58 Gelassenheit entwickeln – Einführungsvortrag eines Seminars zum Thema Gelassenheit

Gelassenheit Entwickeln - Podcast für mehr Gelassenheit im Alltag

Nach den vielen Gelassenheits-Konferenzen jetzt mal ein Überblick über Yoga und Gelassenheit. Mit dieser Ausgabe beginnt ein neuer Abschnitt der Podcastreihe: Die Mitschnitte eines Seminars zum Thema Gelassenheit entwickeln. So bekommst du praxisnahe Tipps zum Thema Gelassenheit.
Hier also die Einführung: Möchtest du gelassener durchs Leben gehen? In dieser Podcastreihe lernst du machtvolle Techniken, um inmitten einer Welt voller Veränderungen und inmitten der Höhen und Tiefen des Lebens gelassen zu leben. Einige Themen werde sein: * Entspannungstechniken *Atmungstechniken für den Alltag *emotionelle Energie nutzen ohne von ihnen überwältigt zu werden *Selbstakzeptanz und Selbstliebe *Praktische Nächstenliebe im Alltag. Diese Podcastreihe geht über insgesamt 16 Folgen. In diesem Einführungsvortrag spricht Sukadev über die 6 Yoga-Wege und ihre Tipps zur Gelassenheit. Besondere Betonung auf Jnana Yoga: Gelassenheit durch Philosophische Grundeinstellung. Und Bhakti Yoga: Gelassenheit durch Gottesliebe. Das ganze Konzept der Reihe:

  1. Einführung (also dieser Podcast)
  2. Gelassenheitstext: “Liebe Trotzdem”
  3. Praktische Techniken für Gelassenheit im Alltag aus Kundalini und Hatha Yoga
  4. Dankbarkeitsentspannung für Gelassenheit
  5. Gelassenheit durch regelmäßige Hatha Yoga Praxis und Tiefenentspannung
  6. Kavacham – ein Schutzenergiefeld schaffen
  7. Raja Yoga – der psychologische Yoga, König und Minister
  8. Swami Vishnu-devanandas Lehren an Sukadev zu Gelassenheit
  9. Lebensregel von Baltimore als Inspirationstext für Gelassenheit
  10. Meditation für Herzensverbindung
  11. Gelassenheit durch Einfühlungsvermögen, Mitgefühl und Verständnis
  12. Gelassenheit-Einfühlungs-Meditation
  13. Gelassenheit: Sein Temperament annehmen
  14. Gelassenheitsübung: Wie wäre ich mit meinem Temperament ein Heiliger
  15. Gelassenheit gegenüber dem Schicksal: Leben als Schule, Sinn des Lebens
  16. Wege zur Gelassenheit – Zusammenfassung und Schluss. Also: Viel Material für ein gelasseneres Leben.

Mitschnitt aus einem Seminar “Gelassenheit entwickeln” bei Yoga Vidya Bad Meinberg. – Dies ist die 58. Ausgabe des Yoga Vidya Gelassenheits-Podcast.

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Ich habe vor kurzem ein Seminar gegeben zum Thema „Gelassenheit entwickeln“ und die Vorträge wurden aufgenommen. Diese will ich jetzt auch veröffentlichen. Manches hast du vielleicht schon gehört, manches ist eine gute Wiederholung. Der Weg zur Gelassenheit ist ja ein lebenslanger Weg und es ist gut, die wichtigen Konzepte nochmals zu hören. Heute ist der Einführungsvortrag. Dort erfährst du einiges nochmals, was Yoga mit Gelassenheit zu tun hat, du erfährst einige Definitionen von Yoga und wie diese mit Gelassenheit zusammenhängen und du hörst, wie die sechs Yogawege Ratschläge geben für Gelassenheit. Das kann dir nochmal all das, was du in der letzten Zeit gehört und gelesen hast, vielleicht in den letzten Wochen oder Monaten und was du praktiziert hast, nochmals zusammenführen, so dass du einen Überblick hast: Was heißt eigentlich Gelassenheit im Yoga und wozu ist es gut?

