Yoga für das Nervensystem

Geht dir gerade alles so richtig auf die Nerven? Unser Wohlbefinden hängt von einem funktionierenden Nervensystem ab. Im Mittelpunkt unserer Anpassungsfähigkeit, gerade in Bezug auf Stress, steht der Vagusnerv. Mit dem speziellen Yoga für das Nervensystem kannst du den Vagus gezielt ansprechen, runterschalten und die Ruhe genießen.

Der Vagusnerv

Dieser Hirnnerv ist Teil unserer gesamten physischen und neurologischen Matrix. Der paarige Nervus vagus ist an der Regulation der Tätigkeit fast aller inneren Organe beteiligt. Sein großes Verbreitungsgebiet war auch namensgebend, der Name leitet sich von lat. vagari ab. Wörtlich übersetzt heißt er also „der umherschweifende Nerv“.

Der umherschweifende Nerv

Der Vagus ist für jeden Aspekt unseres Lebens von zentraler Bedeutung. Er kann für Tiefenentspannung sorgen, ebenso wie für eine unmittelbare Reaktion auf Situationen, in denen es um Leben und Tod geht. Er kann sowohl Ursache zahlloser Erkrankungen sein als auch ihre Lösung. Darüber hinaus kann der Vagus für die notwendige tiefe persönliche Verbundenheit mit anderen Menschen und mit unserer Umgebung sorgen.

Wenn Hirnnerven nicht funktionieren

Hier ein paar Beispiele für Probleme durch eine Funktionsstörung von Hirnnerven:

Alle aufgelisteten Probleme treten zumindest teilweise aufgrund der Aktivität des hinteren Vagusastes auf und sie können durch Wiederherstellung des vorderen Vagusastes und anderer Nerven in Angriff genommen werden.

Der Seelennerv – Über die Rolle des Vagus

Der Gedanke, dass Hirnnerven bei einem dieser Gesundheitsprobleme eine Rolle spielen können, wird von der modernen Medizin nahezu durchgängig übersehen. Die meisten Menschen wissen nicht viel über den Hirnstamm, wo diese Nerven entspringen, und auch nicht über die Hirnnerven selbst.

Die Nervenzellen des Gehirns und des Rückenmarks werden nicht direkt durchblutet, stattdessen sind die Gewebe dieser Strukturen von der farblosen Gehirn-Rückenmarks-Flüssigkeit umgeben, durch deren Zirkulation die notwendigen Nährstoffe in die Zellen von Gehirn und Rückenmark gebracht und die Abfallstoffe des Zellstoffwechsel abtransportiert werden, bevor sie wieder ins Blut gelangen.

Auswirkungen auf das Soziales Verhalten

Die Blutversorgung des Stammhirns und der Nerven ist für die Funktion der Hirnnerven von entscheidender Bedeutung, zu denen auch der ventrale Ast des Nervus Vagus gehört und deren Funktion für den Zustand des sozialen Engagement-Systems (SES) wichtig sind.

Dieses soziale Engagement ist aus neurologischer Sicht ein auf der Aktivität von fünf Hirnnerven beruhender Zustand, dem vorderen Ast des Vagus und vier weiterer Hirnnerven. Arbeiten diese Nerven ordnungsgemäß zusammen, begünstigen sie einen Zustand, der zu Sozialverhalten, Kommunikation und angemessenen selbstberuhigenden Verhaltensweisen befähigt.

Sind wir sozial zugewandt, können wir Gefühle von Liebe und Freundschaft erleben, kümmern uns umeinander, arbeiten zusammen und ziehen Kinder auf, singen und tanzen und feiern gemeinsam.

Im Kontakt mit sozial zugewandten Menschen fühlen wir uns besser. Haben wir dagegen nicht genügend positiven sozialen Austausch, können wir leicht unter Stress geraten, deprimiert oder einzelgängerisch werden oder sogar gemeinschaftswidriges Verhalten entwickeln.“

Teil des vegetativen Nervensystems

Der Nervus Vagus, von dem bereits die Rede war, ist Teil des vegetativen Nervensystems, das die autonom ablaufenden Prozesse des Körpers steuert. Über das vegetative Nervensystem werden lebenswichtige Vitalfunktionen des Körpers, u.a. Herzschlag, Atmung, Verdauung und Stoffwechsel, kontrolliert und gesteuert. Auch andere Organsysteme werden von diesem Nervensystem innerviert, z.B. Sexualorgane, Blutgefäße sowie Drüsen.

Der große Beruhiger

Zum Nervus Vagus gehört auch der Parasympathikus, der dafür sorgt, dass sich der Körper nach Stress entspannt und wir uns erholen können. Sein Gegenspieler ist der Sympathikus, der dafür Sorge trägt, dass wir uns in Sicherheit bringen können.

