Tapas: Selbstdisziplin – Niyama (Teil 8)

Tapas ist eine Übung für mehr Selbstdisziplin

Tapas ist ein großes Thema im Yoga. Viele Menschen tun viele Dinge im Namen von Tapas wie stundenlanges Üben und enthaltsames Leben. Am Ende der gesunden Tapas-Reise steht große Willenskraft, gereinigter Geist und Körper und gesunde Routinen. Tapas heißt Askese oder Selbstdisziplin und ist als drittes Niyama dafür da, dass wir Hindernisse aus dem Weg räumen, um gesunde Verhaltensweisen etablieren zu können. Durch Übungen und Selbstdisziplin lernen wir Körper und Geist kennen. Wir sehen unsere Grenzen und Fähigkeiten, können dem Ego Lebewohl sagen und haben in der Hand, wer wir sind. Klingt ziemlich gut, oder? Der Weg dorthin ist nicht der aller leichteste, aber auf jeden Fall machbar und es lohnt sich!

Hier gehts zur Übersicht der Yamas und Niyamas.

Bei Tapas gilt wahrscheinlich am meisten von allen Niyamas und Yamas, dass der Weg der Mitte wichtig ist. Allerdings liegt hier auch die gute Nachricht: Tapas fördert das Unterscheidungsvermögen (Buddhi) und zeigt uns somit den gewünschten Mittelweg. Schlagen wir beispielsweise einmal über die Stränge und unsere Übung fordert zu viel, wird unser Körper müde und schlapp. Machen wir nicht genug, sind wir unausgelastet und verlangen nach mehr. Wenn wir etwas oft genug üben, lernen wir, ob wir wirklich zu viel gemacht haben oder ob es die falschen Übungen waren, es an unserer Tagesverfassung lag oder es der falsche Tag war. Tapas ist also ständig begleitet von Selbstbeobachtung. Etwa nur zu fasten reinigt zwar den Körper und nur zu Dehnen sorgt für einen freien Körper, allerdings haben wir dann noch nichts über uns selbst gelernt. Erst wenn wir aufmerksam mitmachen, lernen wir wer wir sind, wie wir sind und was wir brauchen.

Zu Risiken und Nebenwirkungen fragen Sie ihr Tapas

Was ist förderlich und was ist nicht förderlich für mein Leben? Genau das fragt und kontrolliert Tapas. Es ist eine Einladung, alle unbewussten Handlungen zu hinterfragen und unser Leben regelmäßig zu säubern von solchen sich manchmal einschleichenden Hindernissen. Viele kennen den Spruch „Tamas bindet aus Unachtsamkeit“ Bh.G. XV 8. Schaffen wir also die Unachtsamkeit ab, sind wir ein ganzes Stückchen näher am „guten Leben“ oder welchen Begriff ein Aspirant auch wählen mag. Das sieht praktisch so aus, dass wir nicht mehr nach unseren Gewohnheiten leben müssen. Wir erkennen, wie in der Meditation: „Oh ein Gedanke oder ein Automatismus taucht auf“ und lassen ihn dann weiterziehen.

Alte Handlungsmuster loszulassen braucht viel Willenskraft. Ob es das Rauchen, Süßigkeiten-Essen oder auch Sarkastisch-Sein ist, Gewohntes abzustellen geht nicht von heute auf morgen. Wir brauchen viel Selbstdisziplin, um solche Dinge in uns zu ändern. Hier wird auch deutlich, dass Tapas hautsächlich für uns ist. Es geht darum, unser Leben selbstermächtigt in die Hand zu nehmen und die Teile zum Ausdruck zu bringen, die wir stärken wollen. Üben wir Dinge, die wir eigentlich nicht gerne tun, können wir daraus viel Stärke ziehen, auch wenn es zunächst paradox klingt.

Gebrauchsanweisung

Tapas funktioniert so, dass wir uns daran gewöhnen, Ungewohntes zu tun. Beispielsweise Essen wir einen Tag die Woche nichts. Das mag am Anfang beschwerlich sein und fast unmöglich scheinen. Wir brauchen viel Willenskraft und schaffen dann eventuell nicht mehr die Asanas. Nach einer Weile kontinuierlichen Übens jedoch wird es viel leichter. Wir spüren kaum noch Hunger und können das Fasten eventuell sogar genießen. Nicht nur unser Körper kann sich in der Zeit reinigen, auch unser Geist lässt den Gedanken „Ich MUSS JETZT essen“ los. An anderen Tagen werden wir eventuell nicht schlecht gelaunt, wenn wir kein Essen sofort bekommen, weil etwas Wichtiges dazwischengekommen ist.

Wir können also unsere Stimmung besser bändigen und gewinnen Selbstkontrolle. Dieser Effekt kann dann auch im besten Fall auf andere Dinge übertragen werden. Wir haben Erfolgserlebnisse, trauen uns mehr zu und können durch Disziplin z.B. das Rauchen aufhören. Unbeliebtes tun wird durch Tapas zu einem gewissen Grade Alltag. Der Fokus verschiebt sich also vom Angenehmen auf das Gute. Dabei ist es nicht wichtig, ob wir wirklich geschafft haben, einen ganzen Tag nichts zu essen. Das Ziel war eventuell noch zu hoch gesteckt und unser Körper ist noch nicht so weit. Allerdings haben wir einen Trainingsreiz gesetzt und nächstes Mal kommen wir ein Stück weiter. Wir fasten am Anfang „nur“ 12 Stunden am Tag, irgendwann geht’s hoch auf 16 und nach einer Weile können wir einen ganzen Tag auf Essen verzichten.