„Gelassenheit entwickeln“ ist ja auch ein sehr wichtiges Thema, sowohl für alle Menschen im Alltag, wie auch für alle Yogaübenden. Krishna gibt in der Bhagavad Gita, einer uralten indischen Schrift, so eine der vielen Definitionen vom Yoga, er sagt: „Yoga samatvam ucyate. Yoga heißt Gelassenheit.“ Damit geht es im Yoga insgesamt um Gelassenheit. Oder eine andere wichtige Schrift, manche haben davon gehört, manche haben sie schon gelesen, von PatanjaliYoga Sutra“, dort sagt Patanjali: „Yoga ist das Zur-Ruhe-Bringen der Gedanken im Geist.“ Also, zur Gelassenheit zu kommen, darum geht es im Yoga allgemein. Wir können sagen, dass Ziel des Yoga ist Samadhi. Samadhi heißt Überbewusstsein, Erleuchtung, Selbstverwirklichung, Gottverwirklichung, Unio Mystica, wie auch immer wir es verstehen wollen. Und in Samadhi steckt Sama, Gelassenheit drin. Und wir können sagen, im klassischen Yogasystem, um zu Samadhi zu kommen, gilt es, zu Sama, zur Gelassenheit zu kommen. Umgekehrt, wenn es gelingt, zu höheren Bewusstseinszuständen zu kommen, dann folgt die Sama, die Gelassenheit mehr oder weniger von selbst. Wir können auch sagen, die Techniken, die in Indien seit Jahrtausenden geübt wurden, um zu höheren Bewusstseinsstufen zu kommen, sind auch hilfreich, um in unserer heutigen Welt, die ja vielleicht in vielerlei Hinsicht das Gegenteil einer gelassenen Welt ist, um in dieser Welt doch ein gelasseneres Leben führen zu können. In der Broschüre wurde ja das Seminar zum Thema Gelassenheit so angekündigt: „Machtvolle Techniken, um inmitten einer Welt voller Veränderungen und inmitten der Höhen und Tiefen des Lebens, gelassen zu leben. Spezielle Blitzentspannungstechniken, Atmungstechniken für den Alltag, emotionale Energien nutzen, ohne von ihnen überwältigt zu werden. Umgang auch mit Ungerechtigkeit und Schuld. Selbstakzeptanz und Selbstliebe. Praktische Nächstenliebe im Alltag. Und dabei auch von besonderer Bedeutung, bewusstwerden des Göttlichen im Alltag und den Alltag bewusst zu erleben.“ Das werden also unsere Themen sein. Ich werde zwar auch einiges Theoretische sagen, ich werde euch einiges an Theorie vermitteln, aber vor allen Dingen werdet ihr viele praktischen Übungen mitmachen können, einige, die euch vielleicht eine andere Einstellung geben können zu euch selbst, zu euren Mitmenschen, Mitgeschöpfen, zu dem, was euch geschieht, was euch dann vielleicht zu einer gelasseneren Einstellung die nächsten Tage, Wochen, Monate, vielleicht sogar Jahre verhelfen kann, und vielleicht auch viele kleine Tipps und Übungen, die ihr auch später umsetzen könnt, um jederzeit ein gelasseneres Leben zu führen.

Ich sagte, eine Definition des Yoga in der Bhagavad Gita ist: „Yoga samatvam ucyate. Yoga heißt Gelassenheit.” Aber im Yoga ist es keine kalte Gelassenheit, im Sinne von Gleichgültigkeit, sondern es ist eine enthusiastische Gelassenheit, im Sinne von, eine Gelassenheit, die Energien freisetzt und die auch helfen kann, einiges zu bewirken. Im Yoga sprechen wir auch von Sattva, Rajas und Tamas. Tamasige Gelassenheit wäre Gleichgültigkeit: „Ist mir alles egal.“ Und über diese Gelassenheit werde ich jetzt nicht sprechen. Man könnte sagen, tamasige Gelassenheit wäre nicht die echte Gelassenheit, wäre Gleichgültigkeit, sei es aus Frust, sei es aus Resignation oder Antriebslosigkeit. Es gibt dann auch noch eine rajasige Gelassenheit, über die wir auch nicht so sehr sprechen werden, obgleich das manchmal mit hineinspielt. Rajasige Gelassenheit heißt, wir wollen uns als etwas Besseres fühlen als andere, weil wir uns nicht so aufregen wie die anderen. Also, eine stolze Gelassenheit. Selbstbewusst wäre ok, aber so ein Ego daraus ziehen und sagen, „ich bin besser als andere, weil ich mich nicht aufrege“, diesen Fehler gilt es, zu vermeiden. Und dann gibt es aber die so genannte sattvige Gelassenheit, das nenne ich die engagierte Gelassenheit, die freudevolle Gelassenheit, die lichtvolle Gelassenheit.

