Einmal kalt duschen a day, keeps the doctor away? Kryotherapie für Warmduscher

Thermoleggins, Wollsöckchen und Norweger Pulli: Es ist gerade mal Mitte Herbst und ich nähere mich langsam aber sicher meinem Michelin Männchen Stadium. Dabei ist es inzwischen längst kein Geheimnis mehr, dass Kälte den Körper stärkt und ihn trainiert, uns gut von Innen heraus zu heizen. Dafür müssen wir jetzt alle nicht zum Wim Hof mutieren: gerade mal 2 min kalt duschen pro Tag sollen ausreichend sein.

Nicht meine Komfortzone

Ich bin eher der vatarige Typ, bin schlank, schmal und friere schnell, eine von den Bibberlingen. Mein Horrorszenario sind kalte Silvester Abende. Deswegen bin ich meistens auch die Erste im dicken Pulli, wenn wir uns den kalten Jahreszeiten nähern.

Dennoch sagt mir generell meine Erfahrung: Mein System braucht Herausforderungen, um zu wachsen. Zu viel Komfort bringt zwar kurzfristig ein gutes Gefühl, versagt es dem Körper aber, sich selbst zu regulieren.

Die Kälte ist gnadenlos, aber sie ist absolut gerecht. Sie überrumpelt den Kopf, schaltet unsere Konditionierungen, Bequemlichkeiten, [und] Schwächen aus und macht uns stark.

Wim Hof, 2021: S.71

Weil wir gut in Futter stehen, muss der Körper gelegentlich oder regelmäßig fasten und manchmal hilft weniger Atmen mehr als wir denken. Kälte ist genauso eine Herausforderung. Um sich ihr zu stellen, braucht es am Anfang nur etwas guten Willen. Auf lange Sicht braucht es genügend Tapas.

Kalt duschen: Eine Technik der Kryotherapie

Es ist nur natürlich, dass wir Menschen die Wärme suchen. Für uns steht ein warmes wohliges Gefühl auch für Nähe, Verbindung, ein schönes Nest eben. Kälte hat da leider einen weniger guten Ruf.

Tatsächlich kann die gezielte Kälte auch in herausragender Art und Weise für therapeutische Zwecke angewendet werden. Das wird dann Kryotherapie genannt, oder auch Kältetherapie.

Vom Schneewandern bis Eisbaden: Techniken der Kryotherapie

Zu der Kryotherapie zählen beispielsweise Kältekompressen und Kältepatches, Eisbaden, Kryotherapie-Kammern, Eiswürfelmassage oder Schneewanderung, Kältetherapie Matten sowie Tautreten. Bei den Deutschen früher noch besonders bekannt: das Kneipen. Spätestens seit dem genialen Urtier Wim Hof ist Kälte wieder Kult.

Heute jedoch möchte ich mich der gefürchteten kalten Dusche widmen. Hand aufs Herz: Wer duscht denn bitte freiwillig kalt? Die ehrliche Antwort lautet doch: Vielleicht höchstens mal morgens unfreiwillig einen Schwall, weil das Warmwasser noch nicht durchgelaufen ist.

So ist es doch meistens unangenehm, wenn wir uns daran erinnern. Dennoch möchte ich dich heute mal überzeugen, es doch auszuprobieren. So ganz freiwillig, neugierig und entspannt.

Warum überhaupt kalt duschen?

Um es zum Einstieg knackig zu halten: Die Vorteile des kalten Schauers sind die Anpassungsreaktionen des Körpers auf Kälte:

Wachmacher: Jeder weiß, wie wach eine kalte Dusche macht. Das kalte Wasser aktiviert das sympathische Nervensystem, der Puls, die Atemfrequenz und der Blutdruck schnellen in die Höhe.

Stressabbau: Paradoxerweise kann eine Kaltwasserdusche dennoch dazu beitragen, Stress abzubauen. Die Freisetzung von Endorphinen, den sogenannten “Glückshormonen”, kann die Stimmung heben und Stress reduzieren.

Mentale Gesundheit: Die Kälte sorgt außerdem für die vermehrte Ausschüttung von Gute Laune Neurotransmittern, wie Noradrenalin und Beta-Endorphin. So trainierst du deine Resilienz und Willenskraft.

Verbesserte Durchblutung: Um den Wärmeverlust zu minimieren, ziehen sich bei Kälte die Blutgefäße unter der Haut zusammen. Dies verringert zunächst die Durchblutung der Haut und verringert den Wärmeverlust durch die Hautoberfläche.

Nachdem du die Kälte verlässt, entspannen sich die Blutgefäße wieder und es kann zu einer Erhöhung der Durchblutung kommen. Dies kann dazu beitragen, Muskelverspannungen zu lösen und den Transport von Nährstoffen und Sauerstoff zu den Geweben zu verbessern.

Stärkung des Immunsystems: Einige Studien deuten darauf hin, dass die regelmäßige Exposition gegenüber kaltem Wasser zu einer erhöhten Produktion weißer Blutkörperchen führen, die dem Körper helfen, Bakterien und Viren zu bekämpfen.

