Carpe diem – Einen ganzen Tag lang mache ich im Ashram alles mit, was geht

Meistens ist es gut, einfach so ganz der Nase nach zu gehen, denn eigentlich weiß man ja, was man braucht. Heute ist das aber mal anders. Heute will ich mal den ganzen Tag im Ashram unterwegs sein und so viele Sachen vom Programm mitmachen, wie möglich.

5:00 Homa

Pünktlich um 4:45 geht der Wecker, und ich will am liebsten umdrehen und noch ein wenig weiterschlafen. Na ja, ist ja derzeit sowieso ständig dunkel, ob ich jetzt um kurz vor 5 oder 7 aufstehe, also schäle ich mich aus dem Bett. Für große Vorbereitungen sind keine Zeit, nur Zähne putzen, anziehen und Haare kämmen, Wasserflasche einpacken und auf zur Homa.

Verschlafen trotte ich die Treppe runter, hinab in die Tiefen von Yoga Vidya. Wer sich auskennt, weiß das im Kellergeschoss der Chakrapyramide jeden Tag ein Feuerritual abgehalten wird. Das es pünktlich um 5 Uhr startet erklärt auch, warum ich noch nie da war, ich bin eher eine Eule.

Und da bin ich dann auch schon, leise öffne ich die Tür und die Pujari begrüßt mich, also die Sevaka, welche die Homa abhält. Tapfer nicke ich zurück und suche mir einen freien Platz unter Gleichgesinnten, die sich ebenfalls aus dem Bett gekämpft haben. Einfach schon hier zu sein fühlt sich wie ein kleiner Erfolg an.

Plötzlich entflammt das kleine Becken an der Spitze des Raums und die Homa geht los. Feuer ist das zentrale Element dieses Hindu Rituals. Dabei spricht die Pujari unterschiedliche Rezitationen und erbittet bei den Göttern Schutz und Segen. Homa Begeisterte hatten mir im Vorfeld berichtet, dass die Kraft des Feuers besonders stark ist, um Altes loszulassen, ja buchstäblich zu verbrennen.

Gedanklich wandere ich zu dem Schmerz in meinen Herzen und konzentriere mich ganz auf das Feuer, und versuche loszulassen. Schnell finde ich meinen wunden Punkt und Wut flammt auf, also probiere ich, den Rezitationen zu folgen und das macht alles tatsächlich einfacher, meditativ getragen.

So schnell wie es losging ist es auch wieder vorbei und ich fühle mich leicht und beschwingt und tatsächlich kein bisschen wütend (und noch dazu nicht mal ein kleines bisschen angesengt).

6:00 Pranayama

Die Homa hat mir schon so einen kleinen Kick gegeben, aber richtig wach bin ich nicht. Praktischerweise steht jetzt Pranayama auf dem offenen Plan, gleich ein Stockwerk weiter oben im großen Sivananda Saal.

Yoga Atemübungen können super entspannen, aber auch unheimlich wach machen. Das fortgeschrittene Pranayama in Bad Meinberg fällt eher in letztere Kategorie. Trotz der unchristlichen Zeit, haben sich bereits einige Lerchen-Yogis eingefunden.

Also setze ich mich auf den Boden und freue mich gleich, denn der Boden ist durch die Fußbodenheizung schön vorgewärmt. Einige Runden Kapalabhati später ist mir dann allerdings richtig heiß, also muss der Pulli weg.

Man müsste meinen, dass die anschließend 20 Runden Wechselatmung mich wieder abkühlen, aber das Gegenteil scheint der Fall zu sein. Ich bin ein warmer Ball aus Energie. Allerdings wird mir auch etwas übel, also entkoppele ich mich vom vorgegebenen Rhythmus und atme in kürzeren Intervallen für mich weiter.

Wenn man nicht so regelmäßig fortgeschritten übt ist es grundsätzlich sinnvoll, sich langsam ranzutasten, und sanfter zu üben, sollten sich Übelkeit oder Kreislaufproblemen einstellen.

Die Stunde schließt mit Bhastrika und da mein Körper heute anscheinend langsam machen will, atme ich einfach weiter die Wechselatmung. Dann Schulterstand, aber heute mal unterstützt, mit einem dicken Kissen unter meinem Becken. Herrlich!

