44 Bhakti Yoga – mit Gottesliebe zur Gelassenheit

Gelassenheit Entwickeln - Podcast für mehr Gelassenheit im Alltag

Eine machtvolle Technik für Gelassenheit ist Bhakti Yoga, der Yoga der Hingabe und Gottesliebe. Sukadev beschreibt, wie er diesen Weg der Gottesliebe seit Jahrzehnten geht – und wie er hilft, mit Herausforderungen des Alltags gut umzugehen. 5. der autobiografischen Podcasts.

44. Ausgabe des Yoga Vidya Gelassenheits-Podcast.

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Die nächste Stufe, von der ich erzählen will, ist Bhakti Yoga, alles Gott darbringen. Das kam interessanterweise nach der Phase der coolen Gelassenheit, als eine Phase, die besonders wichtig war. Ich muss allerdings sagen, Bhakta war ich schon von Anfang an. Schon als Kind habe ich Hingabe zu Gott gespürt. Es gab dann zwar in der Jugend eine Phase, wo ich mich von Gott entfernt hatte, wo ich überlegt hatte, wie kann Gott diese Ungerechtigkeiten zulassen, aber recht bald kam dann auch wieder tiefes Vertrauen zu Gott, tiefer Glaube zu Gott, auch mein Gebet hat mir tiefe Gottesnähe vermittelt. Ich kann also sagen, Bhakti Yoga war ein wichtiger Aspekt meines Wesens schon von Kindheit an.

Bhakti Yoga ist also der Yoga der Hingabe, Yoga der Gottesverehrung, Yoga der Verbindung mit Gott, Yoga der Darbringung an Gott, Yoga des Gebetes. Aber zu bestimmten Zeiten ist Bhakti besonders wichtig geworden und bis heute ist Bhakti besonders wichtig. Interessanterweise habe ich ja gelernt bei einem Meister namens Swami Vishnu-devananda, und dieser Meister galt als Autorität des Raja Yoga und Hatha Yoga, er konnte die fortgeschrittesten Asanas üben, er hatte mehrere Phasen von intensivem Pranayama, also bis zu vierzehn Stunden am Tag Pranayama, Atemübungen, das über mehrere Monate. Das hat er als Zwanzigjähriger bis Dreißigjähriger gemacht, das war diese intensivste Phase seiner spirituellen Praktiken. Er hatte auch in späteren Jahrzehnten seines Lebens immer wieder intensivste Phasen der Meditation gehabt. Aber ich habe ihn immer hauptsächlich als Bhakta eingestuft.

Er war ein hochemotionaler Mensch. Er war ein Mensch, der sich begeistern konnte. Er war auch ein Mensch, der auch mal Trauer empfinden konnte. Er war auch ein Mensch, der seinem Ärger Ausdruck geben konnte, wenn jemand nicht seine Aufgabe getan hatte. Er konnte, wenn nötig, auch seinen Geist beherrschen. Aber er hat uns immer wieder vermittelt: „Bringe alles Gott dar, sowohl deine positiven Seiten wie auch deine scheinbar negativen Seiten.“ Er sagte: „Was auch immer du tust, wenn du es Gott darbringst, dann ist es in Ordnung.“ Swami Vishnudevananda hatte auch einen Vers am Abschluss der Meditationen rezitieren lassen, einen Vers aus der Bhagavad Gita, 18. Kapitel, Vers 66: „Bringe alles Gott dar, egal, ob du es für gut findest oder weniger gut findest. Wenn du alles Gott darbringst, dann wird Gott das alles zurechtrücken, du brauchst dir keine Sorgen zu machen, Gott wird alle deine Fehler beseitigen.“ Was ein bisschen auch heißt, wenn du alles Gott darbringst, dann machst du dich nicht schuldig, du brauchst kein schlechtes Gewissen zu haben. Hingabe zu Gott löst das Problem von Schuld und Sühne. Das Bhakti-System heißt dann, Gott wirkt durch alles, alles, was ist, kommt von Gott.

