Atem – Die wichtigste Freundschaft unseres Lebens

Pranayama: Yoga Atem Übung

Das Atmung mehr als die Versorgung unseres Körpers mit Sauerstoff ist, hat sich ja bereits herumgesprochen. Antonia Kemkes, Expertin für Entspannung, ist sich sicher: Der Atem ist unser wichtigster Begleiter, unser größter Tröster und unser stärkster Anker zu mehr Erdung und Verbundenheit im Hier und Jetzt. Lerne die sanfte Kraft des Atems kennen!

Ein Beitrag von Antonia Kemkes, Expertin für Entspannung, Burnout-Prävention und Stressbewältigung

Gibt es jemanden, der immer bei uns ist, egal in welcher Situation wir uns gerade befinden? Jemand, der uns unser ganzes Leben lang begleitet und uns jederzeit und überall dabei helfen kann, uns nicht zu verlieren in Ängsten oder Nöten?

Jemand, auf den wir uns verlassen und mit dem wir uns verbinden können, wenn wir Beistand brauchen. Ein Freund, dem wir uns bedingungslos anvertrauen dürfen, weil er uns zuverlässig in unsere innere Kraft und Verbundenheit mit dem großen Ganzen führt.

Wir haben alle diesen wundervollen Lebensfreund in uns – wenn wir uns die Zeit nehmen, unsere Atmung bewusst wahrzunehmen, sie kennenzulernen und uns mit ihr vertraut machen, trägt uns diese Verbindung durch unser ganzes Leben. Die Atmung wird zu einem wahren Freund, dessen Unterstützung wir uns bewusst holen können, wann immer wir sie brauchen.

Sich dem Strom der Atmung anvertrauen

Mit einer tiefen Einatmung beginnt unser Leben und mit einer langen Ausatmung endet es. In der Zeit dazwischen ist die Atmung bei uns, fließt durch uns hindurch und begleitet uns in jedem einzelnen Augenblick.

Wir können darauf vertrauen, dass sie immer da ist und auf eine ganz einzigartige und wundervolle Art und Weise für uns sorgt, auf der körperlichen Ebene und auch auf der seelischen Ebene.

Die Atmung ist ein lebensnotwendiger, physiologischer Vorgang, der fortwährend – also auch gerade jetzt in diesem Moment – für uns arbeitet und unseren Organismus mit Sauerstoff versorgt. Im Schnitt atmen wir vierundzwanzigtausend Mal am Tag.

Die Inder sagen: Jedem Menschen ist nur eine bestimmte Anzahl von Atemzügen im Leben zugeteilt. Es liegt an uns, wie wir damit umgehen, ob wir sie schnell vergeuden oder sie achtsam und ruhig in uns bewegen, den Atemstrom fließen lassen, uns mit ihm verbinden und uns dem Strom des Lebens anvertrauen.

Das Tor zur Innenwelt

In der Art und Weise, wie wir den Strom des Lebens über die Atmung in uns aufnehmen, spiegeln sich unsere Gedanken und Einstellungen zum Leben. Über den Atem können wir unser Erleben und unsere Emotionen beeinflussen. Wenn wir lernen, bewusst zu atmen, lernen wir auch bewusst zu leben.
Über die bewusste Atmung können wir uns zu jeder Zeit, in jeder Situation mit uns verbinden und zu uns kommen.

In der Meditation nehmen wir uns Zeit, uns mit der Atmung anzufreunden und vertraut zu machen. Dabei
verstehen wir immer mehr, dass die bewusste Atmung unser Leben verändert. Verbunden mit unserer Innenwelt und der Außenwelt. Wenn wir ganz bei unserer Atmung verweilen und alles andere loslassen, können wir tief in unsere Innenwelt eintauchen.

Fest verwurzelt in der Außenwelt

Gleichzeitig sind wir verbunden und eins mit der Außenwelt. Wir sind Teil der Natur, atmen den Sauerstoff ein, den der Baum ausatmet. Unsere Lunge ist der »Lebensbaum« unseres Körpers. Sie liegt in unserem Brustkorb wie ein auf den Kopf gestellter Baum.

Mit Nase und Mund, den Wurzeln des Baumes, atmen wir ein, am Kehlkopf öffnet sich der Kehldeckel, die Erdoberfläche, und die Luft strömt durch die Luftröhre, den Baumstamm, in die Lungen, die Baumkrone. Der Stamm teilt sich in zwei dicke Hauptäste, in den rechten und linken Lungenflügel, auf.

Die röhrenförmigen Bronchien verzweigen sich immer mehr in kleine Äste wie bei einem Baum. Die Luft gelangt bis zum Ende der Äste in die »Blätter des Baumes«, die traubenförmig angeordneten Lungenbläschen, und durchströmt so den ganzen Organismus mit Leben.