Sattva heißt Licht, Sattva heißt Freude, Sattva heißt Engagement. Also, das sind die verschiedenen Aspekte von Gelassenheit. Wir wollen also sattvige Gelassenheit haben und ich werde einiges darüber erzählen. Ich nenne es auch gerne Gelassenheit ersten Grades und zweiten Grades, um das schon mal ein klein wenig anzudeuten. Gelassenheit ersten Grades heißt, ihr bleibt stets ruhig und gleichmütig. Man kann es auch nennen, das ist die so genannte stoische Gelassenheit, den Geist in einer grundsätzlichen Ruhe halten. Es gibt aber eine andere Gelassenheit, man kann sagen, ich nenne es gerne die Gelassenheit höherer Ordnung, die auch eine Lebendigkeit, Emotionalität mit einbezieht, eine Gelassenheit auch gegenüber den eigenen Höhen und Tiefen und dem mehr Energie und weniger Energie haben und die auch eine Akzeptanz des eigenen Temperamentes und des eigenen Charakters beinhaltet. Diese letztere Form von Gelassenheit nenne ich auch gerne den Königsweg zur Gelassenheit.

Wenn wir über Gelassenheit sprechen, sprechen wir es natürlich hier vom Yoga aus. Man könnte es auch von der psychologischen Seite angehen, aber ich meine, das Yoga hat sehr viel zu bieten, gerade in seiner großen Breite, und ich möchte so ein bisschen über die sechs Yogawege und Gelassenheit sprechen. Das ist zum einen für diejenigen, für die das Thema Yoga neu ist, ein kleiner Kurzüberblick, was Yoga so alles ist und insbesondere wie wir hier bei Yoga Vidya Yoga lehren. Und für diejenigen, die schon länger dabei sind, ist es auch nochmal eine Wiederholung, wie auch eine praktische Anwendung dieses Konzeptes der sechs Yogawege und sechs Yogaarten für unser Thema „Gelassenheit“.

Wir unterscheiden hier gerne bei Yoga Vidya sechs Yogawege. Da gibt es den Jnana Yoga, das ist der Yoga des Wissens, der Yoga der Weisheit. Dann gibt es den Raja Yoga und Raja Yoga ist der Yoga des Geistes, der psychologische Yogaweg. Als drittes gibt es den Bhakti Yoga. Bhakti Yoga, der Yoga der Hingabe, der Yoga der Gottesverehrung. Dann gibt es den Karma Yoga und Karma Yoga ist der Yoga des uneigennützigen Dienens, der Yoga der Tat. Dann gibt es Kundalini Yoga, das ist der Yoga der Energie. Und Hatha Yoga, das ist der Yoga der Körperübung. Und aus allen Yogawegen gibt es einige Tipps für Gelassenheit und einige Anregungen für Gelassenheit. Und das Schöne beim Yoga ist ja auch das Umfassende und so werdet ihr alle etwas finden, was hilfreich für euch ist. Das ist der Vorteil, wenn es so breite Möglichkeiten gibt. Der Nachteil ist, die meisten werden auch etwas finden, was für sie nicht hilfreich ist. Und der Trick ist wiederum, Gelassenheit insofern zu üben, dass ihr sagt: „Ich nehme das, was mir hilfreich ist, und das andere kann ich ja erst mal auf später verschieben.“ Oder ihr sagt: „Ist vielleicht für mich erst mal nicht so gut.“ Und dann könnt ihr nachher euch besonders darüber freuen, was ihr vielleicht an Positivem mitnehmt.

