Buteyko Atmung: Warum weniger atmen, manchmal eben mehr ist

Jeder hat bestimmt schonmal gefastet. Dahinter steht die Idee, das gelegentlicher Mangel dem Körper dabei hilft, enorme Selbstheilungskräfte zu entwickeln. Ähnlich könnte man den Atem betrachten. Ein Plädoyer gelegentlich mal weniger zu atmen – mit der sanften Methode der Buteyko Atmung.

Absichtlich atemlos

Während ich schon fast im Stechschritt zur Post marschiere, muss ich plötzlich über mich stutzen. “Jetzt halt aber mal die Luft an”, sage ich mir innerlich, als ich mich beim Hetzen bemerke und verlangsame instant meinen Gang.

Bleibe kurz stehen, und halte ebenso meinen Atem an, zähle innerlich: eins, zwei, drei, vier, fünf. Atme ein und mein Gesicht wird weich, die Schulter fallen ab und meine Wahrnehmung weitet sich deutlich.

Gehe weiter, jetzt deutlich langsamer und atme ansonsten normal weiter – nur das ich regelmäßig den Atem anhalte. Und bemerke zum ersten Mal den Nieselregen in meinem Gesicht, den frischen Wind, merke das ich richtig friere. Außerdem bemerke ich, dass Menschen vorbeigehen. Das Laub leuchtet.

Deutlich zentriert, fahre ich fort, der Parasympathikus brummt. Viel frische Luft ist eben nicht das Einzige, was ein Yogi braucht – manchmal kann es auch genau das Gegenteil sein.

Buteyko Atmung: Einfach weniger atmen

Kaum etwas ist so elementar im Yoga, wie der Atem, den wir mit der Schule des Pranayama lehren, mal gleichmäßig zu fließen, mal nahezu zum Stillstand zu kommen, oder auch mal ganz anzuhalten. Die Atemübungen der Buteyko Atem legen den Schwerpunkt der Atemschule darauf, weniger zu atmen.

Ein russischer Atem-Pionier

Buteyko (1923-2003) war ein richtiger Pionier der Atemforschung. Als russischer Mediziner erforschte er insbesondere den Atem und übte auch selbst intensive Atempraxis. Und das nicht ohne Grund: All seine Forschung über den Atem nährten in ihm die starke Überzeugung, dass der komplexe biochemische Prozess des Atmens einer der grundlegenden Schlüssel zur Gesundheit ist.

Buteyko, der selbst unter starken Bluthochdruck sowie Anfällen von Brustschmerzen und Atemnot litt, wurde damals ein kurzes Leben vorausgesagt. Seine Forschungsodysee war also mehr als persönlich motiviert.

Überatmung: Ein Hauch von zu viel

All seine Erkenntnisse deutete für Buteyko auf eines hin: Der moderne Mensch atmet zu viel. Mit der sogenannten “Überatmung” umschrieb er einen Zustand, in dem der Mensch dauerhaft zu viel atmet. Ähnlich, wie Überessen zu einer ganzen Kette gesundheitlich bekannter Probleme führt, soll demnach auch Überatmung in Zusammenhang mit einer Vielzahl von Beschwerden und Krankheiten stehen, allen voran Atemwegserkrankungen.

Die von ihm entwickelte Buteyko Atmung setzt genau dort an, wobei sie den Körper darauf trainiert langfristig weniger Atem zu brauchen.

Für Buteyko wurde seine Methode zu einem großen Erfolg, denn schon bald normalisierte sich sein Bluthochdruck. Bis heute wird die Buteyko Atmung zur Linderung und Heilung einer Vielzahl von Krankheiten und Beschwerden genutzt, insbesondere Asthma.

Bei diesen Beschwerden hilft die Buteyko Atmung

Der Verein “Buteyko Deutschland” gibt Einblicke über die erfolgreiche Anwendung der Buteyko Methode. Dazu zählen insbesondere Atemwegserkrankungen, wie Asthma, Heuschnupfen oder Rhinitis, aber auch erhöhte Infektanfälligkeit oder Migräne.

Außerdem hilft die Buteyko Atmung demnach aber auch bei psychischen Beschwerden, wie stressbedingten Gesundheitsproblemen, oder Panik- und Angstattacken.

Eine andere Liste zu Überatmungssymptomen nach Skuban, setzt das chronische zu viel Atmen in Zusammenhang mit einer großen Fülle an weiteren Problemen, wie Verdauungsbeschwerden, geringer Libido, Muskelverspannungen, allgemeiner Erschöpfung und Vieles mehr.

Doch selbst wenn man nicht unbedingt an irgendwelchen akuten Beschwerden leidet, hilft die Buteyko Atmung enorm, sich wieder innerlich auszurichten, wenn man merkt, dass man sich mal wieder in seinen Stresstunnel gegraben hat.

