The pleasure of Non-Sex – Über Freuden jenseits der Sexualität

Die Seele jenseits von Sexualität

Gerade in heutiger Zeit nimmt die Sexualität einen immer größeren Stellenwert ein und wird bisweilen als das Höchste angesehen, was wir Menschen erfahren können. Es gibt aber jenseits davon Freuden der Seele, die weit über Sexualität hinausgehen.

Ein Beitrag von Ronald Engert

Sex ist nicht alles in der Welt. Aber manchmal scheint es alles zu sein. Die Sexualität ist ein sehr starker Trieb und natürlich geht es einerseits um eine Art höheres Bewusstsein, das man vielleicht wohlwollend in dieser Tätigkeit erleben kann, aber es geht andererseits auch um Trieb und Instinkt. Es geht darum, physische Körper fortzupfanzen.

Ist es möglich, mithilfe von Sexualität die materielle Welt zu transzendieren? Tantra sagt Ja. So empfiehlt Osho, wir sollten das irdische Leben voll und ganz annehmen und uns ganz in der Handlung aufgehen lassen, dann entstünde kein Karma. Aber Karma bedeutet Handlung. Jede Handlung ist eine Kombination aus Aktion und Reaktion. Wir werden an das Ergebnis der Handlung gebunden und müssen die Reaktionen ernten.

Spirituelles Bewusstsein – Der Blick der Seele

Karma ist ein Teil der materiellen Welt und entsteht, wenn wir die Früchte unserer Handlungen genießen wollen. Es gibt einen Unterschied zwischen materiellem und spirituellem Bewusstsein. Im materiellen Bewusstsein identifzieren wir uns mit den vergänglichen Dingen in Raum und Zeit. Im spirituellen Bewusstsein erkennen wir die ewigen Dinge, die unsere ureigenste und unverbrüchliche Wahrheit sind.

Sexualität kann unseren Blick verschleiern

Ich möchte dies an einem einfachen Beispiel erklären: Einst ging ich des Abends in Frankfurt durch die Fußgängerzone. Ich war damals sehr tief in das Bhakti-Yoga eingetaucht. Das Bhakti-Yoga/Krishna-Bewusstsein lehrt, dass wir nicht dieser Körper sind. Es geht darum, unsere Seele freizulegen und auf die spirituelle Ebene zu gehen.

Ich ging also durch die Fußgängerzone und sah dort eine junge Frau, die von zwei Männern umworben wurde. Es war Frühling, die Säfte stiegen. Ich konnte sehen, wie sehr sich die beiden Männer um die Frau bemühten, wie sie sexuelle Absichten hatten. Ich hatte den transzendentalen Blick und sah in den Augen der Frau eine Art von Verzweifung, gepaart mit Resignation und Irritation.

Die Männer schwänzelten um sie herum und waren offensichtlich voll und ganz auf ihren Körper fokussiert, der sehr hübsch war. Sie blickten auf ihre Brüste und ihr Gesäß und führten eine Art Balztanz auf, der durch den Umstand noch verstärkt wurde, dass sie wohl um die Beute konkurrierten.

Es war offensichtlich, dass diese Männer nur den Körper und nicht die Seele der Frau sahen. Die Seele kann man sehen, wenn man in die Augen schaut. Und in den Augen der Frau sah ich Einsamkeit und Hilflosigkeit und den Wunsch, als Seele und als Mensch erkannt zu werden. Das Bild der Männer hatte etwas Peinliches. Sie waren, wie man sagt, schwanzgesteuert. Es wäre so schön gewesen, wenn diese Frau als Seele und Mensch erkannt worden wäre. Sie wurde aber nicht erkannt, und so blieb sie einsam und ungefühlt.

Die Seelenenergie des Selbst

Für mich war das eine sehr außergewöhnliche Wahrnehmung. Ich konnte die Seele dieser Frau sehen und ich verstand, dass es um etwas ganz anderes geht als um sexuelle Energie. Es geht um die Seelenenergie, um unseren Seelensinn des Selbst. Ich hatte diese transzendentale Sicht meiner Meditationspraxis und der tiefen Absorption in das Krishna-Bewusstsein zu verdanken. Es war damals eine außergewöhnliche Zeit für mich, die auch irgendwann vorbei war.

Die Seele jenseits von Sexualität

Auch mein Bewusstsein bewegte sich danach wieder in die materielle Ebene, und ich konnte diese spirituell seelische Ebene nicht mehr erfahren. Auch bei mir sprang wieder der sexuelle Impuls an und ich sah die Frauen wieder auf der körperlichen Ebene, wobei die Körper schöner Frauen bei mir besondere Aufmerksamkeit erregten. So geht es mir meist heute noch. Aber ist es nicht irrwitzig, einen Menschen körperlich anziehend (oder abstoßend) zu finden, dessen Persönlichkeit und Wesen man gar nicht kennt?

Unser Körper ist nur unser Kleid

Ist es richtig, in diese Energie hineinzugehen? Ist es richtig, auf den Marktplatz zu gehen und nicht mehr zwischen oben und unten zu unterscheiden, wie Osho meint? Könnten wir nicht vielleicht etwas Essenzielles verpassen? Was ist der Sinn des Lebens? Und was gibt die größte Freude? Die Wahrnehmung der Seele dieser Frau eröffnete mir ein Gefühl der Transzendenz, die in mir selbst meine Seele berührte. In diesem Fall war es eine traurige Situation, weil die Frau eben nicht als Seele gesehen wurde.

