Der Drehsitz – Die Ent-Wicklung unserer Seele

Hatha Yoga ist der Yogaweg, der zunächst bei der grobstofflichsten Ebene unseres Seins ansetzt. Nämlich am physischen Körper mit seinen Muskeln, Knochen, den Organen und der Atmung. Über die Atmung und das Spüren entsteht unmittelbar jedoch die Verbindung zu den feinstofflicheren Ebenen. So können wir im Hatha Yoga körperliche, geistig-emotionale und energetische Wirkungen spüren und bewusst hervorrufen.

Wie eine Asana dein Leben verändern kann.

Wer regelmäßig Hatha Yoga praktiziert, weiß, dass sich allmählich oder manchmal auch ganz plötzlich gewohnte und alt eingeprägte Gedanken- und Verhaltensmuster ändern. So geschieht Reinigung auf allen Ebenen, vieles wird klarer, verständlicher und damit annehmbarer und aktiv veränderbar. Unsere Lebensweise wandelt sich, richtet sich zunehmend mehr auf die Erforschung der eigenen Natur, den Wunsch mit ihr in Einklang zu kommen und ein höheres Bewusstsein aus. Man kann auch sagen, dass all dies grobstoffliche und subtilere Formen der eigentlichen spirituellen Wirkung sind. Also etwas, was uns der Selbstverwirklichung, dem Göttlichen näherbringt oder anders gesagt, uns unser wahres Selbst erkennen lässt. 

Ein besonders schönes Beispiel dafür ist Ardha Matsyendrasana – der Drehsitz. Hier sitzen wir fest und stabil auf der Erde. Ein Fuß und je nach Haltung auch eine Hand berühren den Boden, bilden ein Bhur-Mudra (Bhur-Loka = die Erdebene).

Mit beiden Sitzhöckern sitzen wir ausbalanciert. Dies symbolisiert die Verankerung in der dualen Welt, die notwendig ist, um unseren Aufgaben, unserem Swadharma, ganz praktisch gerecht werden zu können und somit wichtige Erfahrungen zu machen, zu lernen. Es bildet auch unser Fundament, wie die Bodenplatte eines Hauses, auf der wir Stockwerk für Stockwerk aufbauen. Hier sitzen Urvertrauen und die Kraft der Stabilität.

Partner-Drehsitz
Richte dich innerlich und äußerlich auf

Nur so kann Aufrichtung entstehen. Wir richten die Wirbelsäule auf und machen uns sozusagen auf in die richtige Richtung. Der Weg geht vom Grobstofflichen (Materiellen) zum Feinstofflichen (Spirituellen) hin. Das bedeutet auch unsere Aufrichtigkeit zu uns selbst, würdevoll und mit Wertschätzung begegnen wir uns selbst, stehen zu unseren persönlichen Prinzipien. Dabei sind wir aber nicht starr, sondern wenden uns anderen Seiten, anderen Wesen, anderen Ansichten zu, halten den Geist flexibel.

Uns selbst treu, sind wir anderen zugeneigt und zugewandt. Dabei öffnen wir unser Herz, der Brustraum ist gedehnt. Wir sind offen, Anderes und Andere anzunehmen. Über diese Erfahrung kommen wir in die Verbindung mit allen. Die Drehung der Wirbelsäule können wir auch als nach sich oben schraubende Spirale wahrnehmen. Dies ist ein Symbol dafür, dass es in der Selbstentwicklung in der Regel nicht steil nach oben geht, sondern der Weg sich auch windet. Jedoch egal wie viele Windungen (Anstrengungen, vermeintliche Umwege) auch kommen mögen, bleiben wir aufrichtig bei unserem Ziel und somit bei der (Aus-) Richtung nach oben.

Richte dich neu aus 

Die Drehung der Wirbelsäule, die Herzöffnung und die Drehung der Halswirbelsäule (als Synonym für das in den Raum/Äther gehen – wieder ein verbindendes und sich ausdehnendes Element) bedingen und durchdringen sich dabei gegenseitig. Über die Windungen unseres Lebens machen wir Erfahrungen und kommen in Kontakt mit anderen. Wir werden so berührt und berühren andere. Verbundenheitsgefühl entsteht. Über die Verbindungen dehnen wir uns aus, nehmen unseren Raum ein, tauschen uns mit anderen aus. Windungen sind auch (Ver-)wicklungen, die wir nach und nach entwickeln, indem wir uns öffnen. Quasi wickeln wir die grobstofflichen Hüllen ab wie Geschenkpapier und halten dann vollkommen entwickelt einen Schatz in der Hand. Dieser Schatz ist die reine Wahrheit, unser wahres Selbst. Über diese Erkenntnis besteht die Chance für eine noch tiefere Transformation zum Höchsten, wir richten unser Bewusstsein auf das Höchste aus, zum Scheitel und weit darüber hinaus. Wir erfahren Einheit. Einheit aller Ebenen in uns und um uns herum.

Ein Artikel von Katyayani Ulbricht

Katyayani Ulbricht ist eine sehr erfahrene Yogalehrerin und Yoga Vidya Acharya. Mit viel Fachkompetenz, Einfühlungsvermögen und einer besonderen Stimme und Ausdrucksweise führt sie dich durch deine Yogapraxis. Bekannt ist sie auch durch die Herzen berührenden Satsangs, Meditationen und Mantra-Yogastunden.

 


Dieser Artikel ist erschienen im Yoga Vidya Journal – Ausgabe Nr. 32. Das Yoga Vidya Journal bekommst du online sofort und ohne Umwege, digital als PDF:

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2 Kommentare zu “Der Drehsitz – Die Ent-Wicklung unserer Seele

  1. Mangala Margit Karrer

    Namaste liebe Katyayani!
    Danke für diese ausführliche, gut verständliche Ausführung des Drehsitzes.

    Jetzt werde ich Ihn noch bewuster und freudenvoller täglich praktizieren.

    Om Shanti
    Mangala Margit

  2. Eva-Maria Flucher

    Ein spannender Artikel. Ich habe in der letzten Zeit in meinem Blog einen Artikel über den Drehsitz verfasst – vielleicht ist dieser ergänzend zu diesem hier.
    https://www.do-yoga.at/2016/07/drehsitz-matsyendrasana.html

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