Von Kriya Yoga und alten Sprichwörtern

Kriya Yoga ist ein Weg mit Schwierigkeiten im Leben umzugehen

Viele der Yoga-Ideen haben wir schon lange in unserem Denksystem. Die Bedeutung dahinter ist uns oft schon bekannt, nur nutzten die Yogis andere Worte. Sie eröffnen uns eine neue Perspektive auf alte Probleme und damit auch neue Lösungen. Ein Teil des Kriya Yoga wirft ein neues Licht auf das alte Sprichwort „Lieber Gott, gib mir den Mut und die Kraft, die Dinge zu verändern, die ich ändern kann. Gib mir die Geduld, Dinge anzunehmen, die ich nicht ändern kann und die Weisheit, zwischen beiden zu unterscheiden.“

Fangen wir bei der Übersetzung aus dem Sanskrit an: Das Wort Kriya kommt von dem Wortstamm “Kri” und das heißt so viel wie Tat, tun oder Handeln. Es geht also immer um das aktive Handeln. Kriya Yoga ist kein eigener Weg, sondern Teil eines jeden Weges. Sobald etwas ausgeführt, geübt oder anders gehandelt wird, üben wir Kriya Yoga. Im Yoga Sutra von Patanjali geht es im zweiten Teil genau um dieses Handeln. Sukadev hat in seinem Buch „Die Yogaweisheit des Patanjali für Menschen von heute“ aufgeschlüsselt, welche drei Aspekte hinter dem „Handeln“ stecken. Wer schon einmal was von den Niyamas gehört hat, der kennt die drei Handlungen. Es geht um Disziplin, Hingabe und Selbststudium.

Lieber Gott, gibt mir den Mut und die Kraft, die Dinge zu verändern, die ich ändern kann

Der erste Teil unseres bekannten Sprichworts wird auf Sanskrit zusammengefasst unter „Tapas“. Tapas heißt Askese, Disziplin oder spirituelle Praxis im Kriya Yoga. Gemeint ist damit, Dinge zu tun, die man nicht tun möchte.

Wir holen etwas weiter aus. Das Ziel von solchen Handlungen ist es, frei von Anhaftungen zu sein. Durch das bewusste ausüben von unschönen Dingen, werden wir nach Patanjali frei von mögen und nichtmögen. Das wiederum ist wichtig, um kein Karma aufzubauen. In Kapitel 2 Vers 7 heißt es, dass mögen das ist, was am Vergnügen haftet. Einen Vers später kommt direkt das Gegenteil: Abneigung ist das, was am Schmerz haftet.

Kriya Yoga hilft, Unlust los zu werden

Wenn wir eine bestimmte Einstellung zu unseren Handlungen haben, dann hängen wir an ihnen. Macht uns etwas besonders viel Spaß, wollen wir eventuell, dass es gut wird. Noch deutlicher wird es bei einer Abneigung. Ist etwas wirklich furchtbar für uns, dann können wir dabei nicht glücklich sein. Unser eigenes Empfinden hängt in dem Fall von der Außenwelt ab. Wir ruhen nicht in uns, sondern stecken in Gedanken in einer Handlung fest. Es fällt uns dann auch viel schwieriger, im hier und jetzt zu sein.

Wir brauchen also den Mut und die Kraft Dinge zu tun, die wir nicht mögen. Aber das heißt nicht, dass wir sofort zum Bungeejumping aufbrechen sollten. Es gibt durchaus sinnvolle Dinge, die wir nicht mögen. Ist etwas wirklich gefährlich, ungesund oder, um im Yogi Vokabular zu bleiben, nicht sattwig, sollten wir das natürlich nicht versuchen. Aus einer Kloschüssel zu trinken ist sicher genauso ungesund wie sich ein heißes Bügeleisen auf den Arm zu legen. Davor haben wir begründeter Weise eine Abneigung. Es geht vielmehr um die notwendigen oder nicht gefährlichen Dinge wie Klo putzen und Bügeln.

Gib mir die Geduld, Dinge anzunehmen, die ich nicht ändern kann

Manchmal ist das mit dem Einstellung-Ändern gar nicht so leicht. Sich darüber zu ärgern ist allerdings auch keine Lösung. Ein Beispiel könnte eine Infusion sein. Es ist nicht sinnvoll seine Abneigung gegenüber piksenden Schmerzen abzulegen, aber trotzdem ist es manchmal notwendig, eine Spritze zu bekommen. In diesem Fall brauchen wir Geduld, die Dinge anzunehmen, die wir nicht ändern können. Wir geben uns der Situation hin. Wir üben uns in Bhakti, der Hingabe. Dieser spezielle Teil heißt auf Sanskrit im Kriya Yoga Ishvara Pranidhana. Es bedeutet so viel wie: „Es ist der Wille Gottes. Dein Wille geschehe“.