Erster dieser Yogawege ist Jnana Yoga, Yoga des Wissens. Und vorausschicken möchte ich, das ist jetzt ein Yogaweg über den wir an diesem Wochenende etwas weniger sprechen werden. Es ist auch ein faszinierender Weg und er kann in zu großer Gelassenheit führen, aber es ist ein philosophischer Weg, wo man sich fragt: Wer bin ich? Was ist wirklich? Was ist der Sinn des Lebens? Gibt es eine höhere Wirklichkeit? Wenn ja, was ist diese höhere Wirklichkeit? Wenn ja, kann ich sie erfahren? Warum gibt es überhaupt Leiden? Was ist die Welt? Gibt es überhaupt die Welt? Wenn es die Welt gibt, warum gibt es die Welt? Wenn es sie nicht gibt, warum erscheint es so, als ob es sie gibt? Wichtige Fragen, faszinierende Fragen, denen wir nur am Rande ab und zu mal nachgehen werden. Für mich eine Frage, über die ich gerne nachdenke, über die ich gerne spreche und letztlich auch sehr viel aus dieser Geisteshaltung heraus lebe und lehre, deshalb wird es immer auch wieder eine Rolle spielen, aber wir werden uns etwas mehr konzentrieren auf Raja und Hatha und Kundalini Yoga Techniken. Aber ich will zu Anfang ein paar Sachen aus dem Jnana Yoga sagen, was dann bei den anderen Wegen auch eine Rolle spielt.

Vom Jnana Yoga her wäre es jetzt ein ganzer Weg des Nachdenkens und Ergründens und Überlegens und Meditierens. Ich will euch das Ergebnis ein bisschen gekürzt nahebringen. Jnana Yoga sagt: Wir sind nicht der Körper, wir sind nicht die Psyche, wir sind nicht die Persönlichkeit, wir sind nicht das Temperament. Wir sind Bewusstsein, wir sind sogar alle miteinander verbunden. Auf der Bewusstseinsebene sind wir überall verbunden, deshalb streben wir auch alle nach Verbundenheit, nach Liebe, und Einsamkeit ist mit das Schlimmste, was wir haben können. Alleinsein kann gut sein, im Sinne von all eins sein. Wenn man alleine ist, kann man sich mit allen gemeinsam fühlen. Wir wollen irgendwo zusammen sein, wir wollen diese Verbindung spüren und wir sind es tief im Inneren auch. Und wenn wir das wissen, „ich bin und war, werde immer sein“, dieses Bewusstsein haben mit allen verbunden zu sein, dann sind wir ja sofort gelassen. Dann kann mit Körper und Psyche passieren, was will, wir sind immer noch eins. Und des Weiteren behauptet dieses Jnana Yoga: Die Welt, wie wir sie wahrnehmen, ist auch nicht so, wie wir sie wahrnehmen. Sie ist ein Ausdruck einer höheren Wirklichkeit. Sie ist letztlich konstruiert durch unser Wahrnehmungsvermögen. Letztlich ist hinter allem das gleiche Göttliche und das ist auch erfahrbar. Ich sage gerne auch, Jnana Yoga ist eine der besonderen Entspannungsyogas, denn es sagt, wir sind jetzt schon reines Bewusstsein, wir sind jetzt schon vollkommen. Körper und Psyche habe so ihre Macken, wie ihr vermutlich alle wisst und mit denen können wir lernen, geschickt umzugehen, und darum geht es ja nachher auch. Und es ist aber auch ok, wenn Körper und Psyche durch ihre Prozesse gehen und Höhen und Tiefen erleben und mal gesünder und mal kranker sind. Wenn wir tief im Inneren wissen, „ja, ich selbst bin das Unendliche“ und wenn wir wissen, hinter allem steckt das Göttliche, dann ist das Drama auch nicht mehr ganz so tragisch. Bleiben immer noch Fragen: Warum ist dann so viel Leid immer dabei? Da können wir uns aber auch von lösen.

