Yoga Nidra – Zwischen Schlafen und Wachen

Yoga Nidra - Der Schlaf des Yogi

Yoga Nidra wird auch der Schlaf des Yogis genannt. In dieser Zwischenwelt des Bewusstseins bist du weder vollständig wach, noch wirklich am Schlafen. Das Gehirn schwingt im Bereich der Alpha-Wellen, wodurch du besonders gut entspannst, aber auch aufnahmefähig für wundersame Veränderungen wirst.

Shavasana – Die Yoga Nidra Asana

Wer Yoga übt, praktiziert wahrscheinlich auch regelmäßig Entspannungsverfahren. Zumindest am Ende jeder Yogastunde empfehlen wir, für wenigstens 10 Minuten in Shavasana, der Totenhaltung, zu verweilen. Auf diese Weise kann der Körper ausruhen und regenerieren und die sich durch die Asanapraxis freigesetzten Energien harmonisch im System verteilen.

Niemals Shavasana schwänzen!

Für Yoga Anfänger mag Shavasana erstmal vielleicht nicht nach viel aussehen. Tatsächlich wird sie aber als eine der schwierigsten Asanas betrachtet, da nicht nur der Körper unbewegt ist, sondern auch der Geist ruhig bleiben soll. Nicht umsonst ist die Totenstellung eine der Asanas, die im ersten Kapitel der Hatha Yoga Pradipika erwähnt werden.

Bei Shavasana geht es also darum, den Körper zu entspannen, damit er sich von der Asanapraxis erholt und die Gedanken zur Ruhe gebracht werden. Dabei bleibst Du bei vollem Bewusstsein. Yoga Nidra geht noch etwas tiefer.

Yoga Nidra ist Shavasana 2.0

Beim Schlaf des Yogis geht es auch um körperliche und geistige Entspannung. Diesen Zustand der Entspannung kannst du dann nutzen, um in dein Unterbewusstsein vorzudringen und hier Blockaden und Ängste aufzulösen.

Durch den Einsatz eines Sankalpas (Vorsatz) kannst Du Deine Persönlichkeit positiv verändern oder Deinem Leben eine positive Richtung geben. Mithilfe von Yoga Nidra kann die Dualität überwunden und Samadhi, der überbewusste Zustand, erreicht werden. Darüber hinaus entspannt Yoga Nidra enorm – Tiefenentspannung wird garantiert!

Was ist Yoga Nidra?

Der Erfinder des Yoga Nidra -Swami Satyananda Saraswati

Die Methode des Yoga Nidra stammt von Swami Satyananda Saraswati, der zwölf Jahre bei seinem Guru Swami Sivananda verbrachte und 1963 die Bihar School of Yoga gründete. Yoga Nidra ist eine systematische Entspannungsmethode für Körper, Geist und Seele, die auf wissenschaftlichen Erkenntnissen beruht.

Viele Menschen glauben zu entspannen, wenn sie sich einfach eine Weile hinlegen oder schlafen. In den meisten Fällen ist das jedoch nicht so.

Wenn wir uns zum Schlafen hinlegen, sind meistens noch Spannungen geistiger und emotionaler Art sowie auch in Form von Muskelanspannungen im Körper vorhanden. Diese nehmen wir mit in die Nacht und wundern uns, warum wir uns am nächsten Morgen nicht wirklich erholt fühlen.

Mithilfe von Yoga Nidra ist es möglich, nicht nur Muskelspannungen zu lösen, sondern auch geistig und emotional zu entspannen und so zu einer ganzheitlichen Entspannung zu kommen. In diesem Zustand kann der Körper regenerieren, Gedanken kommen zur Ruhe und der Geist richtet sich nach Innen.

Einordnung in das Ashtanga Yoga

Somit ist Yoga Nidra der fünften Stufe des Ashtanga Yoga nach Pantanjali zuzuordnen: Pratyahara. Zur Erinnerung hier noch einmal alle 8 Stufen des Raja Yoga Pfades:

  1. Yama (Ethische Regeln für den Umgang mit anderen)
  2. Niyama (Empfehlungen für den Umgang mit sich selbst)
  3. Asana (Körperhaltung)
  4. Pranayama (Atmung, Kontrolle von Prana)
  5. Pratyahara (Ausrichtung des Geistes nach Innen)
  6. Dharana (Konzentration)
  7. Dhyana (Meditation)
  8. Samadhi (Selbsterkenntnis)

Yoga Nidra: Schlafe oder wache ich?

Yoga heißt Vereinigung oder auf einen Punkt ausgerichtet sein. Nidra bedeutet Schlaf. Beim Schlaf des Yogis geht es darum, bewusst zu schlafen. Während du übst, scheinst Du zu schlafen, bleibst jedoch die ganze Zeit achtsam.