Regelmäßigkeit macht den Unterschied

Dieses System funktioniert allerdings nur, wenn wir Tapas auch wirklich regelmäßig üben. Zu viele Ausnahmen machen uns nicht disziplinierter, sondern kreativer im Ausreden finden. Das mag auch eine praktische Fähigkeit sein, führt allerdings weder zu einem gesunden Körper noch Geist und erst recht nicht zur Selbstverwirklichung. Gedanken wie „So schnell kriege ich nicht mehr leckeren Kuchen, da muss ich zuschlagen“, sind kleine Einladungen der eigenen Gedanken bewusst zu werden. Wir dürfen sie wahrnehmen und verstehen, dass wir nicht diese Gedanken sind. Ähnlich wie ein gut gemeinter Ratschlag ist dieser Gedanken da und wir können ihm entweder nachgehen oder es sein lassen. Je öfter wir ihm nicht folgen, desto leiser wird er, bis er vielleicht irgendwann nicht mehr da ist.

Entspannt lässt sich Tapas gut genießen, wenn wir erstmal ein wenig aufgebaut haben

Selbstdisziplin ist also ein Schutz gegen „ungesunde“ Gedanken, Automatismen und Ratschläge. Wir können Stimmungsschwankungen besser bändigen, Wünschen die Stirn bieten und liebevoll mit uns selbst umgehen.

Wenn wir etwas regelmäßig üben wollen, sollte es gesund für uns sein. Es braucht also einige Zeit herauszufinden, was die richtige Übung ist. Es gibt, um weiter beim Essen zu bleiben (hoffentlich hat noch keiner zu den Keksen gegriffen, wo es so viel um Essen geht…) Menschen, die frieren, wenn sie fasten. Im tiefsten Winter damit anzufangen, eine Woche nichts zu essen, verstößt dann gegen Ahimsa (Gewaltlosigkeit). Unser Geist wird dadurch nicht wie gewünscht ruhig und rein, sondern beschäftigt sich mit der drohenden Krankheit des Körpers. Jemand, der allerdings regelmäßig zwei Wochen fastet, ist davon eventuell unterfordert und macht sogar Rückschritte. Selbstdisziplin kann mit kleinen Übungen beginnen oder große Sprünge machen. In jedem Fall richtet sie sich nach unseren derzeitigen Fähigkeiten und Bedingungen.

Die richtige Einstellung für Tapas

Schon das Wort Selbst-Disziplin verrät, dass es um das Selbst geht. Das bedeutet, dass auch die Motivation für unser individuelles Tapas aus uns selbst kommen sollte. Wenn die Eltern dir vorschreiben, zum Yoga zu gehen, und du es ihnen zu lieben machst, kostet es zum einen mehr Energie und zum andern schwindet die gewonnene Entscheidungskraft. Disziplin kommt von innen heraus, durch den eigenen Wunsch sich zu verändern, wir können niemand anderem sein Glück aufzwingen. Auch zu hoch oder niedrig gesteckte Ziele und der Vergleich mit anderen können dazu führen, dass wir eher abbrechen oder gar nicht erst anfangen.

Tapas heißt konkret Dinge zu tun, die gut für uns sind und die wir eigentlich lieber nicht tun würden. Dafür brauchen wir nicht weit zu suchen. Toilette putzen, Geschirr waschen oder auch den Müll rausbringen können gute Übungen für die Willenskraft sein, wenn wir uns vornehmen sie mit Dankbarkeit und Liebe auszuüben. Wir brauchen niemand anderem davon erzählen, so laufen wir auch nicht in Gefahr, unser Ego zu versorgen, sondern wir üben uns einfach in genau dieser Praxis. Dafür kannst du auch über ein Gedankentagebuch nachdenken. Es fällt vielen durchs Aufschreiben leichter, ihre Gedanken und die Veränderung wahrzunehmen. So erkennen wir auch Erfolge unserer Praxis.

Der Erfolg von Tapas ist in diesem Sinne erst einmal nur für uns. Wir lernen uns besser zu kontrollieren, mit uns umzugehen und liebevoll gesund zu bleiben. Allerdings ist das sicher auch gut für unsere Umgebung. Ausgeglichener können wir mehr Menschen liebevoll begegnen. Dem Drang nach Keksen zu widerstehen versetzt uns in die Lage, unserer Nachbarin einen Keks zu schenken. Mehr Geduld mit den eigenen Fortschritten zu haben, lässt uns nachsichtigere Lehrer für andere werden. All unser Tun und Handeln wirken sich auch auf andere aus. Tapas kann also ein guter Schritt für mehr Harmonie im Innen wie im Außen sein und gehört deshalb zu den Niyamas von Patanjali.

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1 Kommentar zu “Tapas: Selbstdisziplin – Niyama (Teil 8)

  1. Inspirierender Artikel. Ich werde gleich den Rechner ausschalten und stattdessen meinen Fußboden wischen:) Schön geschrieben. Vielen Dank!

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