7:00 Satsang

Zu lange will ich dann aber doch nicht in der Umkehrposition verweilen, denn nach und nach trotten schon die ersten Satsangbesucher in den Saal. Zeit genug, mich gekonnt abzurollen, meinen Platz zu sichern und draußen noch einen kleinen Morgentee zu schlürfen.

Dort treffe ich auch schon die ersten Bekannten. Wir nicken und winken uns zu und lassen den jeweils anderen in der Ruhe allein. Punkt 7 startet dann die stille Meditation, das ist mir nur recht, nachdem ich meinen Kopf vorher so schön hübsch leer geräumt habe.

Anschließend versinke ich 20 angenehme Minuten in der Tiefe, bis uns ein Om zurückholt und uns zum Mantra-Singen einlädt. Es ist ein typischer Satsang Morgen mit eher langsamen, gemütlichen Mantras, genau richtig um langsam in den Tag zu starten.

Der Vortrag fällt etwas knapp aus, es ist aber ganz angenehm, so früh am Morgen nicht gleich so viel Input zu bekommen. Seinen krönenden Abschluss findet der Satsang dann ganz klassisch mit Om Tryambakam, den Tvam Eva Mata und einem Arati. Symbolisch fange ich das Licht ein und streife es über meinen Körper.

8:00 Naturspaziergang

Das ich seit kurz vor 5 wach bin und mich trotzdem noch kaum bewegt habe, macht sich langsam in meiner Stimmung bemerkbar. Da ja später um 9 sowieso Yoga ist, spare ich mir die Mini Yogastunde am Morgen und schließe mich stattdessen dem Spaziergang am Infopoint an.

Leicht, achtsam und locker bewegen wir uns gen Silvaticum hinein ins Grüne, den Hügel hoch. Die meisten schweigen und genießen die Ruhe. Auch mir ist nicht nach Gesprächen zumute und ich konzentriere mich auf meinen Atem und versuche meine Schritte mit dem Atem zu takten. 4 Schritte einatmen und 4 Schritte ausatmen.

Nachdem ich anfangs noch etwas herumstolpere, hab ich bald meinen Rhythmus raus, und setze achtsam Schritt um Schritt, werde mit jedem Atemzug wacher.

9:15 Yogastunde

Erfrischt kehren wir gegen 9 zum Campus zurück und ich trenne mich beim Café Maya von der Gruppe, um zur Yogastunde zu gehen. Weil ich morgens noch zu benebelt war mir die richtige Stunde auszusuchen, studiere ich nochmal den Plan und entscheide mich dann für eine klassische Mittelstufe.

Zwar isst man vor dem Yoga nichts, aber für den Blutzucker schnappe ich mir noch eine halbe Banane, damit ich nicht ganz in den Seilen hänge. Die Stunde hält das, was sie verspricht und führt mich achtsam und liebevoll durch die gute alte Yoga Vidya Grundreihe.

Da ich in meiner eigenen Praxis inzwischen andere Schwerpunkte setze, hat der altbekannte Ablauf etwas Tröstliches: Shavasana, Pranayama, Sonnengrüße, Bauchmuskelübung, Kopfstand, Schulterstand, Pflug, Fisch, Vorwärtsbeuge, Kobra, Heuschrecke, Bogen, Drehsitz, Krähe, stehende Vorwärtsbeuge, Trikonasana und schließlich wieder Shavasana. So einfach, so wirkungsvoll.

11:15 Brunch

Das Om des Yogalehrers wird meinerseits sofort mit einem Magenknurren quittiert, ganz so, als wäre ich gerade mit einem Glöckchen zum Essen gerufen worden. So ein halbes Banänchen hält eben nicht lange vor, also versuche ich möglichst achtsam alles zu verräumen und mache mich dann schnurstracks auf dem Weg zum Buffet.

Dort einmal angekommen, zeigt sich dann, wie sehr die Yogini Tapas verinnerlicht hat: Kann ich noch ruhig und diszipliniert agieren, auch wenn mir der Magen in den Kniekehlen hängt? Mich geduldig anstellen? Mal einige Augenblicke warten, falls die Portion Reis alle ist und Neues nachgereicht wird?

Da die Verdauungskraft mittags grundsätzlich am Stärksten ist, schaufel ich mir eine große Menge Salat auf den Teller, hübsch drapiert mit dem guten Tahin-Dressing und Sesamsamen. Dazu eine schöne Portion warmes Curry, denn für mich als Vata Typen muss schon immer etwas Warmes dabei sein.