Vertrauen in den Lauf der Dinge

Wenn wir uns das bewusst machen, empfinden wir uns als Teil des großen Ganzen. Das Gefühl, getrennt zu sein, löst sich auf und geht über in eine ganz natürliche Geborgenheit in uns und in der Welt. Wir fühlen uns aufgehoben, das Leben strömt durch uns hindurch, es lebt uns, uns kann nichts passieren.

Rainer Maria Rilke hat dieses Empfinden sehr schön in Worte überführt:

Durch alle Wesen reicht der eine Raum:
Weltinnenraum. Die Vögel fliegen still
durch uns hindurch. O, der ich wachsen will,
ich seh hinaus, und in mir wächst der Baum.

Über den Atem einen direkten Draht zur Seele schaffen

Wenn wir uns die Zeit nehmen, uns mit unserer Atmung vertraut zu machen, können wir über die Atmung bewusst Einfluss nehmen auf unseren Geist und unser seelisches Empfinden. Die Atmung bildet die Schnittstelle zwischen unserem Körper, unserer Seele und unserem Bewusstsein.

Agieren statt reagieren

Hierin liegt ein enormes Potenzial, unserem Leben in kleinen Alltagssituationen und auch in größeren Entscheidungsprozessen die Richtung zu geben, die wir uns wünschen. Wir müssen uns unseren seelischen Befindlichkeiten nicht mehr ausgeliefert fühlen, sondern wissen, dass wir den Zugang zu einer bewusst gelenkten Reaktionsentscheidung immer in uns tragen.

Fühlen wir uns sehr aufgeregt, ängstlich oder unsicher, äußert sich dieses Gefühl durch einen kurzen flachen Atem, der wiederum dazu führt, dass wir noch aufgeregter und ängstlicher werden. Unser Körper wird in Alarmbereitschaft versetzt und bereitet sich darauf vor, zu kämpfen oder zu fliehen.

In den meisten Fällen ist das nicht nötig, denn es sind unsere Gedanken, die uns ängstigen. Wenn wir uns dessen bewusst sind, können wir unsere Ausatmung gezielt verlängern, den Bauch entspannen und uns die Zeit nehmen, wirklich vollständig auszuatmen.

Aus der Ruhe heraus entscheiden

Das aktiviert den Parasympathikus, auch Entspannungs- oder Ruhenerv genannt und führt uns augenblicklich in eine wohltuende Entspannung. Gleichzeitig bewirkt das Spüren der Atmung, dass sich unser Geist beruhigt. Die Neurowissenschaft hat festgestellt, dass unser Gehirn nicht gleichzeitig fähig ist
zu spüren und zu denken.

Das bewusste Spüren und Verlängern der Atmung, beruhigt unseren Geist und bringt uns schon nach wenigen Atemzügen zurück in unsere Mitte. Hier können wir die Dinge wieder klarsehen und bewusst unsere Reaktion wählen.

Der Pause nach der Ausatmung kommt dabei eine sehr bedeutende Rolle zu. In dem Moment, wo wir ganz leer sind, können wir loslassen und eintauchen in die Stille in uns. Es tut gut, diese Pause sanft zu verlängern und an unserem inneren Ort der Ruhe und Kraft zu verweilen.

Den Atem spüren – Nasenflügel

  • Probiere es aus: Richte deine Wirbelsäule auf, der Brustkorb ist geöffnet, die Schultern entspannt, die Augen sind sanft geschlossen.
  • Lass die Atmung lang und fein ein- und ausströmen.
  • Spüre, wie sich die Atemräume vollständig füllen und mit der langen Ausatmung wieder ganz leeren.
  • Nach ein paar ruhigen Atemzügen lenke deine Wahrnehmung auf deine Nasenflügel und nimm wahr, wie die Atemluft hier kühl in den Körper einströmt und ihn mit der langen Ausatmung warm wieder verlässt.
  • Halte deinen Geist fokussiert und spüre den Atemstrom an deinen Nasenflügeln immer länger und feiner. Lass dir Zeit für jeden Atemzug.
  • Verweile nach der Ausatmung einen Moment in der Leere, genieß die Entspannung und die innere Stille, bevor du die Atemluft wieder einströmen lässt.

Rückkehr zum vollständigen Atem

Die meiste Zeit des Tages atmen wir völlig unbewusst, in der Regel viel zu flach und zu kurz. Das führt dazu, dass wir nur einen Bruchteil der Energie zur Verfügung haben, die wir eigentlich mit jeder
tiefen Einatmung aufnehmen könnten.

