Die Mythologie vom Weltenbaum als Symbol allen Lebens

Bäume und Wälder üben schon immer einen magischen Einfluss auf uns aus. Als uralte Wesen verbinden sie Himmel und Erde und sind von Mythen und Märchen umrankt.

Gleichzeitig dienten sie unseren Ahnen als heilige Tempel und Kultstätten und vor allem auch als Lebensgrundlage. Auch heute noch begleiten uns Bäume bei den traditionellen Feiern im Jahreskreis. Weder als Maibaum noch als Weihnachtsbaum sind sie aus unserer Kultur wegzudenken.

Der Baum des Lebens gehört zur Mythologie vieler Völker und ist ein altes Symbol der kosmischen Ordnung. Er symbolisiert das Leben an sich. Der Lebensbaum verkörpert die Ordnung der jeweiligen Welten und verbindet die verschiedenen Ebenen miteinander.

Als Weltachse steht der Lebensbaum im Zentrum der Welt. Seine Wurzeln reichen tief in die Erde und seine Krone berührt oder trägt den Himmel. So verbindet er die drei Ebenen Himmel, Erde und Unterwelt.

Die Wurzeln des Baumes sind die Unterwelt. Die mittleren Zweige gehen in die physische Welt und die höheren Zweige reichen in die Astralwelten und die himmlischen Welten.

Die Weltenbäume der verschiedenen Völker

In verschiedenen Kulturen wurden unterschiedliche Baumarten wie die Birke, Eiche, Pflaumenbaum oder Esche mit dem Lebensbaum verbunden.

Der Weltenbaum gilt als Sitz der Götter und Naturwesen. In vielen Völkern bevölkern auch mythische Tiere den Weltenbaum. Bei indogermanischen Völkern sitzt der Adler in der Krone und die Schlange befindet sich unten am Baum.

Maulbeer-Feige bei den Ägyptern

Die heilige Cykomore ist der Baum, der zugleich das Reich des Todes und den Himmel der Götter darstellt.

Ez Chaijm als Lebensbaum in der Kabbala bei den Hebräern

Der Lebensbaum stellt symbolisch den himmlischen, makrokosmischen Menschen als übergeschlechtliches und bipolares männlich-weibliches Wesen dar. Er stellt sich am vollkommensten im irdischen Menschen als Mikrokosmos dar. Er ist aber auch sonst überall in der Schöpfung, wenn auch unvollkommener.

Pfirsischbaum als Baum der Unsterblichkeit in China

Die taoistische Göttin Xiwangmu lebte auf dem heiligen Berg Kunlun, dem Sitz der Götter, wo drei Pfirsichhaine nur alle paar tausend Jahre Früchte tragen und den Göttern ihre Unsterblichkeit verleihen.

Der Bodhibaum  als Symbol des Erwachens im Buddhismus

Nach der buddhistischen Legende erfuhr Siddhartha Gautama Buddha unter dieser Pappelfeige sitzend seine Erleuchtung.

Xixum-Baum in der babylonischen Mythologie

Der Baum erstreckt seine Zweige bis in den Himmel, während seine Wurzeln tief in der Unterwelt sind. Sein Stamm symbolisiert die Verbindung der Sphären.

Die Birke als Weltenbaum ist im sibirischen Schamanismus

Sie ist das Zentrum der Welt und als solches das Zentrum der Schöpfung. Sie verbindet die reale Welt mit den anderen Welten. Über den Weltenbaum nehmen die Schamanen mit dem Schöpfungszentrum Verbindung auf und reisen in die Reiche der Geister und Götter.

Der Weltenbaum ist auch die Ruhestätte für verstorbene Schamanen, von der aus die Seele den Körper verlässt, um in das Reich der Geister zu gelangen.

Lebensbäume bei den Balten

Die Balten glaubten in vorchristlicher Zeit, dass alles auf der Welt eine Seele hat. Aus diesem Glauben resultierte ein tiefer Respekt gegen alle Lebewesen. Sie nahmen sich zum eigenen Lebensunterhalt nur das, was sie wirklich brauchten.

Das Fällen von Bäumen war in bestimmten Jahreszeiten mit einem Tabu belegt, um die Seelen nicht zu verletzen. Sie glaubten nicht an Seelenwanderung sondern nahmen zwei Seelen an.

Neben der Wele, dem zu den Göttern emporsteigenden ätherischen Schattenwesen, gab es noch die Dusin, ein Wesen, das die Erde nicht verließ, sondern sich in Bäume, Blumen, Säugetiere oder Vögel verwandelte. Die Dusin entwich dem Leib eines Toten als Atemhauch und nistete sich sogleich in einer Pflanze, einem Tier oder Vogel ein.

