Selbstreflexion mit Hatha Yoga

Werde gedanklich zum (herabschauenden) Hund! In der Selbstreflexion mit Hatha Yoga wirst du in den Asanas mit Fragestellungen zu deinem Selbst konfrontiert. Mithilfe dieser Identifikationsmethode verknüpfst du deine Empfindungen in der Asana mit allen durch die Frage nach oben kommenden Assoziationen. Wie fühlst du dich als Hund? Freundlich und sanft? Oder doch stark und durchsetzungsfähig?

So hast du nicht nur eine Menge Spaß, sondern kommst ganz nebenbei auch noch zu tiefen Einsichten über dein Selbst. Dies ist ein persönlicher Erfahrungsbericht aus der letzten Seminarwoche der psychologischen Yogatherapie. Die individuellen Erfahrungen können bei den Yogastunden ganz unterschiedlich ausfallen.

Lass dich von deinen Gefühlen leiten: Selbstreflexion in den Asanas

Wie fühlst du dich als Fisch: Offen und weit, oder eingeengt und gegängelt? Bist du Einzelgänger, oder im Schwarm unterwegs? Das können klassische Fragestellungen des prozessorientierten Arbeitens mit Asanas sein. Dabei handelt es sich um eine der zentralen Methoden der psychologischen Yogatherapie. Es gibt unterschwellige Muster, die durch Verhalten alleine schwierig zu durchbrechen sind und das Leben unbewusst mitbestimmen. Gefühle, die während der Yogastunde oder Meditation auftreten und die wir als diffus empfinden.

Frau denkt an den herabschauenden Hund

Diese können wir mit dem prozessorientierten Arbeiten erst einmal ins Bewusstsein holen, um die Ursachen zu erforschen und zu integrieren. Durch den gefühlten Prozess erreichen wir dabei mehr als durch Reden alleine. So können sich auch unterbewusste emotionale Blockaden im Körper als Symptom zeigen (z.B. wiederkehrende Kopfschmerzen).

Über das gezielte Identifizieren mit dem Symptom geben wir diesem eine Gestalt und können es so für uns greifbarer machen. Wir stellen uns selbst im herabschauenden Hund als Hund vor. Wir sprechen hier auch von der Identifikationsmethode.

Eventuell zeigen sich dann tief sitzende Erfahrungen, die uns geprägt haben und immer noch Fremdbestimmen. Der Weg durch den Prozess der Selbstreflexion ist also immer auch ein Weg zurück zur eigenen Handlungsfähigkeit.

Wie lässt sich die Identifikationsmethode auf das Hatha Yoga übertragen?

Über das Arbeiten mit der Symbolik der Asanas holen wir uns Anteile in uns wieder zurück ins Bewusstsein. Es geht bei dieser Arbeit noch mehr um das Integrieren dieser Anteile. Dabei bleibt die Grundhaltung völlig offen und erforschend. Im meditativen Zustand können uns Bilder begegnen, wenn wir die einzelnen Asanas intensiver praktizieren.

Gezielte Impulse und Fragestellungen helfen dabei in die Tiefe zu kommen und durch die Augen des Symbols zu schauen. Wir werden zur Asana. Um diese abstrakte Darstellung besser zu verstehen, helfen einige Beispiele aus meiner eigenen Erfahrung.

Asana I in Selbstreflexion: Der vielseitige Hund

Die Stunden zur Selbstreflexion gehen gezielt auf ein bis zwei Asanas ein, die dann vertieft und wiederholt werden. Nach einem meditativen Aufwärmen mit Sonnengruß und Pranayama haben wir uns im herabschauenden Hund etwas länger eingerichtet. War das lange Halten nicht möglich, half auch eine geistige Ausrichtung auf die Asana. Gedanklich wurden wir zum Hund.

Die Integration unserer Schattenseiten

Mit der Fragestellung welcher Hund ich denn sei, hatte ich direkt Bilder vor Augen, die zu meiner Situation in dem Moment gepasst haben. Suchend, freundlich und eher alleine als zu zweit unterwegs. Ich war neugierig und aufgeschlossen. Ich schrieb meine Eindrücke auf. Auch dies gehört zur Stunde dazu. Das Aufschreiben der Eindrücke, um sie nicht gänzlich zu verlieren.

Als ich wieder zurück in die Asana ging, mit der Fragestellung, ob ich denn alleine wäre oder mit anderen Hunden, veränderte sich mein Bild schlagartig. Ich wurde zu einem Hund der Zähne zeigte, knurrend, furchteinflößend. Und da wurde mir sofort klar, dass dies die Seite ist, die ich an mir jahrelang nicht zugelassen habe.

Eine starke und bestimmende Seite

In dieser Rolle zu sein gefiel mir sogar. Ich konnte diesen Anteil von mir auf einmal zulassen und machte mir weniger Gedanken darum, was denn jetzt Andere eigentlich von mir halten könnten, wenn ich so klar Kante zeige. Ich fühlte mich dabei total gut und stark. Da ich von Natur aus ein Mensch bin, der sich aus Konflikten eher zurückzieht, anstatt Grenzen nach Außen zu setzen, wenn mir andere Menschen zu viel werden, war dies ein Augenöffner für mich.

Was wäre eigentlich alles möglich, wenn  ich mehr auf meine inneren Impulse hören würde und mehr Kante zeige, also mehr bei mir bleibe als bei der anderen Person? Am Ende fühlte ich mich vollständiger, denn so aus der neutralen Betrachtung heraus darf dieser Anteil an mir natürlich da sein.