Es gibt auch in der Bhagavad Gita im 11. Kapitel dieses großartige Beispiel: Arjuna hat eine Vision von Gott. Arjuna sieht die ganze Welt als Körper Gottes. Arjuna sieht, dass die ganze Welt letztlich in Gott existiert. Und er sieht, dass er selbst Teil dieses göttlichen Organismus ist, dass auch die Menschen, die scheinbar schlimme Dinge tun, dass die Teil des göttlichen Körpers Gottes sind. Wenn Gott allgegenwärtig ist, allmächtig, allwissend, dann wirkt er durch alle Wesen. Alles, was ist, kommt von Gott. Auf einer relativen Ebene heißt das auch, du hast genau die Eigenschaften, die Gott braucht, um durch dich zu wirken. Gott nutzt deine Erfolge und deine Misserfolge, Gott nutzt deine Fähigkeiten wie auch deine Fehler. Das war auch wieder etwas sehr Befreiendes. Letztlich, Gott wirkt auch durch die Fehler. Ich war, wie ich schon mal gesagt hatte, auch ein schüchterner Mensch und immer wieder wurde ich von meinen Lehrern in Situationen versetzt, wo ich Dinge tun musste, für die ich mich nicht für geeignet hielt oder dachte, ich bin nicht ausreichend gut. Und ich kann mich erinnern, dass eine meiner Lehrerinnen mir mal gesagt hatte: „Wenn Gott gewollt hätte, dass da jemand wäre, der besser ist als du, dann hätte er ihn da schon hingesetzt. Aber es ist jetzt deine Aufgabe und deshalb bist du der Richtige. Und zweifle nicht an der Weisheit Gottes.“

Diese Worte begleiten mich bis heute. Wann immer ich das Gefühl habe, ich bin in irgendeiner Situation, in der ich nicht ausreichend gut bin, in der ich nicht die richtigen Fähigkeiten habe und nicht ausreichend Zeit habe, dann denke ich daran: „Wenn Gott gewollt hätte, dass jemand wäre, der besser ist als du in der Situation, dann hätte er ihn dort hingestellt. Er hat dich dort hingestellt, also bist du der Richtige und auch in deinen Fehlern wirkt Gott.“ Das war etwas sehr Befreiendes. Auch habe ich mich mehr mit indischer Mythologie beschäftigt. Es gibt so viele Aspekte Gottes und sie stehen für so viele Aspekte des Geistes. In den Mythen verhalten sich dabei die Götter oft sehr menschlich, zum Teil sogar mit sehr menschlichen Schwächen, zum Teil sogar so, dass man sagen kann: „Wie kann man das als Gott bezeichnen, wenn der sich so und so verhält?“

Viele, die sich nicht mit indischer Mythologie auskennen, kennen das von der griechischen Mythologie auch. Interessanterweise, obgleich sie all diese menschlichen Schwächen scheinbar haben, gelten sie dennoch als Manifestation des Göttlichen. Im Vedanta-System, Yoga-Vedanta, die spirituelle Richtung, in der ich gelernt habe, die ich praktiziere, die ich lehre, dort gelten alle Götter nur als Manifestationen des einen Göttlichen. Aber sie gelten eben als Manifestationen des einen Göttlichen. Das muss heißen, dass auch menschliche Schwächen letztlich Teil des Göttlichen sind. Und so heißt es im Bhakti Yoga: „Bringe alles Gott dar, und dann wird Gott dich befreien. Es ist nicht deine Aufgabe, zur Erlösung zu kommen, sondern es ist Gottes Aufgabe, dir seine Gnade zu schicken. Deine Aufgabe ist es, Gott zu verehren, Gott zu ehren, Liebe zu Gott zu entwickeln, dich für die Gnade Gottes zu öffnen. Deine Aufgabe ist es, die Erfahrungen zu machen, alles zu tun, was dir entgegenkommt, bewusst zu sein, dass alles, was kommt, von Gott geschickt ist, dass du daran wächst. Und alle Aufgaben, die kommen, kommen deshalb, damit du daran wächst.

Immer dann, wenn es irgendein Gefühl ist, und es geht ja um das Gefühl der Liebe, es geht um das Prinzip der Hingabe, dann ist es schwierig, darüber zu sprechen. Also nochmal. das Thema des Bhakti Yoga ist es, du spürst die Gegenwart Gottes, du vertraust darauf, dass es Gott gibt, du bist dir bewusst, alle Eigenschaften in dir sind Gaben Gottes. Du bringst alles Gott dar. Du gehst davon aus, was auch immer auf dich zukommt, ist Aufgabe Gottes, ist Erfahrung, die dir Gott schenkt, und was auch immer du tust, du bringst es Gott dar. Und wenn man mit dieser Lebenseinstellung lebt, dann ist Gott erfahrbar. Und dann ist eine tiefe Gelassenheit da, eben eine Gelassenheit, die kommt aus dem Glauben, Gelassenheit, die kommt aus der Gotteserfahrung, Gelassenheit, die kommt aus der Liebe Gottes. Diese Art von Gelassenheit ist eine sehr schöne Form von Gelassenheit, eine Gelassenheit voller Freude, voller Liebe, voller Engagement und Bejahung. Auch bei dieser Art von Gelassenheit gibt es ein Problem. Wenige Menschen haben eine tiefe Gotteserfahrung und einen tiefen Gottesglauben. Er ist nicht so einfach lehrbar. Man kann zwar sagen, wenn man intensive spirituelle Praktiken übt, dann wird oft Gott erfahrbar. Und wir erleben es ja auch bei unseren Yoga Vidya Ashram und unseren Seminarhäusern, dass bei intensiver Yogapraxis Menschen plötzlich eine Gotteserfahrung machen. Und aufbauend auf dieser Gotteserfahrung ist plötzlich Hingabe zu Gott und damit Bhakti Yoga möglich.