Die Rückkehr zu einer vollständigen und tiefen Atmung, bei der alle Atemräume beteiligt sind, kann unser Alltagsempfinden grundlegend verändern und schenkt uns mehr Gesundheit und Achtsamkeit. Wir kommen auf eine natürliche Weise in Kontakt und in Einklang mit uns selbst.

Was passiert, wenn wir das Atmen neu lernen

Wenn wir wieder lernen, lang und vollständig auszuatmen, sind wir entspannter, und gleichzeitig kommen wir durch die tiefe Einatmung in unsere Kraft und Lebendigkeit, denn mit jedem Atemzug nehmen wir Prana – Lebensenergie – in uns auf.

Wir können uns jederzeit und überall mit unserer Atmung verbinden und ihren Weg durch den Körper und die einzelnen Atemräume ganz bewusst wahrnehmen.

Der Kompass in uns

Mach dir bewusst, dass die Atmung immer da ist, vom ersten Moment des Lebens bis zum letzten. Sie ist unser Kompass im Leben, und führt uns auf direktem Weg nach innen. Wann immer wir merken, dass wir uns in Gedanken, Sorgen, Ängsten oder Wünschen verlieren, können wir uns auf unsere Atmung
besinnen und uns ihrer Führung anvertrauen.

Auch und gerade dann, wenn wir uns in einer besonders schwierigen Situation befinden, vielleicht verzweifelt sind und keinen Ausweg sehen: Schließ deine Augen und lass dich von deinem Lebensfreund an die Hand nehmen und führen.

Am Ende der Ausatmung liegt das Tor zu unserem inneren Tempel. Es ist immer da. Lass dich in die Pause nach der Ausatmung sinken, lass dich fallen und du findest sich auf der anderen Seite wieder, in deinem inneren Tempel.


Bei diesem Beitrag handelt es sich um eine minimal für den Webbereich angepasstes Kapitel aus Antonia Kemkes Buch “Finde den Tempel in dir”.

Weiterlesen: Finde den Tempel in dir

Das neue Buch von Antonia Kemkes: Finde den Tempel in dir

Im Außen suchen? Im Inneren finden! Sehnst du dich auch nach einem Ort, an dem du dich jederzeit geborgen fühlst? An dem du Kraft tanken kannst und zu innerer Stärke findest? Die erstaunliche Wahrheit ist, dass jede und jeder von uns einen solchen Ort hat: in sich selbst.

Antonia Kemkes, Expertin für Entspannung, Burn-out-Prävention und Stressbewältigung, zeigt dir drei Wege, die zu deinem inneren Tempel führen: Meditation, Yoga und Bodyscan. Und sie offenbart dir den Schlüssel zu diesem magischen Ort: Achtsamkeit.

Dabei überführt sie die uralte östliche Weisheit behutsam ins Heute und gibt dir Tipps und Übungen an die Hand, die alltagstauglich sind und jederzeit nutzbar – auch in herausfordernden Situationen. Schritt für Schritt lernst du, immer sicherer zu deinem inneren Tempel zu finden, bis du ganz selbstverständlich in ihm ruhst, egal, was »da draußen« passiert (Gräfe und Unzer 2022).

Mit dem Atem Freundschaft schließen: Seminare und Ausbildungen zu klassischen Yoga Pranayama

Atem-Praxis – das erscheint uns so selbstverständlich, dass wir gar nicht darüber nachdenken. Tatsache ist, viele Menschen sind sich gar nicht bewusst, dass sie in Zeiten starker Belastung durch Stress falsch atmen.

Im Yoga spielt die Zwerchfell-Bauchatmung eine zentrale Rolle; Atemübungen (Pranayama) erhöhen deine Lebensenergie, das Prana, sie wirken reinigend und ausgleichend, steigern die Konzentration und bereiten dich auf die Meditation vor. Nicht zuletzt werden Atemübungen auch als ergänzende Therapie bei Erkrankungen, insbesondere solche der Lunge, eingesetzt.

Bei Yoga Vidya findest du eine Vielzahl von Seminaren und Ausbildungen zum Thema Atem-Praxis. Erfahrene Seminarleiter und Yogatherapeuthen lehren hier klassisches Yoga Pranayama in der nährenden Atmosphäre unserer naturnahen Yoga Ashrams. Alle Seminare enthalten auch immer die Möglichkeit an der spirituellen Praxis der Ashrams teilzunehmen, wie Yogastunden, Meditation und Mantra-Singen. Einfache Unterbringung, faire Preise und veganes biologisches Vollwertbuffett. Wir freuen uns auf dich!

0 Kommentare zu “Atem – Die wichtigste Freundschaft unseres Lebens

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.