Ein weiterer Yogaweg, den wir jetzt etwas weniger am Wochenende behandeln, obgleich auch er immer wieder eine Rolle spielt, ist der Bhakti Yoga. Bhakti Yoga ist der Yoga der Hingabe und der Gottesverehrung und Gottesliebe. Bhakti Yoga beinhaltet zunächst, dass man ein Vertrauen hat, dass es irgendwo eine höhere Wirklichkeit gibt und dass sie auch eine Rolle spielt und dass diese höhere Wirklichkeit sich manifestiert in meinem Leben. Ich kann zu dieser höheren Wirklichkeit beten, ich kann sie Gott nennen, ich kann sie Göttin nennen, ich kann sie das Göttliche nennen, ich kann sie höhere Wirklichkeit nennen, ich kann sie mir vorstellen oder auch nicht vorstellen. Bhakti Yoga ist religionsübergreifend, man kann sagen, trotzdem irgendwie religiös, weil es sich auf Gott bezieht, aber es ist nicht notwendigerweise verbunden mit einer konkreten religiösen Tradition. Im Bhakti Yoga kann man lernen, eine Beziehung zu diesem Göttlichen aufzubauen. Im Bhakti Yoga kann man lernen, eine Herzensverbindung zu vertiefen. Wir können Praktiken machen, um das mehr zu spüren, mehr zu erfahren und so ein paar kleine Techniken, z.B. Schönheit genießen, Natur erfahren, Herzensliebe spüren. Dazu zählt auch Mantrasingen, was auch eine Weise ist, um Emotionen zu Liebe und Herzensöffnung zu führen, was natürlich auch zu mehr Gelassenheit führt. Also Bhakti Yoga, auch ein Entspannungsyoga, weil wir nämlich davon ausgehen, dass irgendwo hinter allem Gott steckt und dass Gott sich um alles kümmert. Man kann loslassen, weil man weiß, wenn hinter allem Gott steckt, dann wird er sich irgendwas dabei gedacht haben, da müssen wir nicht alles verstehen. Natürlich, beim Bhakti Yoga, muss ich noch dazu sagen, gibt es eben nur die Vorstellung des liebenden Gottes. Im Christentum war ja früher auch mal der strafende Gott populär. Heute auch nicht mehr. Also, ich gehe auch öfters mal in die Kirche, war schon in verschiedenen Kirchen, aber mir Angst einzujagen, hat dort keiner versucht. Wer das letzte Mal vor dreißig Jahren in den Gottesdienst gegangen ist und solche Himmel und Hölle Predigten erlebt hat, das ist heute die absolute Ausnahme. Das mag es auch noch geben, aber es ist die Ausnahme. Und in Indien, da war es immer schon so, dass Gott eher für das Liebevolle zuständig ist, für die schwierigen Dinge, die auch passieren, ist irgendwo das Karma zuständig, aber Gott straft nicht.
Es gibt da so einen Witz. Es gab mal einen Pfarrer, der hatte in seinem Pfarrgarten einen Kirschbaum gehabt und jeden Tag sind da irgendwelche Kinder hingegangen und haben dort Kirschen geklaut. Da hat der Pfarrer dort ein Schild hingestellt und hat gesagt: „Gott sieht alles.“ Am nächsten Tag stand da drunter: „Aber er petzt nicht.“ Auf eine gewisse Weise eine schöne Gottesbeziehung. Was nicht heißt, dass Bhakti Klauen rechtfertigen würde. Nicht, dass ihr das falsch versteht. Also, Hingabe und Gottesliebe, Glaube, Vertrauen kann dort viel helfen für die Gelassenheit. Das wollen wir hier auch nicht vertiefen, sondern mehr im Sinne von Herzensöffnungsübungen im Hier und Jetzt üben, da spielt das Bhakti Yoga eine gewisse Rolle.