Aber ich konnte sie sehen, und mir wurde klar, um was es eigentlich geht. Wir sind spirituelle Wesen jenseits von Raum und Zeit. Unser physischer Körper ist ein temporäres Gefäß oder ein Gefährt – in der Bhagavad Gita wird er Yantra genannt –, das uns gute Dienste leistet. Aber unser Körper ist nur unser Kleid und nicht das, was wir wirklich sind.

Die Erfahrung der Seele

Ebenfalls in der Bhagavad Gita ist zu lesen: Wir alle gehen durch Geburt, Alter und Tod. Jedem, der geboren wurde, ist der Tod gewiss, und jedem, der gestorben ist, ist die Geburt gewiss. Aber es gibt darüber hinaus die Ebene der Seele des Atman –, wo wir unsterblich sind. Diese Seele ist ewig, allglückselig und voller Wissen.

Ich kann diese Seele im Austausch mit Gottverliebten und mit Göttin-Gott erfahren. Wenn die Seele in dieser Erfahrung ist, dann erscheinen körperliche Freuden geradezu winzig. Ohne diesen höheren Geschmack zu erfahren, ist es jedoch nicht möglich, den Unterschied zu erkennen. Wer immer nur Hollandtomaten isst, hält sie für echte Tomaten.

Sexualität und Gott

Unser materieller Körper aus Fleisch, Knochen und Blut ist wie ein Raumanzug, den wir hier in der materiellen Welt brauchen. Unser wahrer Bestimmungsort ist aber nicht die materielle Welt, sondern die spirituelle Welt, das Reich Gottes. Dort nehmen wir unseren ewigen, spirituellen Körper an, und dort gibt es auch Sexualität.

Diese Sexualität ist mit Göttin-Gott verbunden. Sie ist kein Genießerprogramm unseres Egos, sondern ein Dienst für Göttin-Gott. Insofern ist Sexualität nicht schlecht. In der Beziehung zu Göttin-Gott erzeugt diese romantisch-erotische Gemütsstimmung spirituelle Ekstase und Glückseligkeit.

Diese Liebe zu Göttin-Gott ist das Intensivste, was die Seele erfahren kann. Sexualität aber für sich zu gebrauchen und als Wert in sich selbst zu überhöhen, lenkt von dem eigentlichen Sinn des Lebens ab. Dann kann man die Seelenebene nicht mehr sehen und fühlen. Die seelische Sicht ist wirklich ein anderer Blick, der mit dem Körper nichts mehr zu tun hat. Egal ob ein Mensch alt oder jung, schön oder hässlich, Mann oder Frau ist, als Seele ist er liebenswert.

Sexualität ist Teil einer Illusion

Jene äußeren Merkmale sind zeitweiliger Natur. Sie haben nichts mit der ewigen Wahrheit zu tun. Will man sich nicht in den materiellen Gefilden verzetteln, so tut man gut daran, die Aufmerksamkeit auf die spirituelle Seele zu richten. Das ist unsere wesensgemäße Bestimmung und das, was die Seele vollständig zufriedenstellt. Alles andere ist nur Flickwerk und Ablenkung vom Wahren.

In Illusion

Leider ist unser Bewusstsein materiell bedeckt, und wir können diese Ebene nicht wahrnehmen. Wir sind in Maya – in Illusion –, und deshalb leiden wir. Wir haften an vergänglichen Identifikationen und Dingen, die wir irgendwann verlieren werden. Der Austritt aus der Illusion erfolgt durch Meditation und Gebet und einen entsprechenden Lebenswandel.

Das ist ein schwerer und langer Weg, weil wir nicht nur in Illusion sind, sondern auch an diese Illusion angehaftet sind. Wir glauben wirklich, wir könnten aus diesen materiellen Energien Freude und Genuss ziehen. Das ist aber Unwissenheit. Manchmal hilft es, abstinent zu leben, um diese starke Anhaftung und Identifizierung mit zeitweiligen Formen zu überwinden.

Dann kommt ganz langsam eine Art des Mitgefühls und der Zuneigung zu allen Lebewesen auf. Dann sieht man ihren Schmerz, ihre Verwirrung, ihre Sehnsucht nach Liebe, und der Wunsch, ihnen zu helfen, wird erweckt. Dann geht es nicht mehr um Sex, denn es ergreift uns eine ganz andere Freude – eine Freude der seelischen Verbundenheit mit allen Lebewesen. Eine Freude, die uns zu Tränen rührt.

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Der Autor

Ronald Engert

Ronald Engert, geb. 1961. Studium der Germanistik, Romanistik und Philosophie, später Indologie und Religionswissenschaften an der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt/M. 1994, Mitgründung der Zeitschrift Tattva Viveka, seit 1996 Herausgeber und Chefredakteur. 2017 Bachelorabschluss in Kulturwissenschaft an der Humboldt-Universität zu Berlin.

Seitdem Masterstudium. Arbeitet aktuell an seiner Masterarbeit zum Thema »Mystik der Sprache«. Autor von »Gut, dass es mich gibt. Tagebuch einer Genesung« und »Der absolute Ort. Philosophie des Subjekts«. Blog: www.ronaldengert.com / Zeitschrift: www.tattva.de

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