Du bewegst dich dabei auf der Schwelle zwischen Wach- und Traumzustand. In diesem Yoga Nidra Zustand schwingt das Gehirn im Alpha-Wellen-Bereich. Dieser Bereich ist sehr entspannend, regenerativ und heilsam und wird so lange wie möglich aufrechterhalten.

Ablauf von Yoga Nidra

Yoga Nidra - Der Schlaf des Yogi

Neben gezielter Entspannung arbeitet Yoga Nidra mit Vorsätzen, Achtsamkeit, Autosuggestionen und Visualisierungen. Für gewöhnlich verfolgt eine Session dabei diesen klassischen Ablauf:

  1. Shavasana
  2. Entspannung
  3. Sankalpa
  4. Kreisen der Wahrnehmung
  5. Atem wahrnehmen
  6. Wahrnehmen gegensätzlicher Gefühle
  7. Visualisierung
  8. Sankalpa
  9. Rückholung
  10. Ende

Eine ausführliche Beschreibung der Ansagen findest Du im Buch Yoga Nidra von Swami Satyananda Saraswati. Daneben sollen an dieser Stelle einige ausgewählte Techniken des Yoga Nidra näher beleuchtet werden.

Sankalpa – Positive Vorsätze formulieren

Kennzeichnend für den Schlaf des Yogi ist das Fassen eines Sankalpa, eines Vorsatzes bzw. Entschlusses. Ein Sankalpa ist ein kurzer, positiv formulierter Satz, dessen Inhalt Du in Dein Leben integrieren möchtest. Es kann eine Eigenschaft sein, die Du entwickeln möchtest, wie beispielsweise Geduld. Das passende Sankalpa wäre dazu dann: “Ich bin geduldig”. Grundsätzlich kann es sich bei einem Sankalpa jedoch um alles handeln, dass Du in Deinem Leben erreichen möchtest.

Das Sankalpa ist eine Autosuggestion, die ihre Kraft dadurch bekommt, dass sie in dem Moment wiederholt wird, wenn der Verstand inaktiv und das Unterbewusstsein offen und aufnahmebereit ist. Auf diese Weise kannst Du positive Dinge in Deinem Unterbewusstsein regelrecht installieren. Von dort aus verändern sie Dein Leben auf wundersame Weise in eine positive Richtung.

Dabei ist es wichtig, dass Du Dein Sankalpa weise wählst, dann dabei bleibst und es immer wieder im Schlaf des Yogis verwendest.

Das Kreisen der Wahrnehmung

Besonders charakteristisch für Yoga Nidra ist das Kreisen der Wahrnehmung durch den Körper, das gleich nach dem Sankalpa erfolgt. Diese Technik hat seinen Ursprung in einer tantrischen Übung namens Nyasa, bei der Mantras in verschiedene Körperteile geschickt werden.

Das Kreisen der Wahrnehmung durch die einzelnen Körperteile folgt einem ganz bestimmten Ablauf, der die sensorische Rinde des Gehirns von innen nach außen anspricht und dadurch die Nervenbahnen reinigt. Durch dieses Verfahren entspannen die Körperteile und gleichzeitig auch der Geist.

Die meisten Krankheiten und Leiden des modernen Menschen resultieren aus der übermäßigen Identifikation mit der Außenwelt bzw. mit den Sinnen und den Sinnesobjekten. Durch das Nach-Innen-Wenden der Sinne während des Yoga Nidras wird Energie bzw. Prana von den Sinnen abgezogen. Diese Energie steht dann für Regeneration und Heilungsprozesse zur Verfügung.

Wahrnehmen gegensätzlicher Gefühle

Ein weiterer Punkt im Verlauf von Yoga Nidra ist das Wachrufen gegensätzlicher Gefühle, wie Kälte und Hitze, Schwere und Leichtigkeit, Freude und Schmerz, Liebe und Hass. Beide Gegensatzpaare, die sich jeweils an verschiedenen Stellen im Gehirn befinden, werden in einem entspannten Zustand mit etwas Abstand beobachtet.

Durch diese Technik entstehen Nervenverbindungen, die sich unter normalen Umständen niemals bilden würden. So werden zwei völlig gegensätzliche Empfindungen, die bisher unvereinbar schienen, miteinander verknüpft. Das ermöglicht dem Übenden, sich mit der Zeit vom Festklammern und Ablehnen bestimmter Gefühle zu lösen und die Dualität zu transzendieren.