Karma Yoga ist der nächste der Yogawege. Karma Yoga beinhaltet vieles. Karma Yoga beinhaltet auch Geschick im Handeln, eine andere Definition der Bhagavad Gita. Die Bhagavad Gita sagt über Yoga: „Yoga karmasukausalam. Yoga ist Geschick im Handeln.“ Karma heißt, geschickt handeln. Karma Yoga heißt auch, engagiert handeln. Man kann auch sagen, Karma Yoga beinhaltet auch, sich zum Wohl einer wichtigen und guten Sache auf gute Weise zu engagieren. Karma Yoga kann auch heißen, sich einen Stuhl zu nehmen, wenn man merkt, man sitzt dort besser. Karma Yoga beinhaltet auch noch etwas, eben das Gesetz des Karmas, das vermutlich die meisten kennen. Karma ist ein komplexes Thema. Für Gelassenheit würde Karma oder das Gesetz des Karmas auch beinhalten, Leben ist eine Schule, Schicksal ist Chance, was auch immer auf einem zukommt, ist dazu da, dass wir daran wachsen können, dass wir daraus lernen können, auf der einen Seite. Also, was auch immer geschieht, es geschieht, dass ich daran wachsen kann, es geschieht, dass ich davon lernen kann. Also, angenommen, ihr seid im Stau steckengeblieben. Man könnte jetzt sagen: „Warum bin ich in den Stau gekommen?“ Dann könnte man sagen: „Damit ich daran lerne, damit ich daran wachse.“ Andere haben sich darauf eingerichtet, dass sie einen schönen Stau haben, sich Zeit nehmen können, vielleicht in Ruhe Mantras hören oder Podcasts hören können und sind einfach durchgekommen, vielleicht so schnell gefahren, dass die Hörsendung gar nicht zu hören war. Warum ist euch das passiert? Um daran zu wachsen, um daran zu lernen. Oder wenn irgendwo ein Zug Verspätung hatte. Kann man auch wieder sagen: Warum ist das passiert? Um daran zu lernen und zu wachsen. Oder angenommen, heute Morgen gab es noch irgendeinen Kunden, der sich über irgendwas überflüssigerweise aufgeregt hat oder noch schlimmer, berechtigterweise aufgeregt hat. Ich weiß nicht, was schlimmer ist, wenn sich jemand berechtigterweise oder unberechtigterweise aufregt. Dann kann man sagen: Warum ist das passiert? Damit man daran wächst. Ich glaube, ihr habt die Botschaft verstanden. Oder angenommen, man verliert den Arbeitsplatz. Warum verliert man den Arbeitsplatz? Um daran zu wachsen. Was das jetzt heißt, warum man daran wächst, das sagt das Karma jetzt nicht. Es kann sein, man hat den Arbeitsplatz verloren, es kann sein, dass man jetzt nochmal sich dagegen wehren kann und nochmal sagen kann: „Das ist doch sicher ein Missverständnis.“ Und manchmal werden ja auch Kündigungen zurückgenommen. Vielleicht manchmal kann man sagen, um Kontakt mit der Arbeitsgerichtsbarkeit aufzunehmen. Vielleicht hat man vorher öfters mal geschimpft über die Arbeitslosen, die faul sind, und jetzt lernt man, wie das ist, sich hundert Mal zu bewerben und keinen Job zu kriegen. Vielleicht ist einfach mal Zeit, sich ein bisschen Pause zu nehmen, sich neu zu orientieren. Vielleicht hat man seit Jahren gedacht, „das ist eh nicht das Richtige“, eigentlich will man selbständiger Yogalehrer werden und jetzt ist der Übergang, man kriegt noch dazu eine Abfindung, ist doch toll, da kann man beruhigt neu anfangen. Vielleicht hat man sich so an den Job verhaftet und hat immer irgendwo gedacht, „da werde ich bis zum Lebensende bleiben“, und jetzt, Firma pleite, man lernt etwas anderes. Was man lernen soll, das ist dabei nicht klar. Aber es ist erst mal diese Grundeinstellung, wir sind da, um daran zu wachsen und zu lernen. Und Karma Yoga sagt aber noch eine zweite Sache, nämlich, wir sind auch da, um etwas zu bewirken – Karma heißt eben auch Handlung – wir haben auch eine Aufgabe in diesem Leben, wir haben eine Mission im Leben und typischerweise nicht nur eine, sondern mehrere, und jeder einzelne hat als Individuum etwas einzubringen in seiner Besonderheit, in seinen besonderen Talenten, Fähigkeiten und auch mit seinen besonderen Fehlern und Unzulänglichkeiten. Das muss man sich auch bewusst machen.
Angenommen, ihr habt jemanden, der ist wirklich in jeder Hinsicht perfekt. Wäre das gut? In jeder Hinsicht perfekt, er macht nie einen Fehler, ist immer nur gut. Vermutlich, ist der Mensch eben nicht so, würde nicht so funktionieren. Und so heißt Menschsein auch, unzulänglich zu sein. Und ihr habt sicherlich schon vieles gelernt von Menschen, die auch unzulänglich waren und man sagt gerne, für unsere Stärken werden wir respektiert, für unsere Schwächen werden wir geliebt. Und da wir auch geliebt werden wollen, ist es wichtig, dass wir auch Schwächen haben. Wenn euch bisher noch keine Schwäche eingefallen ist, dann könnt ihr mal nachdenken. Ich vermute aber, die Mehrheit von euch wird eigene Schwächen durchaus kennen und auch diese sind gut. Das Gesetz des Karmas sagt eben auch, wir haben die Fähigkeiten, die wir brauchen. Das sind die drei Yogawege, die ich jetzt etwas ausführlicher behandelt habe. Die drei anderen Yogawege, da werden wir etwas mehr Zeit damit verbringen.

