Der weltfremde Yogi? Über die Kunst, mit sich selbst zu sein

Sind spirituelle Menschen wirklich kritisch, karg und kontaktscheu? Saraswati Devi räumt mit gängigen Klischees auf und zeigt, welche Vorteile ein introvertierter Geist auf dem spirituellen Weg haben kann.

Göttin der Wünsche: Eine Begegnung im Schweigesaal

Plötzlich saß sie mir im Schweigesaal gegenüber, grinste mich an und aß ihren Brei. Minuten zuvor hatte sie mich noch am Buffet abgewiesen. Ich war irritiert. „Wir hätten auch zusammen essen gehen können“, schoss es mir durch den Kopf. War sie wirklich lieber mit sich selbst?

Ihr Name war Kameshavari, die Göttin der Wünsche. Offensichtlich hatte sie sich gewünscht, mir zu zeigen, dass sie gerne in Stille isst. Soziale Kontakte – wer braucht sie schon?

Ich erinnerte mich an sie als lebensfrohe, gesellige Person, jemanden, die mich aus meiner Reserve locken konnte und mit der es Spaß machte, sich in Gruppen zu begeben und mehr von sich preiszugeben.

Es ist schon seltsam: In unserer von Verlangen und Leistungsdenken geprägten Gesellschaft würde man niemals einen Job bekommen, wenn man sich als introvertierte Person outet.

In einer yogischen Ashramgemeinschaft ist es genau umgekehrt: viele Menschen wollen zeigen, wie sehr sie der Welt entsagt haben, und treten bewusst wortkarg und kontaktscheu auf.

Ein Geist, der gerne mit sich selbst ist

Beim Abendessen saß ich mit meiner guten Freundin Saraswati Devi zusammen, einer Vedanta-Lehrerin. Als ich ihr von meiner morgendlichen Begegnung mit Kameshvari erzählte, musste sie laut lachen.

“Die Menschen sind sich nicht bewusst, wie pseudo-spirituell ihr Verhalten ist, wenn sie versuchen, einem vermeintlichen Ideal gerecht zu werden”, sagte sie schmunzelnd.

“Saraswati, bitte kläre mich auf”, bat ich sie. “Muss man als spiritueller Mensch die Gesellschaft meiden? Ist ein zurückgezogenes Leben notwendig?”

“Es stimmt, dass ein Geist, der gerne mit sich selbst ist und Ruhe genießt, eine wichtige Eigenschaft für ein kontemplatives Leben ist. Wenn man ständig vor sich selbst flieht, mit Unterhaltung, Ablenkungen und elektronischen Geräten, wie kann man dann erkennen, dass man selbst die Quelle aller Freuden ist?”, erklärte sie.

Ich versuchte innerlich meinen Wunsch nach Vergnügen mit meiner spirituellen Sehnsucht in Einklang zu bringen. “Ich mag Menschen wirklich gerne und genieße alle Arten von gemeinsamen Albernheiten, Unsinn und Schwurbelei. Gibt es dafür keinen Platz im Vedanta?”

Humor – das 4. Guna

Wieder erfüllte ihr herzhaftes, lautes Lachen den ganzen Saal. “Vedanta ist die Wahrheit von Allem. Es steht nicht im Gegensatz zu irgendetwas. Humor wird manchmal als das 4. Guna bezeichnet und ist eine grundlegende Voraussetzung für ein erfülltes Leben.

Letztendlich geht es darum, das Leben zu genießen und einfach nur glücklich mit sich selbst zu sein. Ishvara ist es egal, wie wir dorthin kommen.”

“Warum wird ein introvertierter Geist dennoch als vorteilhaft für ein spirituelles Leben angesehen?” Ich hatte die beiden Pole noch nicht miteinander vereint.

“Manchmal hört und sieht man Menschen, die recht verlegen kurz pfeifen, summen oder singen. Eigentlich wollen sie dabei nur einem unangenehmen Gedanken entkommen. Es ist nicht das Lied einer glücklichen Person, sondern ein Ausdruck der Flucht.”

“Eine ruhige, einfache Person, die es genießen kann, mit sich selbst zu sein, kann kontemplativ sein und Selbsterkenntnis anstreben.”

Als ich Saraswati lauschte, löste sich etwas in mir und Akzeptanz machte sich breit: Die unterhaltsame Pseudo-Spiritualität, die spirituelle Unterhaltung und mein Wunsch nach Gesellschaft oder Alleinsein – für alles gab es seine Zeit und seinen Ort.


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