Als Beispiel sei hier die Jagd einer Gazelle durch einen Löwen in der afrikanische Savanne genannt. Der Sympathikus signalisiert der Gazelle, dass sie in Lebensgefahr schwebt, was das vegetative Nervensystem dazu veranlasst, Stresshormone auszuschütten, die es ermöglichen, alle Reserven der Gazelle zu mobilisieren, um ihr Leben zu retten. Ist dies gelungen, schüttelt sie sich und äst weiter. Der Überlebenskampf ist vorüber.

Nicht nur die Gazelle will ihr Überleben sichern, sondern wir Menschen tun dies täglich auch, wenn auch auf eine andere Weise. Stress haben wir nicht, weil uns ein Löwe jagt, sondern weil wir zu viel arbeiten und uns aufregen oder im Stau stehen und uns ärgern. Werden die Stresshormone nicht abgebaut (abgeschüttelt), verbleiben sie in unserem Körper und führen zu Verspannungen, organischen Problemen oder zwischenmenschlichen Probleme.

So wirkt Yoga auf das Nervensystem

Jetzt kommt Yoga ins Spiel. Yoga ist ein spirituelles, Jahrtausende altes, ganzheitliches Übungssystem. Das heißt, dass es sowohl den Körper, als auch den Geist, das Energiesystem und die Psyche eines Menschen beeinflusst.

Wenn weiter oben von körperlichen, mentalen und zwischenmenschlichen Problemen die Rede war, dann hat Yoga schon immer einen positiven Einfluss auf unser Menschsein gehabt. Bei „Yoga für das Nervensystem“ werden deshalb spezielle Übungen angeboten, die dafür Sorge tragen, dass das vegetative Nervensystem wieder gut funktioniert und so Stresshormone in unserem Körper abgebaut werden.

Der weise Seher Patanjali beschreibt in den Yoga-Sutras das Ziel des Yoga als „yogas-citta-vrtti-nirodhah“. Übersetzt: „Yoga ist das zur Ruhe kommen der Gedanken im Geist“. Sind die Bewegungen der Gedanken zur Ruhe gekommen, so kann der Yoga-Übende in sein Inneres schauen, ohne von äußeren Ereignissen abgelenkt zu sein. Er ruht in sich.

Yoga spricht das parasymphatische Nervensystem an

Diese Beruhigung wird durch Yoga herbeigeführt. Das ganzheitliche System des Yoga umfasst verschiedene Komponenten, um den Geist zur Ruhe zu bringen wie: Körperstellungen (Asanas), Atemtechniken (Pranayama), Konzentration (Dharana) und Meditation (Dhyana). Alle Bereiche des Yoga wirken zusammen und unterstützen den Vorgang der Ruhigstellung der Gedanken und damit auch des Nervensystems.

Insbesondere wird das parasympathische Nervensystem durch die Übungen des Yoga aktiviert und der Sympathikus harmonisiert. Überwiegen die Funktionen des Parasympathikus, wird der Mensch ruhig, entspannt und kann sich regenerieren.

Entgegen der heutigen Devise „höher, schneller, weiter“ dreht der Yogi den „Spieß“ um und möchte Ruhe und Tiefe erleben. Diese Art der Umkehr beschreibt den Weg des Yogi – nicht zu sehr in der äußeren Welt von Stress und Hektik gefangen zu sein, sondern mehr sich und das eigene Wesen kennenlernen.

Das klassische Symbol der Umkehr finden wir in der Körperübung Kopfstand. Man stellt das Leben sozusagen auf den Kopf. Durch Yoga werden auch die Körperfunktionen von Unruhe und Nervosität „umgedreht“, hin zu einem inneren Zustand der Ruhe.

Vagus – Der wichtigste Nerv des Parasympathikus

Da geistig-seelische Vorgänge für viele Menschen schwer greifbar sind, ist es einfacher, mit körperlichen Übungen zu beginnen. Über die verschiedenen Körperstellungen, Atemtechniken und Verschlüsse wird das parasympathische Nervensystem aktiviert, und dieses bringt bestimmte Körpervorgänge und die Geistesaktivität zur Ruhe.

Der wichtigste Nerv des Parasympathikus ist der Nervus vagus, der zehnte Hirnnerv. Er verläuft vom Kopf aus durch den Hals, den Brustkorb, den Bauch bis in den Unterleib. Mittels Yogaübungen wird dieser Nerv aktiviert. Er reduziert die Körperabläufe. Der Blutfluss verlangsamt sich, sodass Organe vermehrt Sauerstoff und Nährstoffe aus dem Blut aufnehmen können. So funktionieren die Organe besser und der Körper kann sich regenerieren.