Raja Yoga ist der psychologische Yogaweg, der Yoga des Geistes. Raja heißt auch wörtlich König. Raja, kann man auch sagen, heißt Herrscher, Raja heißt auch, wir lernen, mit uns selbst geschickt umzugehen, mit den ganzen Fähigkeiten, die in uns sind. Ich werde da auch so ein Modell vorstellen, König und Minister. Da ist irgendwo die Grundannahme, die es im Yoga gibt, Yoga ist insbesondere ja eine so genannte Advaita-Lehre, eine nicht-dualistische Lehre, die eben sagt: Eigentlich gibt es nur Gutes. Es gibt nicht das Böse. Es gibt eigentlich nur Gutes. Es gibt Fehlgeleitetes. Es gibt etwas, das ungeschickt ist. Es gibt auch Unethisches usw. Aber von der Intention ist in jedem Menschen tief im Inneren nur Gutes. Das, was im tiefen Inneren nur Gutes ist, kann sich aber sehr negativ, schlecht, schlimm, verbrecherisch auswirken. Vermutlich nicht bei euch, hoffentlich seid ihr bisher auch nicht mit verbrecherischen Eigenschaften von anderen in Kontakt gekommen, aber so selten ist das auch wiederum nicht. Aber in sich selbst kann man zunächst mal davon ausgehen: „Alles in mir ist irgendwo gut.“ Wir können letztlich sagen, wir haben verschiedene Minister in uns, die alles gut meinen. Wenn die nicht beachtet werden, dann melden die sich etwas vehementer. Wenn einer davon zum Diktator wird, dann kann er viele Probleme schaffen. Wenn wir aber lernen, praktisch uns als Führungspersönlichkeit, als König zu etablieren, da können wir lernen, mit den verschiedenen Eigenschaften gut umzugehen. Und da werdet ihr plötzlich merken, dass Ärger und Angst gar nicht so tragisch sind, wie man das erst mal denkt, sondern Ausdruck sind von guten Ministern oder Sevakas oder Familienmitgliedern, inneren Anteilen, die wir in uns haben, und man kann lernen, damit geschickt umzugehen. Beim Raja Yoga gehört auch noch etwas dazu, im Sinne von erkennen: „Wie bin ich von meinem Temperament her?“
Denn angenommen, ihr seid von eurem Temperament, vom Ayurveda könnte man sagen, ein Pitta-Typ, und dann wird es halt öfters passieren, dass ihr euch mal ärgert und aufregt. Und wenn ihr jetzt die Vorstellung habt, obwohl ihr vom Naturell her eine cholerische Persönlichkeit seid, dass ihr dann trotzdem immer gleichmütig und ruhig seid, dann verliert ihr viel Energie und Zeit und vielleicht sogar die Fähigkeit, viel zu bewirken. Ihr könnt besser schauen: „Wie kann ich mit meinem etwas cholerischerem Temperament umgehen, dass es vielleicht gut einsetzbar ist und dass ich nicht anderen schade und mir selbst? Wie kann ich das umsetzen?“ Wenn ihr eher ein zyklothymes Temperament habt, himmelhoch jauchzend und dann zu Tode betrübt – vielleicht haben das die ein oder anderen von euch – und jetzt hofft, dass ihr ein ruhiger und gelassener Mensch werdet, vielleicht mit sehr viel Aufwand, über zehn Inkarnationen, kriegt ihr das hin.
Aber die Frage wäre, warum wollt ihr das hinkriegen? Wir finden große selbstverwirklichte Meister, die ein solches Temperament hatten und das eben, man kann sagen, spirituell gelebt haben, und dann war himmelhoch jauchzend Hochenergiephase und Lehrphase und viel Bewirken-Phase und aus Zu-Tode-Betrübt wurde eher eine Zurückgezogenheits-Phase, eine ruhigere Phase, eine etwas introvertiertere Phase. Und wenn ihr also zu den himmelhoch jauchzend – zu Tode betrübt Zyklothymen gehört, dann gleich schon zu Anfang die Empfehlung, versucht nicht, gelassen zu werden im Sinne von stets gleiches Energieniveau zu entwickeln. Sehr viel Energie wird verschwendet, so etwas zu erreichen. Besser ist zu lernen, geschickt damit umzugehen. Lernt mit der enthusiastischen Phase geschickt umzugehen und die Niedrigenergiephase so zu gestalten, dass ihr nicht zu Tode betrübt seid, sondern sie zum Regenerieren zu akzeptieren, so wie Sommer und Winter ist. Es gibt Klimazonen in dieser Welt, die immer gleich sind. Z.B. auf den Kanaren ändert sich nicht allzu viel im Sommer und Winter und sie gelten als Inseln des ewigen Frühlings, aber angenommen, ihr wollt jetzt hier diese Region zum ewigen Frühling machen, funktioniert das nicht ganz. Aber man kann sehr wohl lernen, im Winter und im Sommer gut zu leben und das hat auch seine Schönheit und seinen Charme. Ähnlich gibt es Vata-Temperament und Kapha-Temperament und es gibt melancholisches Temperament, das gehört auch zum Raja Yoga dazu, Temperamentakzeptanz bei der eigenen Person und auch Temperamentakzeptanz der anderen. Also, ein spannendes Gebiet, und viele praktische Tipps, um damit umzugehen. Kundalini Yoga ist Yoga der Energie.

