Wurzeln von Yoga und Hinduismus im Schamanismus

Link zum Facebookbeitrag "Sukadev gibt Charity Yogastunde für Indien""

Aus Anlass des Festivals am vergangenen Wochenende hat Sukadev eine Eröffnungsrede gehalten, in der er über die hinduistischen Wurzeln im Schamanismus – und damit auch die schamanistischen Wurzeln des Yoga gesprochen hat. Er hat dabei erläutert, was Schamanismus heute bedeutet, was Schamanismus mit Animismus zu tun hat. Westliche Religionen wie Christentum und Islam haben sich definiert über Abgrenzung zu ihren animistisch-schamanistischen Wurzeln. Im Hinduismus dagegen, werden ähnlich wie im Taoismus, Shintoismus und tibetischer Buddhismus, die animistisch-schamanistischen Praktiken weiter geübt, insbesondere in Indien. Hier also das Vortragskript von Sukadev (Anmerkung: Sukadev ist beim Vortrag von seinem Skript abgewichen … aber wir haben nur sein Skript…).

Herzlich willkommen zum 1. Shamanic Winter Festival im Yoga Vidya Ashram Bad Meinberg.

Ich heiße alle Yoga Vidya Neulinge willkommen, alle treuen Yoga Vidyaner, alle Ashrambewohner:innen und Referent:innen.

” Shamanic Winter Festival” – ein Festival mit Yogastunden, Meditationen, Mantras, Klangmeditation, Trancereisen, Tänzen, Frauen- und Männerkreisen, Räucherungen, Feuerzeremonien, Sing Circles und vieles mehr.

Ich danke Satyadevi und auch Mahadev für die Idee, die Konzeption und die Organisation des Festivals. Ich danke allen Helferinnen und Helfern – und euch allen, dass ihr so zahlreich gekommen seid. Das Festival war ursprünglich für 100-150 gedacht – jetzt werden es über 500 sein, die teilnehmen.

Yoga Vidya Ashram ist ein Ashram der hinduistischen Yoga Vedanta Tradition. Wir richten unser Leben aus an den vedantischen Grundüberzeugungen wie Unsterblichkeit der Seele, Einheit des Göttlichen überall, Karma und Reinkarnation. Um die Befreiung, die Gottverwirklichung zu erreichen, üben wir Meditation, hinduistische Rituale, Asanas, Pranayama und viele weiteren Praktiken.

Wir sind konsequent in unserem Yoga Vedanta Lebensstil, vegetarisch, ohne Alkohol, Drogen, Tabak.

Yoga Vidya steht aber auch für Verbindung: Wir respektieren die Praktiken anderer Traditionen, andere Weltanschauungen: „United we Stand – Divided we Perish“. „Unity in Diversity“ war ein Motto von Swami Sivananda.

Es gibt so viele großartige Traditionen, Initiativen in dieser Welt, die Lichtenergie ausstrahlen, sich an höheren Idealen ausrichten, Gutes bewirken. Bei Yoga Vidya dienen gerade die Festivals und Kongresse der Verbindung dieser Traditionen.

Ich werde beim Festival einige Satsangs leiten, hinduistische Gottesdienste. Ich werde Vorträge halten über Schamanismus in unserer Yoga Vidya Tradition, in den Veden, im Hinduismus.

Beginnen wir mit einer grundlegenden Frage: Was ist Schamanismus?

Das Wort Schamane stammt aus Sibirien. Die tungusische Wurzel des Wortes ist “šaman”, was so viel wie “jemand, der weiß” oder “jemand, der erregt ist” bedeutet. Dieser Begriff bezog sich auf Personen, die in sibirischen Kulturen als Heiler, Seher, und Vermittler zwischen der menschlichen Welt und der spirituellen Welt angesehen wurden.

Im Lauf der letzten Jahrzehnte hat der Begriff „Schamanismus“ den früher verwendeten Begriff „Animismus“ ersetzt  – und wird für die Ur-Religion der meisten Kulturen verwendet.