Inzwischen recht munter, setze ich mich heute mal in einen der großen Speisesäle zu einer Gruppe und quatsche mich fest. Da die Zeit nicht drängt, pilgern wir anschließend zum Café Maya. Damit ich die achtsame Ruhe nicht verliere, in der ich schwelge, hole ich mir einen koffeinfreien Kaffee.

12:45 Themenwoche Yin Yoga und Klänge

Kurz vor halb eins seile ich mich dann ab, um die Themenwoche zu besuchen. Dieses besondere Seminar ist grundsätzlich für alle Gäste des Hauses offen, man muss sich also nicht extra anmelden, sondern kann frei entscheiden, ob man hingehen möchte oder nicht.

Dabei wechseln die Themen wöchentlich: Mal ist es Fasten, dann wieder Hatha Yoga, Tanz, Mantra Singen oder Mediation. Es kann sogar vorkommen, das mehrere Themenwochen gleichzeitig laufen, dieses mal sogar drei Stück auf einmal (hier kannst du übrigens checken, welche Themenwochen bald stattfinden).

Bhagavad Gita ist heute nicht so meins, auch nicht der Kurs im Wundern, also besuche ich “Tiefenentspannung mit Yin Yoga und Klängen” – so kurz nach dem Essen ist mir nämlich nach Ruhe und sanften Bewegungen.

Angefangen mit Shavasana, leitet uns die Yogalehrerin nach und nach in sanfte Yin Yoga Asanas, die kaum Anstrengung erfordern. Wo es doch mal unbequem wird, kann man sich sofort mit einem weichen Kissen helfen. Die Ansagen sind wunderbar reduziert, die Klänge fast wie ein Hands-on, weil ich mich so noch besser in die Positionen hineinentspannen kann.

Jetzt ist es viertel vor 2, und da bis zu Beginn der Nachmittagspraxis noch Zeit ist, nutze ich sie, um duschen zu gehen. Mehr als eine Katzenwäsche war heute morgen einfach nicht drin. Anschließend setze ich mich mit einem Buch wieder gemütlich ins Café Maya.

16:15 Nachmittagsmeditationen im Rajarajeshwari Tempelraum

Da mir eine Yogastunde gereicht hat, ich meinen Tag aber auch gut nutzen will, beschließe ich spontan mal zu den Nachmittagsmeditationen im Tempelraum zu gehen, da war ich nämlich noch nie.

Der Rajarajeshwari Tempelraum ist ganz oben im Mahameru. Als ich dort ankomme, ist es bereits angenehm still und ich hab noch Zeit, also richte ich mich ganz in Ruhe ein und nehme lieber zwei Kissen, denn ich hab vor, alle drei Einheiten hintereinander zu machen. Dazu nehme ich außerdem eine Decke, denn es ist immer noch recht kühl und langes Sitzen macht einen auch nicht gerade wärmer.

Nachmittags werden hier oben jeweils 3 geführte Meditationen für jeweils 25 Minuten angeboten. Nacheinander werden wir durch eine Eigenschaftsmediation für mehr Gelassenheit, eine Elemente Meditation und Kundalini Meditation geleitet.

Dabei fällt es mir besonders einfach, mich zu konzentrieren, denn die Stimme des Yogalehrers ist wie ein Hilfsmittel, an dem sich meine Konzentration entlanghangeln kann. Wer nicht so regelmäßig meditiert, hat es bei angeleiteten Meditationen deutlich einfacher.

Da ich keine Mammutsitzungen gewohnt bin, nutze ich die jeweils 10 min Pausen zwischen den Mediationen, um mich aufzulockern, und mache ein paar Katze/Kuh Bewegungen, den Drehsitz und auch ein paar Hüftöffner, um wieder geschmeidig zu werden. Natürlich alles ganz langsam und leise, um die anderen Yogis nicht zu stören.

18:00 Abendessen

Abendessenzeit kommt dann wieder schneller als gedacht. Nach der ausgedehnten Meditationspraxis fühle ich mich richtig beseelt und stelle erleichtert fest, das der Andrang am Buffet noch nicht so groß ist, weil die Yogastunden erst in Kürze enden.