Kundalini Yoga sagt: Der Gemütszustand hängt mit dem Energiezustand zusammen und manchmal ist es viel leichter, an seinem Energiezustand zu arbeiten als an seiner Psyche. Und wenn wir grundsätzlich darauf achten, dass wir eine insgesamt hohe Energie haben und insgesamt eine ruhige Energie, dann mag es sein, dass wir auch ein Temperament haben, aber wir haben eine Grundgelassenheit allein vom Energiezustand. Und wenn man merkt, dass die Energien unruhig werden, können wir lernen, die Energie wieder ruhiger werden zu lassen. Und wenn man merkt, das Energieniveau sinkt und das kann dann je nach Temperament in depressive Gemütszustände führen, es kann zu Angstzuständen führen, es kann zu leichter Reizbarkeit führen, dann sollte man Energiepraktiken üben, um mehr Energie zu haben, und dann wird alles wieder besser. Da gibt es auch verschiedene Übungen, zum Beispiel ein Energiefeld zu schaffen. Es gibt dann auch insbesondere Hatha Yoga Übungen, die man nutzen kann für die Energien. Und natürlich, Hatha Yoga heißt auch, mittels Körperübungen auch an seinem Geist zu arbeiten. Körper und Psyche gehören zusammen oder die Psyche wirkt sich auf den Körper aus, umgekehrt, über den Körper kann man auf die Psyche einwirken. Und da werdet ihr eine Menge Anregungen bekommen, sowohl Praktiken, die ihr in einer Yogasitzung üben könnt, wie auch eine ganze Menge von Atemübungen und Körpertechniken und Augentechniken, die ihr auch zwischendurch am Tag üben könnt. Das sind also die Dinge, die euch erwarten werden.

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