Im Schlaf des Yogi kann zusätzlich mit Symbolen, Visualisierung und Chakras gearbeitet werden. Dabei können unterdrückte Gefühle, Ängste und dunkle Anteile aus den Tiefen des Bewusstseins aufsteigen und aufgelöst werden. Das Unterbewusstsein wird dadurch gereinigt und der Geist wird im Wachzustand ruhiger und gelassener sein.

Yoga Nidra üben

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Yoga Nidra mit Ravi (30 min), Yoga Vidya Ashram in Bad Meinberg (2021)

Es ist ratsam, Yoga Nidra von einem erfahrenen Yogalehrer zu lernen oder mit einer Aufnahme zu praktizieren.

Das Schönste an Yoga Nidra ist der Umstand, dass Dir nichts gelingen muss. Es ist ganz gleich, ob Du alles fühlst oder visualisieren kannst, was angesagt wird. Bleibe einfach wach und höre der Stimme zu. Mit der Zeit wird sich alles wie von selbst entwickeln, so wie immer beim Yoga. Einfach machen, alles andere kommt von selbst.

Auch Yoginis und Yogis vernachlässigen oft die Entspannung. Dabei ist sie so wichtig, um zu regenerieren und sich zu entwickeln. Yoga Nidra, oder zumindest ein ausführliches Shavasana, sollten fester Bestandteil einer täglichen Yogapraxis sein.

Mein Rat: Du kannst den Schlaf des Yogis zu jeder Tageszeit praktiziere. Es kann am frühen Morgen geübt werden, um frisch in den Tag zu gehen, nach der Arbeit für einen entspannten Übergang in den Feierabend, oder vor dem zu Bett gehen, um Spannungen zu lösen und einen erholsamen Schlaf zu fördern.

Hari Om tat sat.

Om Shanti


Dieser körperorientierte Hatha Yoga ist die wahrscheinlich populärste Form des Yoga. Hatha Yogis sehen dabei den Körper als Tempel der Seele an und probieren ihn als solchen zu pflegen und möglichst lang am Leben zu erhalten.

Um das Gleichgewicht zwischen Körper und Geist zu fördern werden klassische Praktiken, wie körperliche Übungen, Atemübungen, Meditation und Entspannung geübt. Aber auch das Wissen über die sattwige Ernährung gehört dazu.

Bei Yoga Vidya werden alle diese klassischen Säulen des Hatha Yoga berücksichtigt und gelehrt. In unseren Seminarhäusern und Ashrams erlebst du so den körperbetonten Yoga so traditionell und authentisch.

Neue Bewusstseinsräume im Yoga Nidra entdecken

Die Autorin

Seminarleiterbild Gauri Daniela Reich 2021

Gauri Daniela Reich Yogalehrerin (BYV), Ayurveda Gesundheitsberaterin (BYVG), Vegane Ernährungsberaterin, ausgebildet in Yoga Personal Training, Vinyasa Sequenzing, Thai Yoga Massage und Yin Yoga, Lehrerin für Prävention und Gesundheitsförderung (BSA), Fitnesstrainer B-Lizenz, Cardiofitness- und Entspannungstrainerin, Diplom Betriebswirtin (BA). “Yoga hat mein Leben von Grund auf verändert.

Dank der ganzheitlichen Yogapraxis hat mein Leben heute einen Sinn. Ich bin zufriedener, gesünder, umgänglicher und habe erfüllendere Beziehungen. Dieses Glück steht allen Menschen zu und ich sehe es als meine selbstverständliche Pflicht, dieses Wissen mit anderen zu teilen.” Seminare mit Gauri >>

Quellen

  • Yoga Nidra, Swami Satyananda Saraswati
  • Licht auf Yoga, B.K.S. Iyengar
  • Asana Pranayama Mudra Bandha, Swami Satyananda Saraswati
  • Das große Hatha Yoga Buch, Yoga Vidya Verlag
  • Hatha Yoga Pradipika, Swatmarama
  • https://de.wikipedia.org/wiki/Yoga_Nidra

4 Kommentare zu “Yoga Nidra – Zwischen Schlafen und Wachen

  1. Danke Dir für diese große Mühe, die du dir mit dieser hilfreichen Beschreibung machtest, die mich besser verstehen ließ, warum ich mich so gut danach fühle 🙂

  2. Shakti Simone Lehner

    Liebe Gauri, tolle Zusammenfassung und Inspiration. Verlinkt im Yoga Vidya Speyer Newsletter Mai 2019 als wunderbare Informations-Quelle für unsere vielen Yoga Nidra Praktizierenden und solche die es werden wollen. Danke Dir!

  3. Alexander

    Hallo, kann man das mit der transzendentalen Meditation vergleichen 🤔Liebe Grüße aus Köln von Alexander

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