Spotlight auf CO₂: Ein wichtiger Faktor für gesunde Atmung

Hilft denn viel frische Luft nicht viel? Tatsächlich haben wir selbst, wenn wir normal atmen, unter gewöhnlichen Bedingungen immer mehr als genug Sauerstoff intus, denn der Großteil des in der Luft enthaltenen O₂ wird wieder ausgeatmet. Sauerstoff haben wir also mehr als genug.

Was der Körper hingegen braucht, ist gemäß Buteyko mehr CO₂, das vielen aus der Schule noch als “Abfallprodukt” des Körpers bei der Ausatmung hängen geblieben sein dürfte – ein verzerrtes Bild. Ähnlich wie Sauerstoff spielt CO₂ eine entscheidende Rolle für die Atmung.

Was CO₂ im Körper leistet

Kohlenstoffdioxid ist nicht nur ein Signalmolekül für die Durchblutung, sondern orchestriert auch die Verteilung des Sauerstoffs im Körper. Darüber hinaus stabilisiert es auch den pH-Wert im Körper. Was die meisten nicht wissen: die Menge des CO₂ steuert den Atemantrieb. Wenn du also das nächste Mal einatmen möchtest, hast du kein Verlangen nach Sauerstoff, sondern genaugenommen das Bedürfnis CO₂ auszuatmen.

Eine Gesellschaft außer Atem

Die Menge des CO₂ in unserem Körper kreiert das Gefühl, was wir als Lufthunger kennen. Wie viel CO₂ wir vertragen, ist dabei keine feste Größe, sondern Veränderungen unterworfen. Die These der Überatmung geht davon aus, dass bei vielen Menschen der Atemantrieb heutzutage zu schnell geht, wir es also gewohnt sind, nur noch vergleichsweise geringe Mengen CO₂ zu vertragen.

Was passiert, wenn wir aus der Balance kommen

Das liegt sowohl daran, dass der moderne Mensch es sich angewöhnt hat zu schnell oder zu flach zu atmen, also mehr Atemzüge pro Minute macht, als es notwendig wäre. Und was bedeuten zu geringe Mengen CO₂ im Körper? Im Umkehrschluss wirkt es sich negativ auf die Durchblutung, Sauerstoffverteilung und den pH Wert aus.

Da die Atmung mit so vielen komplexen biochemischen Prozessen zusammenhängt, wird die Überatmung deswegen mit einer sogroßen Vielzahl an Beschwerden und Krankheiten in Verbindung gebracht. Die gute Nachricht ist, dass man den Körper wieder an größere Mengen von CO₂ gewöhnen kann: mit der Buteyko Methode.

Die Methode der Buteyko Atmung

Die Buteyko Atmung zielt insgesamt darauf ab, die CO₂ Toleranz des Körpers zu erhöhen. Dabei üben wir absichtsvoll weniger zu atmen – denn weniger ist hier eben einfach mehr. Dabei erkundet man die Grenze des Gefühls, das wir als Lufthunger kennen, also den Drang, einatmen zu wollen. Das kann ganz sanft geschehen.

Die Buteyko Methode besteht dabei aus zwei grundlegenden Elementen:

  1. CO₂ Toleranz messen
  2. Buteyko Übungen

1. Die CO₂Toleranz messen: Die Kontrollpause erfassen

Die CO₂ Toleranz wird über die Kontrollpause (KP) erfasst. Diese erfasst den Zeitraum, nach dem man nach einer normalen Ausatmung den natürlichen Drang verspürt, wieder einzuatmen. Das kannst du folgendermaßen messen:

  • Nimm dir 3 min. Zeit zur Ruhe zu kommen.
  • Dann atme ganz normal aus, halte den Atem an, und starte deine Stoppuhr.
  • Achte hier auf deinen ersten, ganz sanften Einatemimpuls. Dieser kann bereits nach wenigen Sekunden einsetzen. Nicht schummeln, das ist ganz wichtig.
  • Sobald du deinen Einatemimpuls verspürst, gebe diesem nach und stoppe gleichzeitig deinen Timer.

Die KP ist einerseits ein Zeichen dafür, wo du mit deiner CO₂ Toleranz stehst. Das kann durchaus unter 10 Sekunden sein, oder etwas darüber. Viele Beschwerden klingen nach einer KP von 25 Sekunden ab, regelmäßg Übende sollen wohl auf ganze 40 Sekunden kommen.

Andererseits ist die KP ein Hinweis darauf, ob du die Übung korrekt ausgeführt hast. Sie sollte nach den Übungen immer höher sein als davor, sonst hast du zu lange gehalten. Gerade am Anfang ist es sinnvoll , immer mit der KP zu üben, um ein Gefühl für deinen Lufthunger zu bekommen.