Asana in Selbstreflexion II: Die gelassene Meeresschildkröte

Die Schildkröte hat einen Panzer und ist innen weich. Sie kann im Meer, oder an Land leben und hat die Möglichkeit sich jederzeit in ihren Panzer zurückzuziehen. Auch hier hatte ich durch die Fragestellung, welche Schildkröte ich sei konkrete Bilder im Kopf. Ich wurde zur Meeresschildkröte. Und der Panzer tat mir sehr gut. Die Möglichkeit sich jederzeit in sich zurückziehen zu dürfen gab mir einen ganz neuen Erfahrungswert, denn von Natur aus gehöre ich zur Gruppe der hochsensiblen Persönlichkeiten.

Mir wurde gleichzeitig bewusst, wann es sich lohnt sich zurückzuziehen (zum Beispiel bei Reizüberflutung) und wann es nicht gesund ist (zum Beispiel im Konflikt). Ich muss also nicht aus Höflichkeit Reize aushalten. Das wurde mir sehr bewusst. Wenn es zu viel im Außen wird, kann ich auch einfach gehen. Im Konflikt darf ich lernen mehr für meine Bedürfnisse einzustehen (ähnlich, wie ich es im Hund erfahren hatte) und Grenzen zu setzen, anstatt zu flüchten.

Nach den Asanas: Selbstreflexion mit intuitivem Schreiben unterstützen

Nachmittags wurde die Arbeit mit den Asanas durch intuitives Schreiben nochmal vertieft. Dabei durften 15 Minuten lang Gedanken kommen und aufgeschrieben werden. Auch hier, mit einer offenen Grundhaltung, ohne Bewertung.

Oft kamen durch das intuitive Schreiben noch weitere Erkenntnisse zu den Erkenntnissen der Yogastunde hinzu oder bestätigten diese. Manchmal zeigten sich auch direkt Lösungsvorschläge. Eine spannende Technik, um das Unterbewusstsein zu befragen. Ich fühlte mich hier sehr im Kontakt mit mir selbst.

Meine Erkenntnisse

Durch Selbstreflexion durfte ich sehr viel über mich selbst erfahren und bin durch die Symbolik der Asanas tiefer an meine eigenen Themen und Muster gekommen. Dabei waren die Bilder so konkret und eindeutig, dass ich diese Anteile an mir integrieren konnte und mich am Ende wieder vollständiger gefühlt habe.

Wertschätzung in der Gruppe

Auch in der Gruppe war dieses Gefühl des wieder vollständig seins spürbar. Sich angenommen zu fühlen mit allen Aspekten, anstatt diese zu bewerten. Das war sehr heilsam. Durch das Erkennen der Muster konnte dann im Nachhinein noch mit gestalttherapeutischen Ansätzen im Seminar weitergearbeitet werden. Das Zusammenspiel der Yogastunden mit den darauffolgenden Einzelsitzungen empfand ich als besonders wirkungsvoll.

Was bedeuten diese Erkenntnisse für mein weiteres Wirken als Yogalehrerin?

Ich empfinde die Selbstreflexion mit Hatha Yoga als zusätzlichen Gewinn für meine eigenen Yogastunden. Mein Unterrichten gestaltet sich in diesen speziellen Stunden nun deutlich offener. Ich darf meinen Schülern die Verantwortung für das eigene Leben zurückgeben und darauf vertrauen, dass diese ihren Themen auf eine natürliche Art und Weise näherkommen.

Ich begleite, gebe Impulse und darf auch hier ganz bei mir selber bleiben. Für mich war dieser Seminarblock ein großer Gewinn, gerade durch die Möglichkeit zur Selbsterfahrung. Viele Elemente dürfen nun in meine Stunden einfließen und ich schließe die Woche in großer Dankbarkeit ab.

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Die Autorin

Juliane Borkenfels ist Yogalehrerin (BYV), spirituelle Lebensberaterin (BYVG), gelernte Krankenpflegerin und hat einige Semester Medizin studiert, bis ihr Weg immer klarer in eine psychologische Richtung und zum integralen Yoga führte. Von der eigenen Praxis ausgehend lernte sie Yoga Vidya und den Ashram im Westerwald kennen, wo sie dann ihre Ausbildung als Yogalehrerin 2016 abschloss. Seit 2017 unterrichtet sie sanfte meditative Stunden und Mantra Yogastunden als Karmayogini bei Yoga Vidya in Essen.

Im Medizinstudium erlebte sie eine starke Trennung von Körper und Geist. Es ist ihr ein Anliegen, diese Komponenten wieder zu vereinigen. So entstanden mit der Zeit Kurse für krebskranke Frauen mit dem Ziel, wieder den Körper zu spüren und in die Einheit zu kommen. Mit Einflüssen aus dem Buddhismus, dem integralen Yogaweg von Swami Sivananda und Ansätzen aus der psychologischen Yogatherapie möchte sie ihren Schülern dabei helfen selbst in den inneren Heilungsprozess zu kommen.

2 Kommentare zu “Selbstreflexion mit Hatha Yoga

  1. Danke für den großartigen Artikel. Mit Hatha Yoga kann man sehr gut Selbstreflexion betreiben!

    • Juliane Borkenfels

      Vielen Dank liebe Elke.
      Es ist auch unglaublich spannend was alles noch so im Unterbewusstsein steckt. Ich entdecke immer wieder neue Dinge und habe viele Aha-Momente.

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