe ich nie gedacht, dass es irgendjemanden gibt, der grundschlecht ist. Ich kann sogar sagen, ich war unfähig, einem Menschen längere Zeit böse zu sein, und das Gefühl des Hasses ist mir gänzlich unbekannt gewesen. Und ich habe auch nie einen Menschen gehabt, gegen den ich dauerhaft böse sein konnte. Irgendwo ist mir das von Kindheit an mitgegeben worden. Aber ich bin natürlich auch mit dualistischen Weltanschauungen konfrontiert worden, auch in verschiedener Hinsicht. Im Yoga gibt es ja so eine Mischung. Einerseits gibt es die monistische Weltanschauung, aber dann wird manchmal doch von Devas und Asuras, von Engeln und Dämonen, gesprochen, so dass ich mich dadurch damit durchaus auseinandersetzen musste. Ich möchte aber hier gleich sagen, ich selbst lehne jede Form von dualistischer Weltanschauung ab.
Wie ist eine dualistische Weltanschauung? Es gibt verschiedene Formen von dualistischer Weltanschauung. Die eine sagt, es gibt Gott, dieser bewirkt das Gute, und es gibt den Teufel, dieser bewirkt das Böse. Es gibt das dauerhaft Gute und das dauerhaft Böse und die beiden kämpfen gegeneinander. Die Weltgeschichte ist eine Geschichte des Kampfes von Gut gegen Böse. Das Böse muss dabei ausgemerzt werden. Und erst dann, wenn alles Böse ausgemerzt ist, dann gibt es ewigen Frieden. Diese Weltanschauung ist historisch entstanden aus dem Zoroastrismus, später der Manichäismus. Für diejenigen, die sich damit etwas mehr auseinandersetzen wollen, es ist noch gar nicht mal so alt, irgendwann im 6. Jahrhundert v. Chr. entstanden, und ich meine, diese Weltanschauung ist die Ursache vieler Kriege, vieler Auseinandersetzungen und insbesondere für vehemente Auseinandersetzungen, bis zur Ausmerzung des Gegners geführte Auseinandersetzungen und Kriege. Ich habe festgestellt – und nicht nur ich, sondern es ist auch eine historische Tatsache und viele Historiker würden das inzwischen auch so sehen – es gibt niemanden, der sich als Diener des Bösen ansieht. Es gibt keinen Menschen, der sagt: „Ich diene bewusst dem Bösen.“ Oder: „Ich will dem Bösen dienen.“ Und selbst wenn es Satansverehrer gibt, die werden dann sagen: „Und Satan ist nicht das Böse. Satan ist das Gute.“ Es gibt Fehlgeleitete, es gibt Menschen, die Schlimmes tun, aber es gibt niemanden, der bewusst Schlechtes tut, um das Schlechte zu bewirken. Das Böse als historische Kraft ist eine Illusion. Alle wollen das Gute entweder für sich oder für andere, meist für beides. Konflikte entstehen zwischen Menschen und Gruppen von Menschen, die alle das Gute wollen. Und diese Konflikte wären unlösbar, wenn der andere als böse angesehen wird. Konflikte werden auch unlösbar, wenn der andere als minderwertig angesehen wird. Dieses dualistische Weltbild muss überwunden werden.
In der heutigen Zeit oder auch in einer bestimmten Phase der spirituellen Entwicklung ist man zum Schluss gekommen, es gibt nicht das Böse in der Welt. Es gibt insbesondere nicht die Bösen, die besiegt werden müssen. Ich glaube, dem würden heutzutage die meisten zustimmen, vermutlich und hoffentlich alle, die diesen Text jetzt lesen. Es gibt immer noch Fanatiker, welche die andern für die Teufel halten. Man darf ja nicht vergessen, Luther hat den Papst als den Antichristen bezeichnet. Die Katholiken haben Luther als Werkzeug des Teufels angesehen. Das war dann die Grundlage, weshalb die Protestanten und Katholiken mit dieser Zerstörungswut versucht haben, sich gegenseitig auszurotten und auszumerzen, z.B. im Dreißigjährigen Krieg, z.B. in der Bartholomäus Nacht und bei anderen Gelegenheiten. Das ist die Grundlage für diese Schlachterorgien, die die Christen in Palästina geführt haben während der Kreuzzüge, ist der Hintergrund, weshalb auch diese Ausrottungskriege von christlicher Seite gegen Heiden geführt wurden.