Steigerung des Stoffwechsels: Kaltes Wasser kann zu einer erhöhten Atemfrequenz führen, da der Körper versucht, mehr Sauerstoff aufzunehmen, um den Stoffwechsel anzukurbeln, Wärme zu erzeugen und die Körpertemperatur aufrechtzuerhalten. Dies führt zu einem erhöhten Energieverbrauch und kann zur Fettverbrennung beitragen.

Kalt duschen nach dem kneippschen Ganzkörperguss

Brause auf und los? Tatsächlich haben sich clevere Menschen bereits Gedanken über die richtige Duschtechnik gemacht. Der aufsteigende Ganzkörperguss ist eine typische kneippsche Anwendung.

Und das beste: Du musst nicht mal auf deine warme Dusche verzichten, denn am effektivsten sind der Wechsel von Wärme und Kälte. Du kannst deinen kalten Guss einfach nach deiner warmen Dusche beginnen. So musst du nicht mit kalten Wasser deine Haare waschen und verhinderst fiesen Schädelfrost.

Bevor es losgeht, treffe noch die folgenden Vorbereitungen:

  • Beende deine warme Dusche.
  • Justiere den Duschkopf so, dass er einen gebündelten Wasserstrahl erzeugt.
  • Stelle das Wasser auf eiskalt.
  • Atme nochmal tief durch und versetze dich in deinen Yogi Modus.

Die Grundtechnik ist denkbar einfach. Dabei arbeitest du dich mit dem Wasserstrahl von unten nach oben, und von außen nach innen:

  • Beginne den Guss an der Außenseite deines rechten Fußes, das ganze Bein hinauf, bis zur Gesäßseite, um dann innen am Bein hinunterzufahren.
  • Wiederhole dieselbe Technik am linken Bein.
  • Jetzt kommt der rechte Arm: Auch hier gießt du über die Handaußenseite den äußeren Arm hinauf. An der Schulter angekommen, gießt du das Wasser über die rechte Körperhälfte, vorne und hinten. Anschließend fährst du an der Innenseite deines rechten Armes hinab bis zur Hand.
  • Wiederhole dieselbe Technik beim linken Arm.
  • Danach wird der Bauch im Uhrzeigersinn begossen.
  • Augen zu und durch: Jetzt im Uhrzeigersinn über das Gesicht gießen.
  • Abschließend nach Luft japsen und einen großzügigen Guss über den gesamten Rücken hinunter machen.

Spätestens jetzt bist du wach!

Tipps zum kalt duschen

  • Nicht brausen, sondern einen gebündelten Wasserstrahl nutzen. Hast du keinen zur Verfügung, findest du einen passenden in jedem Baumarkt.
  • Bevor du anfängst, richte dich mental auf die Kälte aus, erwarte ihr kommen.
  • Kälteschock: Wenn dich die Kälte trifft, wirst du instinktiv kurz den Atem anhalten. Versuche dann einfach ruhig und tief weiterzuatmen.
  • Eine Temperatur zwischen 10 – 15 C° ist bereits ausreichend. Wenn du unsicher bist, kannst du sie erstmal über ein Thermometer bestimmen.
  • Praxis aufbauen: Du kannst dich langsam an die Kälte gewöhnen, indem du z. B. zunächst eine Woche ca. 30 Sekunden abbraust, und dich dann mit jeder Woche um 30 Sekunden steigerst. Nach 4 Wochen schaffst du dann 2 Minuten ohne Probleme, das ist völlig ausreichend.
  • Die oben genannten Benefits beginnen schon ab mindestens 30 Sekunden. Intensivere Praxis vertieft diese jedoch.
  • Timer: Nutze einen Zeitmesser. Wenn es ums kalte Duschen geht, vergeht die gefühlte Zeit in unserem Kopf viel schneller.

Und wann du besser darauf verzichtest

Es gibt bestimmte Kontraindikationen für die kalte Dusche, wie Infekte und Fieber, oder sich allgemein bereits ein Frieren angebahnt hat. Dann ist erstmal Ruhe angesagt. Auch bei Nierenerkrankungen und Blasen und Harnwegsinfekten sollte man auf das kalte Duschen verzichten.

Falls du dir bei Vorerkrankungen unsicher bist, konsultiere am besten deinen Hausarzt. Auch während der Schwangerschaft wird vom kalten Duschen abgeraten, bei der Menstruation wird zumindest zur Vorsicht geboten.


Ich hoffe, du traust dich den Sprung ins kalte Wasser. Auch ich lebe noch und steigere langsam aber sicher meine Praxis. Eile mit Weile. Wenn du uns übrigens in unseren Yoga Ashrams besuchen möchtest, und mit Gleichgesinnten die Kraft der Kälte zu erforschen, findest du kommendes Jahr die passenden Seminare dafür:


Prof.Dr. Andreas Michalsen (2018): Heilen mit der Kraft der Natur.

Wim Hof (2021): Die Wim Hof Methode

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