Nachdem du etwas Übung hast, kannst du die KP dann auch nach deinen Geschmack reduzieren – finde hier einfach einen regelmäßigen Abstand, damit du schauen kannst, ob du Fortschritte machst. Ich persönlich messe inzwischen einmal die Woche.

2. Buteyko Atmung üben: Viele kleine Atempausen

Bevor du anfängst, gilt erstmal grundsätzlich, das du sanft einsteigen solltest, insbesondere bei gesundheitlichen Beschwerden. Deswegen gebe ich dir heute die Übung “Viele kleine Atempausen”. Diese kratzt nur an der Grenze zum Lufthunger, ist also super soft. Dabei wird quasi jeder dritte Atemzug ausgesetzt:

  • 3 min zur Ruhe kommen und KP erfassen (optional).
  • Sitze bequem.
  • Dann halte nach einer normalen Ausatmung den Atem für etwa 5 Sekunden an.
  • Atme daraufhin wieder für 2 Atemzüge weiter. Es sollten leichte, unangestrengte Atemzüge sein.
  • Wiederhole beliebig oft, für ca. 10 min lang.
  • 3 min zur Ruhe kommen und KP erfassen (optional).

Wenn das nicht ganz dein Tempo war, dann erhöhe oder reduziere nach Bedarf die Anzahl der Sekunden der Atempause. Schau einfach, das sich bei den Atempausen das Gefühl eines leichten Lufthungers einstellt.

Diese Übung kannnst du sowohl im Sitzen, als auch im Gehen machen. Viele kleine Atempausen ist mein persönliches Go-to, wenn ich kleinere Botengänge mache oder einen Spaziergang während des Tages. Beim Gehen wirst du allerdings feststellen, das deine Atempausen erheblich kürzer sind und du schneller einatmen musst. Das ist nur natürlich.

Übungstipps

  • Intensität: Je ernster deine gesundheitliche Lage ist, desto sanfter solltest du üben.
  • Nicht schummeln: Fang bloß nicht an bei der Kontrollpause zu flexen. Es geht nicht darum zu beweisen, wie lange du die Luft anhalten kannst, sondern ein für dich realistisches Ergebnis zu erzielen. Wenn es hilft: Auch mich hat mein erstes Ergebnis ziemlich unzufrieden gemacht. Jeder fängt mal klein an.
  • Regelmäßig KP erfassen: So merkst du, ob du Fortschritte machst. Du könntest zB. einmal am Tag, alle zwei Tage oder einmal pro Woche messen.
  • Puls messen: Wem das Messen Spaß macht, kann auch mal versuchen am Anfang und Ende der Praxis seinen Puls zu messen. Dieser sollte nach der Übung langsamer sein, als davor.
  • Lerne mehr: Hol dir ein gutes Buch, oder besuche ein Seminar, um weitere Übungen kennenzulernen.

Wie die Buteyko Atmung üben?

  • Mindestens 30 min am Tag üben, und optimalerweise 60 min.
  • Je mehr du übst, desto schneller zeigen sich Fortschritte.
  • Übungseinheiten kreieren: Du musst nichts am Stück machen, sondern kannst die Zeit sinnvoll aufteilen, zB. 2x 15 Minuten, oder 1x 30 und 1x 10 min. Jede Übungseinheit sollte allerdings 10 min. dauern.

Das schöne an den vielen Übungen der Buteyko Atmung ist, das sie so sanft und unkompliziert sind, das du sie problemlos in deinen Alltag integrieren kannst.

Viele kleine Atempausen übe ich beispielsweise zwischendurch beim Yoga, auf einen Spaziergang, oder beim Aufräumen – immer dann eben, wenn ich schon wieder zu sehr im Strom der Ereignisse stecke und mich in eine wohlverdiente Pause von alledem atme.

Falls du neue Anregung für deine Atempraxis brauchst, besuche uns gerne in unseren Yoga Ashrams und lerne Atemübungen und Pranayama unter Gleichgesinnten:


Nestor, James (2021) : Breath: Neues Wissen über die vergessene Kunst des Atmens.

Skuban, Ralph (2022): Atmen. Heilt, entspannt und zentriert

www.buteyko-deutschland.de

4 Kommentare zu “Buteyko Atmung: Warum weniger atmen, manchmal eben mehr ist

  1. Toll, dass die Buteyko Atmung den Weg zu Yoga Vidya gefunden hat! Diese Atem-Methode hat es verdient, verbreitet zu werden! Ich hoffe Ihr fangt irgendwann an, sie (teilweise) in Eure Yogastunden einzubauen.

    Viele Grüße und viel Frieden

    • Buteyko Atmung in den Yoga Vidya Yogastunden wäre auf jeden Fall ein Novum 🙂 Ich werde es mal vorschlagen!

  2. Roman Richter

    Sehr schöner Artikel mit einfachen Anleitung. Vielen Dank für eure Mühe und Liebe. Haribol

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