Die Seele einer Frau entwich gerne in eine Fichte oder Linde , in einen Sperling, einen Kuckuck oder eine Ente; die Seele eines Mannes wechselte in eine Eiche, Birke oder Esche, aber auch in einen Falken, Raben oder Hahn.

Yggdrasil (Eibe oder Esche) in der nordischen Mythologie

Yggdrasil ist die Verkörperung der Schöpfung als Gesamtes: räumlich, zeitlich und inhaltlich. Er ist der Weltenbaum, weil er im Zentrum der Welt steht und alle Welten miteinander verbindet.

Er ist der größte und der prächtigste Baum der Welt. Seine Äste breiten sich über alle neun Welten aus und erstrecken sich über den gesamten Himmel. Yggdrasil ist auch ein Sinnbild des Lebens an sich und vom Vergehen und Werden, der Erneuerung des Lebens.

Irminsul die Säule der Erde bei den Sachsen

Die Irminsul (althochdeutsch: allumfassende Säule)  war bei den Sachsen ein großer und heiliger Baumstamm, ein Sinnbild des Weltbaumes. Die gewaltige Säule symbolisierte die Verbindung des Himmels mit der Erde.

Eiche bei den Kelten

Die keltischen Druiden sahen in der Eiche den Lebensbaum. Die Eiche verkörperte die symbolische Verbindung zwischen Materie und Geist. Der Baum war dem Himmelsherrscher und Wettergott Taranis geweiht.

Ohne Eichenlaub war bei den Kelten keine kultische Handlung möglich. Auch der Begriff “Druide” ist eine Ableitung vom keltischen Wort “duir”, was Eiche bedeutet.

Baum der Hesperiden bei den Griechen

In der griechischen Mythologie wird der Baum des Lebens von den göttlichen Nymphen bewacht, die auch als Hesperiden bezeichnet werden. Sie haben einen Drachen namens Lardon, der ihnen hilft.

Auf diesem Baum des Lebens wachsen die goldenen Äpfel. Diese sind ein Geschenk der Gäa für Zeus und seine Gemahlin Hera. Es heißt, dass der griechische Gott Adonis aus dem Stamm des Baumes geboren wurde.

Asvattha-Baum in Indien

Ashvattha ist ein Feigenbaum mit vielen kleinen Blättern. Es ist ein Baum, der sehr alt und sehr groß werden kann und Luftwurzeln entwickelt.

In der Bhagavad Gita gibt es die Analogie, dass die ganze Welt wie ein Ashvattha-Baum ist. Die Wurzel ist letztlich in Gott. Daraus entsteht der Stamm, aus dem die Äste entstehen. Es erscheint so, dass die einzelnen Blätter voneinander getrennt sind. Aber jedes Blatt bekommt die Nahrung über den gleichen Baum, die gleichen Wurzeln.

Letztlich sind wir alle Blätter des gleichen Baumes. Unsere Wurzeln sind im gleichen Gott. Wir sind letztlich Teil des gleichen Gottes. So ist der Ashvattha-Baum ein Symbol für das Universum und auch der Verbundenheit von Allem.

Kalpavriksha-Baum als glückverheißender Himmelsbaum bei den Indern

Der Kalpavriksh-Baum gilt im Hinduismus als wunscherfüllender Baum. Indra nahm den Baum mit in sein Paradies, wo er im mittleren Garten von Indras fünf Gärten auf dem Gipfel des Weltenbergs Mahameru wächst. Er hat goldene Wurzeln, eine silbernen Stamm, Zweige aus Lapislazuli, perlenartige Blumen und diamantene Früchte.

Der Weltenbaum reicht vertikal auf dem Gipfel des Mahameru von der Unterwelt bis in den Himmel, wo die Götter wohnen und wohin die Vögel fliegen, die in den Wipfeln des Baumes sitzen. Die Vögel in dem Baum sind ein Fruchtbarkeitssymbol. Er steht für die periodische Erneuerung des Lebens.

Wacah Chan als Weltenbaum bei den Maya

Im Glauben der Maya besteht das Universum aus drei Ebenen:

  1. die neunschichtige Unterwelt (Xibalba)
  2. die von den Menschen bewohnte mittlere Welt
  3. die himmlische Welt.

Diese drei Ebenen verbindet der Weltenbaum Wacah Chan (übersetzt “Aufgerichteter Himmel”). Er ist das Bindeglied zwischen der natürlichen und der übernatürlichen Welt.

Simurgh-Baum als Mutter aller Bäume bei den Persern

Der Simurgh-Baum wächst in der Mitte des Meeres und ist der Ursprung aller Pflanzen. Er wird auch als „Baum jeder Heilung“ oder „Baum allen Samens“ bezeichnet.

Dieser Urbaum beherbergt das Nest von Simurgh, dem legendären mythischen Vogel. Der “Baum der Samen” wird vom Fisch Kara bewacht, der einen Frosch davon abhält, an den Wurzeln des heiligen Baumes zu nagen.