Auch z.B. von den Indianervölkern wurde immer gesagt, die verehren den Teufel, deshalb müssen sie gewaltsam bekehrt werden. Heutzutage ist glücklicherweise zumindest für die Mehrheit der Religionen und insbesondere für die Christen, die heute offiziell die Kirchen vertreten, diese Form von Verteufelung des Gegners aus der Mode gekommen. Und oft ist dann das Böse in die Psyche verlagert worden. Man sagt also nicht mehr, es gibt die Dämonen außerhalb von uns, die bekämpft werden müssen, sondern die Dämonen sind in uns. Wir haben Engel und Dämonen. Engel z.B. wären Liebe, Freundlichkeit, Geduld, Aufopferung, Hingabe usw. Das gilt alles als gut. Dann gibt es das Schlechte: Ärger, Angst, Eifersucht, Gier, Neid, die sind schlecht. Gut ist, wenn wir außerdem Wünsche haben, Gutes zu tun. Schlecht ist dann Aggression, schlecht sind Süchte usw. Und dann kommt aus diesem Dualismus, das Gute muss gefördert werden, das Schlechte muss besiegt werden. Auch diese Form der dualistischen Weltanschauung, man könnte auch sagen, der dualistischen Anschauung der Psyche, ist problematisch. Man kann sagen, die Ausrottung des Schlechten und die Förderung des Guten funktioniert für manche, und manche mögen damit sogar zur höchsten Verwirklichung kommen, für die Mehrheit funktioniert es nicht und insbesondere nicht dauerhaft. Es ist ein ständiger Kampf, der noch dazu verbunden ist mit dem Gefühl von Sünde, dem Gefühl von Schuld. Und wenn man den Kampf in sich zu gewinnen scheint, tritt es in Form der anderen entgegen.
Auch dieser Kampf gegen bestimmte Teile in sich führt zum Hass in der Welt. Menschen hassen in anderen, was sie in sich nicht zulassen können. Und oft genug entsteht durch den Kampf eine Schattenseite, die auf andere Weise in das Leben tritt. Letztlich, für die ganz große Mehrheit der Menschen ist die Bekämpfung des Schlechten nicht der Weg, das Gute zu erreichen, und es ist auch nicht der Weg zu Gelassenheit. Im Gegenteil, Kampf gegen etwas führt nur zu mehr Kampf. So ist in mir die Erkenntnis immer stärker geworden, ein dualistisches Weltbild muss in jeglicher Hinsicht überwunden werden. Wie ich oben schon gesagt hatte, das dualistische Weltbild ist historisch gar nicht so alt. Die älteren Religionen legten auf die Bekämpfung des Bösen wenig wert. Das findet man sowohl in den indischen wie auch in den chinesischen Schriften, auch im Judentum war in den älteren Teilen von Satan und Dämonen gar nicht so sehr die Rede, und selbst wenn da mal Satan und Dämonen aufgeführt wurden, war das nicht so absolut und auch nicht das dauerhaft Böse. Erst der Zoroastrismus, Manichäismus seit dem 6. Jahrhundert v.Chr. machten daraus den Kampf des ewig Guten mit dem ewig Bösen. Diese breiteten sich dann aus im Christentum und Islam. Und besonders in der christlichen Spiritualität war der Kampf gegen das Teuflische, das Satanische ein Hauptthema. Wie gesagt, dieser Kampf ist dauerhaft nicht von der Mehrheit zu gewinnen. Und aus diesem Dualismus hat vermutlich das Christentum den Religionskrieg im großen Stil erfunden, obgleich das Christentum vom Religionsstifter her, von Jesus Christus her, zu den friedlichsten Religionen gehört. Aber es war der Kampf für die Rettung der Seelen von allen. Die müssen gewaltsam bekämpft werden und bekehrt werden, damit sie eben nicht dem Teufel zum Opfer fallen und dann nicht in die ewige Verdammnis gesteckt werden. So haben sich die Christen, auch wenn sie schlimmste Sachen gemacht haben, als Diener Gottes angesehen.
Diese Vorstellung, dass Menschen oder eine Gruppe von Menschen des Teufels sind, deshalb bekämpft werden müssen, sind zum Teil auch in den nachchristlichen, von Christen abgeleiteten, Kulturen geblieben. Man kann sagen, die Nazis haben das übernommen: „Die Juden sind an allem schuld und es gibt minderwertiges Leben.“ Später die Kapitalisten gegen die bösen Kommunisten. Die Kommunisten gegen die Kapitalisten. Und auch in jüngerer Zeit gab es amerikanische Präsidenten, die von dem Reich des Bösen gesprochen haben und der Achse des Bösen. All das führt zu wenig Gutem, all das führt zu Problemen. Meine Behauptung ist, es gibt nur das Gute, aber das Gute kann sich auf ungeschickte Weise so manifestieren, dass Leid entsteht. Kein Mensch will wirklich das Böse. Keine Gruppe von Menschen will das Böse. Es gibt keine negative Kraft, die versucht, Menschen zu beeinflussen. Es gibt keine Dämonen, die sich irgendwo inkarnieren, um Schlimmes zu bewirken.
Du kannst selbst überlegen: Glaubst du vielleicht doch an das Böse? Denkst du, es gibt so was wie eine böse Kraft, gegen die du ankämpfen musst? Denkst du, es gibt negative Kräfte, die dich beeinflussen? Denkst du, es gibt