Das Loslassen ist für viele von uns oft der schwierigste Teil. Wir empfinden uns als machtlos oder schutzlos, wenn wir eingestehen, dass wir etwas nicht kontrollieren können. Das steht allerdings nicht hinter der Yogi-Sichtweise. Es ist dieselbe Handlung, aber in einer anderen Geschmacksrichtung. Anstatt sich trotzig zurückzuziehen und Gleichgültigkeit auszubauen, üben wir uns in Gleichmut und sind immer noch aktiv dabei. Wir wollen nicht einfach etwas „Negatives“ ignorieren. Ganz im Gegenteil. Wir ermächtigen uns unserer Selbst und lassen auf unseren eigenen Wunsch hin los, in dem Wissen, dass es okay ist, genauso wie es ist.

Aktzeptanz ist ein wichtiger Schritt, um im Leben Frieden zu finden

Wir können mit dieser Einstellung endlich aufhören zu rebellieren. Wer an Gott glaubt, hat es etwas leichter. Im Yoga glauben wir, dass alles irgendwie von Gott gelenkt wird. Aus jeder Situation heraus, können wir genau das mitnehmen, was wir jetzt grade brauchen. Sei es zum Karma auflösen, Lektion lernen oder etwas üben. Es kann nichts geschehen, was nicht in unser Leben passt. Dann gehen wir einen Schritt weiter: Alles, was wir tun, opfern wir Gott. So lassen wir nicht nur die Situation, sondern auch noch unser Ego los. Es gibt keinen Grund mehr, sich zu ärgern, denn wir handeln nach bestem Wissen und Gewissen und haften nicht an den Resultaten unserer Handlungen.

Die Weisheit, zwischen beiden zu unterscheiden

Svadhyaya heißt Selbststudium oder Selbsterforschung. Es ist der letzte Teil von Kriya Yoga und gibt uns eine wichtige Fähigkeit an die Hand im Umgang mit der Welt. Wenn wir wissen, warum uns etwas so sehr stört, können wir besser entscheiden, ob wir es ändern oder nicht. Allein zu wissen, dass man genervt ist, weil man selbst schon einmal Zeit damit verschwendet hat, hilft mehr Verständnis aufzubauen. Das Übel bei der Wurzel zu packen, ist der erste Schritt zur Besserung. Wir suchen also nicht im Außen nach den Ursachen für unser Leid, sondern fragen uns selbst, warum wir mit etwas in Resonanz sind.

Erkennen wir dann beispielsweise, dass wir wütend sind, weil wir selbst dieses und jenes gerne machen würden, können wir über uns selbst schmunzeln, überlegen, ob wir wirklich so sein wollen, und dann entscheiden sie Situation zu akzeptieren oder unsere Einstellung zu ändern. Obwohl dieser Teil des Spruches als letztes kommt, sollte er also eigentlich an erster Stelle stehen. Zunächst versuchen wir ein Problem, ein Unwohlsein oder einen Konflikt zu verstehen, die Ursache herauszufinden und anschließend erst etwas zu ändern (Tapas) oder zu akzeptieren (Ishvara Pranidhana).

Unterscheidungsvermögen hilft dabei, im Leben loszulassen

Diese Unterscheidungskraft ist gar nicht so einfach zu erlernen. Swami Chidananda hat einmal ganz praktisch formuliert, wie wir damit umgehen sollen. Sukadev fragte ihn, wie man erkennen kann, ob man die Situation ändern kann oder ob man sie annehmen muss. Er antwortete, man müsse zuerst einmal versuchen, sie zu ändern. Wenn mehrere Versuche die Situation zu ändern nicht funktionieren, dann ist es ein Zeichen, dass wir uns in Hingabe üben müssen (Bretz, 2014, Seite 97). Es steht also im Vordergrund, dass wir uns weiterentwickeln. Zuerst wollen wir uns ständig selbst verbessern, näher zu unserem wahren ich kommen und das Göttliche in uns stärken. Dann kommt die Hingabe.

Kriya Yoga gegen Leiden

Durch diese drei Prinzipien können wir allen Problemen der Welt begegnen. Zuerst versuchen wir die Ursache zu finden durch Selbststudium. Warum fühlst du dich in einer Situation auf eine bestimmte Weise. Dann können wir sie entweder mit Tapas ändern oder durch Hingabe die Situation loslassen und annehmen, wie sie ist. Die drei Teile des Kriya Yoga Tapas, Ishvara Pranidhana und Selbststudium helfen uns also mit Leiden umzugehen und es loszulassen. In alten Sprüchen steckt oft mehr, als wir denken. Spannend ist auch, dass diese Weisheit aus so unterschiedlichen Enden der Welt kommt. Gut, dass wir im Yoga die passenden Wörter haben, um zu verstehen, zu lernen und umzusetzen.

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