Dennoch, Gotteserfahrung und Gottesglaube ist nicht einfach lehrbar und auch nicht so einfach erzeugbar. Manche Menschen mit intensiver Gottesbeziehung werden sogar zu Fanatikern. Das ist die Kehrseite des Glaubens an Gott und der Gotteserfahrung. Und auch wiederum viele Menschen, die eine Weile diese schöne Bhakti-Erfahrung hatten, verlieren sie. Es scheint so zu sein, dass es wenigen gelingt, dauerhaft tiefe Bewusstheit der Gegenwart Gottes aufrechtzuerhalten. Bei den meisten Menschen ist intensive Erfahrung der Nähe Gottes und der Verbundenheit mit Gott und Vertrauen an Gott etwas, was sie vielleicht ein paar Monate, ein paar Jahre haben, und dann ist man wieder auf dem Weg, dass man wieder seinen eigenen Schwächen ins Auge schaut, dass man wieder dualistische Weltanschauung haben kann usw. Aber das Schöne ist auch, wenn du einmal eine Weile intensive Gotteserfahrung hattest, wenn du eine Weile diese Erfahrung hattest, dass du Gott alles darbringen kannst und dass Gott durch dich wirkt, ein Glaube und ein Vertrauen bleibt. Du weißt: „Das ist noch möglich.“ Und du gehst von diesem Vertrauen auch aus. „Wenn es jetzt nicht möglich ist, Gott intensiv dauerhaft so zu erfahren, dann wird das auch einen Grund haben, Gott wird sich dabei etwas gedacht haben. Ich muss auf eine andere Weise den spirituellen Weg gehen.“

Für mich selbst kann ich sagen, dieser Glaube an Gott und dieses ständige Gefühl von Gottes Gegenwart, ist wie zu einer zweiten Natur von mir geworden. Trotzdem habe ich die Notwendigkeit gesehen, noch etwas anderes zu machen. Und das ist eben dieser Königsweg der Gelassenheit, auf den ich später weiter zu sprechen kommen werde, und auch darüber, was eine wichtige Grundlage ist für das, was ich später hatte, um diesen Königsweg zu lehren, das ist eben die Ablehnung jeglicher Form von dualistischer Weltanschauung. Es ist zwar jetzt paradox, wenn ich sage, ich will dualistische Weltanschauung ablehnen, um alles anzunehmen, und damit lehne ich ja etwas ab, um alles annehmen zu können. Als Vorbereitung auf das Thema kannst du selbst mal überlegen: Wie ist deine Erfahrung Gottes? Wie ist dein Glaube Gottes? Und ich hoffe, er ist kein dualistischer.

Ich hoffe, du hast nicht das Bild eines strafenden Gottes. Leider ist das im Christentum immer noch verbreitet, dass Menschen Angst haben vor Gott. Es gibt ja gerade auch im Alten Testament da so einige Aussagen, die zwar am Ende des Alten Testamens relativiert worden sind, aber wo es dann heißt: „Ich bin ein eifersüchtiger Gott. Ich bin ein zorniger Gott.“ In späteren Phasen wurde das auch schon im Alten Testament relativiert, wo es um die Liebe Gottes geht und Gnade Gottes. Und gerade im Neuen Testament spricht Jesus ja ständig davon, dass Gott liebt, dass Gott vergibt, dass wir uns an Gott wenden können. Aber du kannst überlegen: Hast du tiefes Vertrauen in Gott, dass Gott auch durch dich wirkt und dass vor Gott alles ok ist? Oder hast du Angst vor Gott, dass du vor Gott sündig werden kannst? Gehst du davon aus, es gibt nur Gott, oder glaubst du an Teufel oder dunkle Kräfte oder das Negative im Menschen? Ich will es dir gleich sagen, ich glaube nicht an das Negative, ich glaube nur an das Positive. Und wie ich das mit der Tatsache, dass so viel Schlimmes in dieser Welt passiert, in Übereinstimmung bringen kann, darum geht es das nächste Mal. Vielleicht wird es nicht Hundertprozent logisch sein, aber ich meine, es ist eine gute Weltanschauung, eine gute Weltanschauung als Grundlage für uneigennütziges Handeln, für unbedingte Liebe und die Fähigkeit, alles anzunehmen, und vielleicht auch als Grundlage für Weltfrieden.

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