Soll mir nur recht sein, denn mir ist richtig nach Ruhe. Ich entscheide mich für eine schöne warme Suppe, guten Reis und ein bisschen Dampfgemüse. Auch die Verdauung will gelegentlich entlastet werden.

Um meinen Geist auch etwas Pause zu gönnen, setze ich mich in den Schweigespeisesaal, wo noch nicht viel los ist und die einzigen Geräusche das beständig löffelnde, schneidende und gabelnde Besteck ist.

19:00 – 21:30 Kunstkurs

Da mir dann doch Satsang zweimal am Tag zu viel ist, dachte ich, dass ich noch einen kleinen Abstecher zum offenen Programm wage, und da kommt mir der Kreativ Workshop genau recht. Dazu hat die Kursleiterin ein große Aufgebot an Stiften, Farben, Scheren, Kleber etc. mitgebracht, zum wild rumbasteln ganz nach eigenem Gusto.

Nach einer kurzen Mini-Blockade verlege ich mich darauf, ganz meditativ Myriaden kleiner Blumen auf das Papier zu bringen und mit den Teilnehmern gemütlich bei einem Tee zu quatschen. Die ganzen zweieinhalb Stunden bastle ich allerdings nicht durch, denn so langsam aber sicher werde ich richtig schön müde.

Gute Nacht!

Also verabschiede ich mich zeitig und vorbei ist mein vollgepackter Ashram Tag. Die anschließende Nacht träume ich wirr und bunt, anscheinend hatte ich eine Menge Erlebnisse zu verarbeiten. Weil so viel passiert ist, hatte ich den Eindruck, der Tag ging ewig. Auch mal schön, denn viel zu oft sind meine Tage so schnell vorbei.

Ein großes Plus war für mich das abwechslungsreiche Programm, denn allzu viel Kontinuität entspricht nicht wirklich meinem Typ.

Den Tag so rigoros durchzustrukturieren hat mir einiges an Tapas abverlangt, da ich eher Fan von einen möglichst freien Tagesverlauf bin und regelmäßigen kleinen Einheiten spiritueller Praxis. Dennoch werde ich jetzt mal öfter einen intensiven Praxistag einlegen (vielleicht einmal im Monat?), denn den ganzen Tag hat mich eine sehr geerdete Ruhe begleitet.

Und das Schöne ist ja im Ashram: Alles kann, nichts muss. Du kannst einen intensiven Ashram Tag erleben wie ich, deine Praxis auf den Vormittag oder Nachmittag konzentrieren, oder vielleicht nur in eine einzige Yogastunde gehen und den Rest des Tages auf dich zukommen lassen.


Manchmal passiert an einem Tag Ashram gefühlt so viel, wie in einer Woche. Wenn dich die Sehnsucht packt, freuen wir uns sehr, dir in Bad Meinberg, Westerwald, Nordsee und Allgäu eine kleine spirituelle Auszeit zu schaffen.

4 Kommentare zu “Carpe diem – Einen ganzen Tag lang mache ich im Ashram alles mit, was geht

  1. Diana SLeo

    Danke für diesen kurzweiligen, humorvollen Beitrag. Gemütlich am Kamin sitzend, las ich den Text meiner Freundin vor und wir haben einige Male gelacht. Da wir den Ashram kennen, entstanden sofort Bilder in unseren Köpfen. Seid längerem überlege ich, ob ich mal wieder in einen der Yoga Vidya Ashrams fahren soll…🤔. Jetzt ist alles klar – ich muss fahren und das möglichst bald.
    Om Shanti, alles Liebe
    Diana🙏

    • Ja, in gewisser Weise ist das eine Geschichte von uns allen. Typisch Ashram 🙂 Om tryambakam, wir freuen uns auf deinen Besuch!

  2. Vielen lieben Dank für deine schöne Erfahrung.
    Ich war auch schon dort im Ashram und habe s ähnlich empfunden.
    Deine humorvolle und ehrliche Art zu schreiben ist erfrischend.
    Du hast es konstruktiv formuliert und Lust darauf gemacht.
    Der Ashram ist ein wunderbarer Ort und die Praxis zu vertiefen und neue Wege auszuprobieren.
    Om Shanti und alles Liebe.
    Namaste 😇🤗🌸🌺
    Claudia

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      Ohh liebe Claudia, ganz großen Dank für das schöne Lob 😍 Mögest du noch viele wunderbare Erfahrungen im Ashram haben 💖✨

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