Auch der „rechtschaffene Esel“ bewacht den Baum. Es ist ein Fabelwesen, das ein weißes Fell, ein goldenes Horn, drei Beine, sechs Augen und neun Mäuler hat. Er steht in der Mitte des Meeres und vernichtet die dem Baum schadenden Wesen.

Der Lebensbaum mit dreieckiger Krone als Schiffsmast in Sumatra

Er ist das Seelenschiff, mit dem die Seelen der Toten ins Jenseits gelangen. Er ist zugleich auch ein Symbol für das Leben.

Heiliger Baum von Eridu bei den Sumerern

Die weiße Wurzel des Baumes reichte in die Tiefe, so dass in ihm der Mittelpunkt der Welt ist und dass in ihm alles ist.

Tuba als Baum im himmlischen Paradies im Islam

Er ist ein mythischer Baum der Glückseligkeit der im Paradies wächst. Er besitzt Zweige aus Smaragd und Perlen. Seine Krone soll so groß sein, dass ein Reiter einhundert Jahre reisen könnte, ohne seinen Schatten zu durchqueren.

Daher ist er auch von den Rändern des Paradieses aus zu sehen. Die Äste reichen in die Häuser der Gläubigen, die seine wohlschmeckenden Früchten genießen dürfen.

Bajterek bei vielen Turkvölkern

Der Sage nach hat der Vogel Samruk ein Ei in die Baumkrone des Lebensbaum gelegt. Das Ei ist ein Symbol an Wiedergeburt, Wachstum und Entwicklung.

Wie kannst du dich mit den Lebensbäumen verbinden?

Es ist wunderbar unter Bäumen zu meditieren. In diesen Blogartikeln findest du einige Anregungen:

Bäume zeigen dir ganz besondere Kraftorte – Teil 1

Bäume zeigen dir ganz besondere Kraftorte – Teil 2

Hohle Bäume

Bäume – liebevolle Wesen

Das keltische Baumhoroskop – Teil 1

Das keltische Baumhoroskop – Teil 2

Die spirituelle Bedeutung der Stechpalme

In unseren Naturspiritualitäts-Seminaren und Ausbildungen findest du viele Tipps und Ratschläge, wie du die mit der Kraft der Bäume verbinden kannst und mit ihnen kommunizieren kannst.

Anu Neumeyer Yogalehrerin (BYV), Ayurveda Gesundheitsberaterin (BYVG), Fußreflex-Therapeutin, Diplom Sozialpädagogin, Naturpädagogin und Erlebnispädagogin.

Anu praktiziert Yoga seit 2001. Nach ihrer vier Wochen Intensiv Yogalehrer Ausbildung 2016 entschied sie sich im Yoga Vidya Ashram Bad Meinberg zu leben, wo sie seitdem ihre Yogapraxis und Unterrichtserfahrung vertieft. Ihr Yoga Unterricht reicht von fortgeschrittenen Yoga Stunden mit intensiver Ausrichtung auf die Chakren über exakte Ausrichtungs-Prinzipien bis hin zu klassischen Yoga Vidya Stunden aller Level. Anu wendet mit viel Freude auch ihre therapeutischen und heilerischen Fähigkeiten in den Bereichen Ayurveda und Naturspiritualität an.

Alle Seminare & Themenwochen von Anu:

Alle Seminare des Teams des Center of Excellence “Naturspiritualität”

Alle Seminare mit Satyadevi bei Yoga Vidya →

Alle Seminare mit Luca Sumitra bei Yoga Vidya →Wiedergeburt

Alle Seminare mit Anu bei Yoga Vidya →

2 Kommentare zu “Die Mythologie vom Weltenbaum als Symbol allen Lebens

  1. Katharina

    Wow. Eine tolle Zusammenfassung. Mir kam spontan noch “Großmutter Weide” aus dem Film Pocahontas in den Sinn. Das nächste Mal werde ich den Film mit anderen Augen schauen.

  2. DANKE für diese umfassende Zusammenfassung zum Thema Weltenbaum!
    Es ist so wichtig, dass wir uns daran erinnern, welche Rolle die Bäume in unserer Evolution spielen, – in Zeiten, in denen wir ihr Wesen mißachten, sie in Monokulturen vergewaltigen, niederbrennen für den Profit. ALLES verdanken wir ihnen, sie sind unsere Mütter. Sie haben die Luft für uns atembar gemacht, schenken uns Nahrung, Behausungen, Kleidung und Heimat.
    Über meinen Zugang zu den Bäumen und die Entwicklung von Waldyoga schreibe ich in meinem Buch “waldverbunden”.
    Und wer ganz tief in Fühlung mit den Bäumen gehen möchte, dem empfehle ich “Der Geist der Bäume” von Fred Hageneder, für mich DER Baumkenner und Mittler.

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