Animismus, wörtlich “Beseeltheit”, galt in der Religionswissenschaft als Oberbegriff für alle “Eingeborenen-Religionen”, welche allen Objekten der Natur bzw. der Natur als Ganzes eine Beseeltheit zugesprochen haben. Lange wurde in früheren christliche geprägten Religionswissenschaft und Theologie Animismus als Primitivreligion angesehen, die von den “Hochreligionen”, insbesondere vom Christentum, abgelöst wurde. Durch den abwertenden, pejorativen Gebrauch des Wortes Animismus im 20. Jahrhundert wird dieser Begriff heute kaum mehr gebraucht. Das ursprünglich nur für die sibirische Religion korrekte Wort “Schamanismus” hat im Sprachgebrauch den Begriff Animismus ersetzt und bezeichnet eine bestimmte Form von Spiritualität und Religion, die früher in der ganzen Welt verbreitet war – und heute in neuem Gewand wieder wird. Gleichzeitig kann man auch beobachten, dass von wissenschaftlicher und christlicher Seite langsam auch dem Schamanismus die gleichen negativen Vorurteile entgegengebracht wird wie früher dem Animismus.

Praktisch jede Religion hat animistische, bzw. schamanistische Wurzeln. Und Schamanismus kann auch heute angepasst werden an die Moderne, wird dann z.T. als Neoschamanismus bezeichnet.

Was also ist Schamanismus, verstanden ähnlich wie Animismus?

Schamanismus basiert auf der Überzeugung, dass es eine tiefere Realität gibt, die über unsere alltägliche, materielle Welt hinausgeht. Er postuliert, dass alles in der Welt belebt ist, dass die Seele unsterblich ist, den physischen Tod überdauert. Schamanismus geht davon aus, dass wir uns verbinden können mit den Energien der Natur, mit Bäumen, Flüssen, mit Feinstoffwesen, mit den Ahnen.

Schamanismus geht auch davon aus, dass Gesundheit und Krankheit, Glück und Unglück, Erfolg und Misserfolg auch davon abhängen, wie der Mensch und eine menschliche Gemeinschaft in Harmonie mit feinstofflichen Kräften, mit der Natur, der Energie der Gemeinschaft, den Verstorbenen, Feinstoffwesen und den eigenen Energien steht.

Im Schamanismus spielen Schamanen eine wichtige Rolle. Diese können durch veränderte Bewusstseinszustände Zugang zu einer verborgenen Wirklichkeit haben. Schamanen können anderen helfen, auch in andere Bewusstseinszustände zu gelangen, Botschaften aus der anderen Welt empfangen, Heil- und Energiearbeit machen.

In unterschiedlichen Kulturen haben sich dafür unterschiedliche Praktiken herausgebildet. An diesem Festival bekommt ihr einige davon mit, typischerweise angepasst an die Bedürfnisse des modernen Menschen. Dies ist ja kein wissenschaftlicher Kongress – sondern ein Festival, das Erfahrungen ermöglicht.

Eine Anmerkung: Auch wenn an diesem Festival Rituale und Praktiken unterschiedlicher Tradition vorgestellt und geübt werden, gelten hier die grundlegenden Sattwa-Regeln unserer Tradition: Also kein Fleisch, kein Alkohol, keine Drogen, kein Tabak. Auch wenn viele schamanistische Traditionen mit Drogen arbeiten, machen wir das nicht. Wir nennen es auch „sattwiger Schamanismus“. Und wenn das auf Hinduismus beruht, nennen wir es auch Yoga Naturspiritualität.

Nun zum Thema Hinduismus und Spiritualität, ein Thema das ich heute Abend auch weiter ausbauen werde. Wie alle Religionen hat auch Hinduismus schamanische Wurzeln – mit der Besonderheit, dass diese auch heute praktiziert werden. Sie sind vielleicht nicht so bekannt wie Vedanta, Yoga Sutra, Asanas, Pranayama, Meditation und Mantrasingen – aber jedem gebürtigen Hindu gegenwärtig.

In vedischen Zeiten vor über 3000 Jahren waren die Tempel Heilige Orte in der Natur. Rituale wurden im Freien gemacht. Rituale umfassten Räucherungen, Feuerzeremonien, Rezitationen, Musik, Tänze, die auch zu höheren Bewusstseinsebenen führten. Es gab auch den Heiligen Soma-Trunk – was wir heute nicht mehr üben.