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Yoga versorgt das Nervensystem mit Energie

Yoga geht davon aus, dass der Körper nicht nur aus einem grobstofflichen, sondern auch aus einem feinstofflichen Anteil besteht. Dieser feinstoffliche Körper umfasst buchstäblich tausende von Energiekanälen.

Davon gibt es drei Energiekanäle, die das Prana, unsere Lebensenergie entlang der Wirbelsäule, fließen lässt. Kann die Lebensenergie ungehindert fließen, profitiert davon auch unser Nervensystem. Energie kann reichlich fließen durch bestimmte Pranayama (Atemübungen).

Atemübungen

Die verschiedenen Atemübungen führen zur Aktivität der Nerven. Das Heben und Senken von Brustkorb und Bauch übt einen positiven Einfluss  auf den Parasympathikus aus. Zudem benötigt der Körper Sauerstoff für die verschiedenen Körperfunktionen, so auch für das Vegetativum.

Asanas

Bei den Körperstellungen sind es besonders die rückbeugenden Übungen, die den Nervus vagus dehnen und aktivieren. Um den Effekt zu verstärken, wird ebenfalls Kumbhaka, das Anhalten des Atems, praktiziert. Auch Augenübungen beeinflussen den Vagusnerv unmittelbar und haben so einen beruhigenden Effekt.

Bei den Asanas üben Drehbewegungen,  wie dem Drehsitz (s. u.),  einen besonders ausgleichenden Effekt auf das Nervensystem aus. Hierbei nimmt die Dehnung des Sympathikus für das Zusammenspiel von Sympathikus und Parasympathikus eine besonders wertvolle Rolle ein und sollte deswegen eine viel größere Aufmerksamkeit erfahren.

Bandhas

Unter Bandhas versteht man Verschlüsse. Sie sind charakterisiert durch eine bestimmte Form der Muskelkontraktion. Beim Halsverschluss wird der Kopf nach vorne oder in den Nacken gedrückt. Diese Muskelaktivität führt dazu, dass der Anteil des Nervus vagus, der durch den Hals verläuft, angeregt wird und so den Körper in die Ruhe führt. Den Genickverschluss finden wir z.B. bei den Körperstellungen wie dem Fisch und der Heuschrecke.

Eine wichtige Übung des Yoga ist Uddiyana-Bandha. Dabei zieht man den Bauch ein und kontrahiert die Bauchmuskeln. Der Verschluss des Bauchraumes beeinflusst im Besonderen das parasympathische Nervensystem und beruhigt den Geist. Es entsteht unmittelbar nach der Übung ein Gefühl der Ruhe und Stille.

Reinigungsübungen

Ein weiterer Grundpfeiler des Yoga sind die Reinigungsübungen, die Shatkriyas (sechs Reinigungsübungen). Diese befreien von körperlichen und seelischen Schlacken. Zu den Übungen zählt u. a. der unverwandte Blick in eine Kerzenflamme, der letztendlich zu innerer Ruhe führt.

Tiefenentspannung

Neben der beschriebenen Yogapraxis hat eine insgesamt gesunde Lebensweise einen positiven Einfluss auf den Geist und die Gedankenbewegungen. Zuviel Arbeit und Geschäftigkeit ist einer der Grundpfeiler für einen unruhigen Geist. Hier wäre aus Sicht des Yoga mehr Entspannung anzuraten – und dafür gibt es unendlich viele tolle Entspannungstechniken.

Sattwige Ernährung

Zu einer gesunden Lebensweise zählt ebenfalls eine gute und ausgewogene Ernährung. Eine gesunde Ernährung führt dem Körper Nährstoffe zu und unterstützt die Übungen des Yoga. In der yogischen Ernährung werden besonders frisches Obst und Gemüse und Getreide bevorzugt.

Fertigprodukte werden gemieden. Dies wirkt ausgleichend auf Körper, den Geist und die Seele. Nahrungsmittel, die Körper und Geist des Menschen zu stark anregen, sollten gemieden werden. Hierzu zählen u.a. koffeinhaltige Getränke und scharfe Gewürze.

Mit Yoga das Nervensystem beruhigen

Der Nervus Vagus als Teil des parasympathischen Nervensystems ist ein wichtiger Faktor in der Praxis des Yoga. Seine Aktivierung führt zu Ruhe, Gelassenheit und innerem Frieden. Die Harmonisierung des Nervensystems verhilft zur spirituellen Entwicklung des Menschen um sich mehr und mehr vom Unbewussten zum Bewussten zu erheben.


Von Premajyoti Edith Schumann

Buchtipp: Stanley Rosenberg (2018): Der Selbstheilungsnerv


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