Im Hinduismus geht man davon aus, dass das ganze Universum eine Manifestation des Göttlichen ist. Nicht nur hat Gott die Welt geschaffen. Sondern Gott selbst manifestiert sich als die Welt. Man kann über jeden Teil der Welt Kontakt mit dem Göttlichen aufnehmen. Bäume sind Wesenheiten, zu denen man Kontakt aufbauen kann.

Die vedischen Gottheiten, die auch heute noch verehrt werden, können angerufen werden mittels Mantras und Rituale. Sie regieren die Himmelsrichtungen, die Elemente. Es gibt verschiedenste Kategorien von Feinstoffwesen.

Am bekanntesten:

  • Die Elemente-Wesen
    • Vayu, Windgott
    • Agni, Feuergott
    • Bhumi Devi, die Erdgöttin
    • Varuna, der Wassergott
  • Indra, der Herr der Götter
  • Brihaspati, der Lehrer der Götter
  • Digpalas, die Götter der Himmelsrichtungen
  • Rakshakas, die Hüter von Orten
  • Yakshas, Naturgeister und Beschützer von Orten und Schätzen
  • Gandharvas, kosmische Tänzer und Musiker, wie die Elfen
  • Apsaras, die feinstofflichen Tänzerinnen, wie z.B. die Feen und weiblichen Elfen
  • Pretas, Pitris, die Manen
  • Asuras, Rakshasa: Dämonen
  • Vidyadharas, Träger von Weisheit
  • Nagas, Schlangenwesen, oft auch Erdgeister
  • Dakinis, Botschafterinnen des tiefen Wissens, Schutzgöttinen auch der Chakras
  • Yoginis, Begleiterinnen der Devi
  • Viele Weitere

Nicht umsonst wird Hinduismus als Religion mit den meisten Göttern und Göttinnen bezeichnet.

Hinduismus hat eine Fülle von Ritualen, Mantras, Yantras, Pujas, Homas entwickelt. Jyotish, Vastu, Ayurveda und vieles andere beruht darauf.

Dieser Aspekt ist sicherlich unterrepräsentiert im Westen, auch bei Yoga Vidya unterrepräsentiert.

In Indien gab es im 19. Jahrhundert Reformbewegungen, wie z.B. Brahmo Samaj, auf der auch die großen Meister Swami Vivekananda und Swami Sivananda beruhen. Diese lösten sich in ihren Lehren etwas vom schamanistisch-Animistischen – ohne diese ganz zu vernachlässigen. Aber gerade beim Lehren für Westler stellten sie andere Aspekte in den Vordergrund, die besser kompatibel waren für westliche Wissenschaft und christlich geprägte Denkmuster.

Hinduismus hat aber die umfassendste Sichtweise auf alles Schamanistische, kann die Theorien und Praktiken aller Völker in sein Weltbild einbauen. Hinduismus ist vermutlich die einzige Religion, die seit der Frühzeit auch alles Schamanische in Schriftform kodifiziert – und parallel in mündlicher Überlieferung weiter gegeben hat.

Bei Yoga Vidya rezitieren wir schamanistische Mantras, z.B. Shanti Mantras oder die Suktas während der Pujas. Wir nutzen bis zum gewissen Grade die Weisheit von Vastu. Wir üben Pujas und Homas, meditieren an Heiligen Orten, unter Bäumen. Wir verbinden uns mit der Kraft der Heiligen Flüsse, wollen aus dem Silvaticum einen Heiligen Hain machen. Wir haben Gottheiten um den Ashram herum installiert. Wir integrieren dabei auch schamanistische Praktiken anderer Kulturen – und hoffen, dass wir auch aus unserer eigenen Tradition mehr integrieren können.

Zusammenfassung:
Im Rahmen des Shamanic Winter Festivals hob Sukadev hervor, dass Yoga Vidya eine hinduistische Tradition vertritt, die sich durch die Integration und Praxis schamanischer Wurzeln auszeichnet. Dies spiegelt sich in der Anerkennung einer tieferen, belebten Realität und der Bedeutung von Ritualen, Mantras und der Verehrung verschiedener Gottheiten wider. Dabei steht Yoga Vidya für eine Verbindung mit verschiedenen anderen spirituellen Pfade und Traditionen, die genau wie Yoga Vidya der Entwicklung des Menschen dienen.

 

 

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